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Genesis – Biografie
Biografie der Rockgruppe Genesis
Vierzig Jahre sind eine lange Zeit! Und es fallen einem nur wenige Vergleiche zu anderen Bands ein, die diese Hürde bereits genommen haben und noch dazu über all die Jahre so erfolgreich geblieben sind wie Genesis. Fragt man nach der „Blütezeit“ von Genesis, so wird man sehr unterschiedliche Antworten bekommen, denn jede Genesisperiode hat ihren Reiz, und das nicht zuletzt durch die Wandlungsfähigkeit der Band, durch die sie die internationale Musiklandschaft immer wieder entscheidend mitprägte. Viele Gesichter verbindet man mit dieser Band: Ganze zehn Musiker zählten bzw. zählen sich zum festen Line-Up, und sieben weitere gaben bislang mehr oder weniger häufig Hilfestellung. Allein den Schlagzeughocker teilten sich auf den bisherigen Veröffentlichungen acht Drummer. Und wie keine andere Band brachte Genesis sehr erfolgreiche Solo- und Sideprojekte hervor: Peter Gabriel, Mike & The Mechanics, GTR, Brand X und nicht zu vergessen Phil Collins. Dabei fing alles so harmlos an …
Entstanden aus der Fusion der beiden Schülerbands Anon und The Garden Wall der konservativ-christlichen Charterhouse School in Godalming, versuchte man sich 1967 – zunächst noch ohne Namen – an Songs der Stones, Yardbirds oder auch Otis Redding, bevor die Musiker ihr Talent für Songwriting entdeckten. Jonathan King, Ex-Charterhouse-Schüler und seinerzeit erfolgreicher Künstler und Produzent nahm sich der jungen Formation an und produzierte mit ihnen einige Singles und die Debüt-Platte From Genesis To Revelation, die noch sehr unter seinem Einfluss entstand. Von vielen als religiöses Werk missverstanden, verschwand die Platte nach Veröffentlichung im März 1969 schnell in den Plattenläden unter der Rubrik „Religiöse Werke“ und floppte.
Nach diesem Fehlschlag trennten sich die Wege von King und Genesis, und die Band machte sich erst einmal daran, an den noch offensichtlichen Defiziten an ihrer Professionalität zu arbeiten: Proben, Komponieren, Demoproduktionen und immer häufiger stattfindende Auftritte bestimmten die anderthalbjährige Phase bis zu ihrer nächsten Veröffentlichung Trespass. Mit dem wohlwollenden Label Charisma und deren Boss Tony-Stratton-Smith, der durch die vermehrten Gigs auf die Band aufmerksam wurde, hatten sie einen zuverlässigen Partner im Rücken, um die neuen Songs an den Mann zu bringen. Mit dem Drummer John Mayhew spielte man das gut ausgewählte Material ein und veröffentlichte das Album im September 1970. Obwohl auch diese Platte in kommerzieller Hinsicht ein Misserfolg war, legten sie mit diesem Werk den musikalischen Grundstein für die folgenden Jahre. Dem Stress einer anstehenden Karriere nicht mehr gewachsen, trennte sich Gitarrist und Songwriter Anthony Phillips von der Band, und auch der nicht sehr innovative Drummer John Mayhew musste seinen Hut nehmen. Ex-Flaming Youth-Schlagzeuger Phil Collins stieß als neuer Mann hinzu, und man promotete das Album live zunächst als Quartett, und später wieder zu fünft mit dem Gitarristen Mick Barnard, der aber mit dem mittlerweile gestiegenen Niveau nicht mithalten konnte. Mit dem Ex-Quiet-World-Gitarristen Steve Hackett fand die Band nach langem Suchen die passende Ergänzung des Kollektivs und konnte sich nun dem nächsten Album widmen.
Nursery Cryme , im Herbst 1971 veröffentlicht, wies trotz neuer Bandmitglieder große Ähnlichkeiten mit dem Vorgängeralbum auf, und wurde von Charisma nur halbherzig promotet. Um so überraschender kam die Nachricht des Erfolgs des Albums aus dem italienischen und belgischen Ausland, was erste Auftritte außerhalb von England einbrachte. Mit gestärktem Selbstvertrauen fing die nun eingespielte Truppe schon während der Tour mit dem Schreiben von neuen Songs an. Und Peter Gabriels immer extremere Experimente mit Frisuren, Schminke, Masken und Kostümen verhalfen der Band auch mittlerweile zu größerer Beachtung durch die Presse.
Das 1972er Album Foxtrot– für viele ein Meilenstein – brachte etliche spätere Klassiker wie beispielsweise Supper’s Ready hervor und war eine gute Basis für den Versuch, nun auch in Amerika Fuß zu fassen, was nach ersten Konzerten in den USA auch wunderbar funktionierte. Als Überbrückung bis zur nächsten Studioalbum-Veröffentlichung brachte man mit LiveAnfang 1973 einen Livemitschnitt heraus, der Material seit Trespassberücksichtigte und somit auf die bisherigen, unbekannteren Alben aufmerksam machen sollte. Das wiederum verschaffte der Band Zeit, sich intensiv mit neuen Songs zu beschäftigen.
Endlich auch in der Heimat als feste Größe im Musikbusiness anerkannt, warf 1973 das neue Album Selling England By The Pound mit I Know What I Like sogar einen echten Single-Hit ab, und enthielt erneut einige wichtige Klassiker, wie zum Beispiel Firth Of Fifth. Es folgten ausgedehnte Tourneen in Europa, den USA und Kananda.
Die Arbeiten für das kommende Projekt gestalteten sich nicht einfach, da Frontmann Gabriel nach über fünf Jahren Genesis seine Fühler nach neuen Projekten ausstreckte, und er außerdem der erste war, der eine Familie gründete. Dennoch schaffte die Band es, auf ihre bisherigen Erfolgen noch eins draufzusetzen. Das Konzept-Doppelalbum The Lamb Lies Down On Broadway erblickte 1974 das Licht der Welt. Die 90 Minuten Musik erlaubten den Musikern viele Experimente, und das nicht nur zu den Aufnahmen, sondern auch bei der Umsetzung des Materials auf der Bühne. Bis auf die Zugaben wurden nur die neuen Songs gespielt, umrahmt von einer bis dato noch nie gesehenen Multimedia-Show. Die 1975er Tournee markierte außerdem den Ausstieg von Peter Gabriel, der sich mittlerweile in der Erfolgsmaschinerie der Band nicht mehr wohl fühlte.
Die anschließende erste Soloveröffentlichung eines weiteren Bandmitglieds, Hacketts LP Voyage Of The Acolyte, ließ für viele nur noch den Schluss zu, dass Genesis am Ende waren. Doch obwohl es so schien, dass die restlichen vier keinen geeigneten Ersatz für Peter Gabriel finden konnten, bewies der enorme Erfolg des 1976er A Trick Of The Tail-Albums, für das nun erstmalig (und notgedrungen) Phil Collins den zusätzlichen Part als Sänger übernahm, dass die Band die Krise und den damit verbundenen Druck bestens bewältigt hatte. Die Leichtigkeit, die das Album mit Klassikern wie Los Endos ausstrahlte, bescherte Genesis viele neue Fans. Für eine anschließende Tour engagierte man den Schlagzeuger Bill Bruford, der bereits mit den Formationen Yes und King Crimson zu Ruhm gekommen war, um Phil Collins die Rolle des neuen Frontmanns zu ermöglichen.
Ende des gleichen Jahres kam bereits das nächste Album, Wind & Wuthering, welches sich qualitativ auf hohem Niveau bewegte, aber musikalisch nicht viel Neues bot. Es zeichnete sich der Trend ab, weniger Material als gemeinsame Gruppe zu „erjammen“, sondern vielmehr Beiträge Einzelner zu verwenden. Die bis dato größte Welttournee für Genesis 1977 bedeutete auch gleichzeitig das Ende eines weiteren Kapitels in der Genesisgeschichte. Die Veröffentlichung eines Doppel-Livealbums 1977, überwiegend mit Aufnahmen von dieser Tour – übrigens nun mit Ex-Weather-Report- / Ex-Zappa-Drummer Chester Thompson – besiegelte den Ausstieg des Gitarristen Steve Hackett, der durch die Arbeit an seiner ersten Soloplatte auf den Geschmack gekommen und nun nicht mehr bereit war, sich auf Kompromisse mit den anderen Bandmitgliedern einzulassen. Der Albumtitel: Seconds Out!
Das verbliebene, krisenerprobte Trio Banks/Collins/Rutherford ließ sich davon nicht unterkriegen und begann die Arbeit zum nächsten Studioalbum mit dem bezeichnenden Titel … And Then There Were Three … Bassist Rutherford, der bislang nur in wenigen Parts auch Rhythmusgitarre spielte, übernahm jetzt auch noch die Rolle des Lead-Gitarristen. Die Songs der LP waren nun fast ausschließlich Kompositionen der einzelnen Musiker, und was noch bemerkenswerter ist: Sie fielen um einiges kürzer und kompakter aus, als alles, was Genesis bisher veröffentlichten, mit Ausnahme des Debüt-Albums. Diese Veränderung in Richtung Massentauglichkeit bescherte der Band einen weltweiten Hit im Jahre 1978: Follow You Follow Me. Man hatte also auch den Weggang von Hackett gut verkraftet. Die darauffolgende Tournee mit dem Live-Gitarristen Daryl Stuermer (Ex-Jean-Luc-Ponty Band) führte die Truppe sogar in asiatische Länder. Die Shows wurden immer größer und die Tourneen immer ausgedehnter, was für Phil Collins zu massiven privaten Problemen führte. Er musste sich zwischen Genesis und seiner Familie entscheiden. Dieser Umstand veranlasste die Band, nach zehn Jahren Stress eine Auszeit zu nehmen.
Das Jahr 1979 nutzten Banks und Rutherford für erste Versuche mit Soloalben und Collins für neue Aufnahmen mit der Fusion-Combo Brand X, mit der er bereits seit Mitte der 1970er mit Unterbrechungen arbeitete. Die endgültige Trennung Collins‘ von seiner Frau brachte Genesis wieder zusammen.
Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit wurde 1980 auf dem Album Duke festgehalten. Die neu gesammelten Erfahrungen der einzelnen Bandmitglieder beeinflussten den Sound der Gruppe maßgeblich. Die Songs klangen frischer und waren einfacher strukturiert als die Beiträge des Vorgängeralbums. Außerdem öffnete man sich wieder mehr dem gemeinsamen Komponieren. Trotz erneuter Single-Erfolge schaltete man in puncto Konzerte zwei Gänge zurück: Shows gab es diesmal nur in Nordamerika und in einigen kleineren Theatern in Großbritannien.
Bevor es dann zur nächsten Platte kam, veröffentlichte Phil Collins sein erstes Solo-Album Face Value, das ihn zusammen mit der Single In The Air Tonight zum absoluten Weltstar machte.
Die Aufnahme-Sessions zum nächsten Genesis-Streich, Abacab, fanden erstmalig in dem eigens für Genesisaktivitäten eingerichteten Studiokomplex „The Farm“ in Surrey statt. Das bedeutete, dass man nicht wie bisher unter Zeitdruck stand. Die Folge war ein fast ausschließlich aus Jams entwickeltes Album, dem Starproduzent Hugh Padgham einen für Genesis ungewohnt modernen Sound verpasste. Die nicht zuletzt durch Collins‘ Soloerfolg zur Megagruppe gewachsenen Genesis gingen wieder in bewährter Livebesetzung auf Tour und entschlossen sich, das mittlerweile stark veränderte Songrepertoire der Shows als dritte Live-Veröffentlichung auf den Markt zu bringen. Three Sides Live erschien 1982 als Doppel-LP und enthielt (außer in Großbritannien) zusätzlich einige Überbleibsel vergangener Studioaufnahmen. Erneute Konzerte dienten zur Promotion des Albums, und an Rutherfords Geburtstag am 2. Oktober 1982 fand die bis zum heutigen Tag einzige Live-Reunion der klassischen Besetzung mit Gabriel und Hackett statt, um das von Gabriel initiierte WOMAD-Projekt vor dem Ruin zu bewahren. Den Rest des Jahres ’82 verbrachten die drei mit neuen Soloarbeiten.
Doch bereits im folgenden Jahr stand das nächste Werk in den Regalen, dieses Mal einfach Genesis betitelt, was deutlich machen sollte, dass mittlerweile nur noch Gruppenarbeiten den Weg auf ein Genesis-Album fanden. Das darauf enthaltene Mamawurde für viele Fans, aber auch für die Band die Hymne der modernen Genesis als Triobesetzung. Und wieder folgten Konzerte in aller Welt, die inzwischen als die größten und technisch ausgereiftesten überhaupt galten. Das war 1984.
Die Pausen zwischen den Genesisveröffentlichungen wurden nun immer länger, da Collins‘ Soloerfolge immer mehr Zeit in Anspruch nahmen. Auch Mike konnte inzwischen mit seiner neuen Formation Mike + The Mechanics unerwartete Erfolge verbuchen.
Erst 1986 fand man die Muße für eine erneute Zusammenarbeit. Das Ergebnis war das sehr poplastige Invisible Touch-Album, das dann auch dementsprechend viele Hitsingles in die Charts katapultierte. Eine Riesen-Tournee von Ende 1986 bis in den Sommer 1987 beglückte die Fans in allen Teilen der Erde. Nach diesen Strapazen des Dauererfolgs mit und in dieser Band ließ das Kollektiv Banks/ Collins/Rutherford sehr viel Zeit vergehen, ehe es das nächste Album in Angriff nahmen. Das schürte natürlich viele Gerüchte bezüglich der Auflösung der Band. Aber auch wenn die Arbeit an eigenen Projekten der drei immer mehr Raum einnahm, behielten sie Genesis im Auge.
Nach vier Jahren war es dann wieder soweit. 1991 waren die Band und die Welt reif für ein neues Genesis-Werk. Die Musiker fanden auch wieder mehr Gefallen an etwas ausgefeilteren Arrangements, was viele vom letzten Album enttäuschte Fans zu Genesis zurückbrachte. Fast schon automatisch stürmte das Album We Can’t Dance und die dazugehörigen Singleauskopplungen die Hitparaden. Es schien, als könnten Genesis machen, was sie wollten. Für die 1992 anstehende Welttournee reichten nur größte Hallen und Stadien aus, um der Nachfrage gerecht zu werden. Die inzwischen zahlreich angesammelten Welthits wurden rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft auf der Live-Compilation The Way We Walk – The Shorts auf den Markt gebracht, gefolgt Anfang 1993 von einer Zusammenstellung der langen Stücke der modernen Genesis, dem Gegenstück The Way We Walk – The Longs. Jeder wusste, dass man nach dieser unbeschreiblichen Erfolgsphase der Band in den kommenden Jahren erst einmal auf Genesis würde verzichten müssen.
Und dann irgendwann platzte die Bombe: „Collins verlässt Genesis!“ Für viele keine Überraschung, denn es war einfach keine Zeit mehr übrig zwischen all den überaus erfolgreichen Soloaktivitäten des Genesis-Frontmanns. Doch wer in diesem Schritt den Todesstoß für das Genesis-Projekt sah, machte die Rechnung ohne die Herren Banks und Rutherford, die trotz Solowegen nach wie vor die Lust am gemeinsamen Musizieren verspürten. Und sie wussten, dass eine Krise immer die Chance eines Neuanfangs mit sich bringt.
Ein neuer Sänger musste gefunden werden. In dem noch jungen und recht unbekannten Ex-Stiltskin-Frontmann Ray Wilson hatten sie die für sich perfekte Wahl getroffen. Er konnte das neue, wieder etwas düstere Material, das schon fast komplett von Banks und Rutherford komponiert war, optimal verkörpern – frischer Wind im Hause Genesis. Natürlich rechnete keiner bei dem 1997er Album Calling All Stations mit einem Erfolg wie bei den Vorgängeralben mit einem Superstar wie Phil Collins, dennoch war die Band etwas überrascht über das schlechte Abschneiden der Platte in den Vereinigten Staaten, woraufhin man sämtliche dort geplanten Konzerte absagte. In Europa hingegen wurde das neue Genesis-Line-up von einem Großteil der Fans akzeptiert. Die Tour durch mittelgroße Hallen mit geringerem technischem Aufwand als bisher war dem aktuellen Status der Band angemessen. Im Gepäck hatte man jetzt auch neue Mitstreiter, die die Rollen eines Chester Thompson und eines Daryl Stuermer übernehmen sollten: Nir Zidkyahu – ein noch ziemlich unbeschriebenes Blatt – an den Drums, die er gemeinsam mit Nick D’Virgilio schon für das Album bediente, und der auch noch relativ unbekannte Anthony Drennan an Bass und Gitarre.
Alle Beteiligten konnten sich ab Mitte 1998 beruhigt wieder ihren eigenen Projekten widmen, doch nicht bevor noch einmal die Geister der Vergangenheit heraufbeschworen wurden. Das schon seit Mitte der 1990er geplante, und immer wieder verschobene Genesis Archive-Projekt, eine 4-CD-Box mit vielen bisher unveröffentlichten Studio- und Live-Raritäten der Gabriel-Ära, konnte endlich realisiert werden. Alle damalig beteiligten Musiker, konnten dazu Parts, mit denen sie nicht zufrieden waren, überarbeiten, was für viele eine Art Reunion der alten Besetzung bedeutete. In der Tat plante man zu dieser Veröffentlichung auch eine Neuaufnahme des Klassikers The Carpet Crawlers vom Lamb-Album, die leider nicht rechtzeitig fertiggestellt werden konnte, aber verspätet auf der nun jüngsten Veröffentlichung aus dem Hause Genesis den Weg zu den Fans fand. Die kurz vor dem Jahrtausendwechsel herausgebrachte Compilation Turn It On Again – The Hits vereint die größten (kommerziellen) Erfolge aller Epochen der Band auf einer Scheibe, plus die erwähnte Neuaufnahme in alter Besetzung.
Das Jahr 2000 hatte gleiche mehrere gute und schlechte Nachrichten parat. Zum einen verdichteten sich die Gerüchte, dass es mit Ray Wilson kein weiteres Genesis-Album geben würde und somit die Band erst einmal stillgelegt würde. Zum anderen erschien das zweite Archive Box-Set – gemessen an früheren Ankündigungen aber in einer abgespeckten Form als 3-CD-Box, die die gesamte Collins-Ära abdeckte. So war das Set alles andere als vollständig. Im Herbst kam es dann zu einer kuriosen kleinen Reunion. Verstärkt durch Daryl Stuermer spielten Tony Banks, Phil Collins und Mike Rutherford ein semiakustisches Set zu Ehren ihres Managers Tony Smith. Im Publikum saß Peter Gabriel, der aber nur zum Fotoshooting auf die Bühne kam. Wieder machten Gerüchte über eine Reunion die Runde.
In den folgenden Jahren verloren diese Gerüchte nie an Nahrung; vor allem Steve Hackett und Phil Collins erklärten wiederholt ihre Bereitschaft, an einem solchen Projekt teilzunehmen. Einzig Peter Gabriel schloss dies aus, „solange mir nicht Geld und Ideen ausgehen“. Gabriel, Hackett und Collins gingen auf größere Welttourneen, parallel dazu tourte die definitive Coverband The Musical Box mit ihren Shows ebenfalls um den Globus. 2001 begannen Genesis ihre Videoveröffentlichungen auf DVD neu zu veröffentlichen. Den Anfang machte The Way We Walk, eine Doppel-DVD der 1992er Konzerte im Londoner Earls Court. Danach folgte mit Live At Wembley Stadium die Erneuerung des Invisible Touch Tour-Videos. Dazwischen durften sich die Fans mit The Genesis Songbook über eine neue Dokumentation freuen. Der letzte Wurf war Ende 2004 die Doppelveröffentlichung der Platinum Collection (3CD) und der DVD The Video Show – letztere vereint alle Musikvideos von Ripplesbis The Carpet Crawlers 1999. Die Platinum Collection ist die erste echte Werkschau aller Bandperioden, verteilt auf 3 CDs mit neuen verbesserten Mixen der Original-Songs.
2005 und besonders 2006 verdichteten sich die Gerüchte, dass es zu einer Reunionkommen würde. Selbst Peter Gabriel und Steve Hackett äußerten sich oft, mal ablehnend, mal verhalten, mal aber auch aufgeschlossen, zu dem Thema.
Im November 2006 ließen Genesis dann die Katze aus dem Sack: Auf ihrer Pressekonferenz in London erklärten Tony Banks, Phil Collins und Mike Rutherford, im Jahr 2007 unter dem Motto Turn It On Again – The Tour durch Europa und Nordamerika touren zu wollen: Die „Selection of Shows“ (Collins) bedeute in erster Linie Spaß, eine Zusammenarbeit mit Peter Gabriel komme zwar zunächst nicht zustande, sei aber nicht ausgeschlossen.
2007 beglückte die Band ihre Fans schließlich mit einer Welttournee. Nach dem Dress Rehearsal in Brüssel am 4. Juni 2007 startete die Tour schließlich in Helsinki am 11. Juni, dabei wurde in Europa 22 Mal ausschließlich in Stadien gespielt, ab September tourte die Band schließlich durch die größten Hallen und Stadien Nordamerikas. Am 13. Oktober endete die Tour in Los Angeles und seitdem halten sich Gerüchte über eine Fortsetzung in anderen Teilen der Welt. Im März und September erschienen die langersehnten SACD/DVD-Sets 1976-1982 und 1983-1998 – alle Genesis-Alben und fast alle Non-Album-Tracks der entsprechenden Phasen wurden neu abgemischt in Stereo und 5.1 Surround Sound veröffentlicht. Im Herbst wurde mit Live Over Europe gleich noch ein Live-Album hinterhergeschoben, das erstmals alle Songs der Tour enthält.
Mit Spannung erwartete die Fangemeinde aber die DVD zur Tour – und wurde nicht enttäuscht. When In Rome 2007 kam als 3-DVD-Set mit einer langen Tourdokumentation namens Come Rain Or Shine. Erstmals gab es im Rahmen einer Genesis-Veröffentlichung ein fast europaweites Kinoevent, bei dem die Dokumentation in mehrere europäische Kinos übertragen wurde und Genesis anschließend im Rahmen einer Interview-Session live in die Kinos übertragen wurden. Im Herbst folgte das letzte Studioboxset 1970-1975 mit den Alben der Gabriel-Ära, das einen sensationellen 22. Platz in den deutschen Album-Charts erreichte. Hartnäckig hielten sich Gerüchte um eine bevorstehende Lamb-Tour oder eine Fortsetzung der Turn It On Again Tour. Diese erhielten vorerst einen Dämpfer, nachdem Gabriel für 2009 seine Lateinamerika-Tour ansetzte und außerdem erklärte, keine weiteren Konzerte im Rahmen einer Tour 2009 spielen zu wollen. Im Laufe des Jahres wurden verschiedene Projekte bekannt, insbesondere die Veröffentlichung der Boxsets 1973-2007 LIVE (diesmal nicht als SACDs, sondern als CD/DVD Disks und ohne visuelles Material) sowie 1981-2007: The Movie Box. Im Spätsommer schockierte eine Meldung die Fanwelt: Phil Collins kann infolge einer Wirbeloperation auf absehbare Zeit kein Schlagzeug mehr spielen.
Es sollte einige Jahre dauern, ehe es wieder belastbare Infos aus dem Genesis-Lager gab. Anlass war eine neue Dokumentation der BBC, die 2014 unter dem Namen Together And Apart gesendet wurde. Dazu kam auch eine Veröffentlichung als DVD und Blu-ray unter dem Namen Sum Of The Parts. Die Besonderheit damals lag darin, dass auch Peter Gabriel und Steve Hackett in die Promoaktivitäten eingebunden waren. Steve Hackett allerdings war wenig erfreut über die Tatsache, dass seine Solokarriere aus der Doku geschnitten wurde.
Zusätzlich erschien mit R-Kive eine neue Bandwerkschau, die erstmals auch Solostücke enthielt (drei von jedem der fünf). Das Ganze wurde allerdings mit einer regelrechten Scharfmachung angekündigt. exciting news“), so dass alle doch was anderes bzw. einfach mehr erwartet hätten. Die Stimmung jener Zeit haben wir in einem entsprechenden Artikel verarbeitet.
Reunion-Gerüchte gab es in der Folge immer mal wieder, allerdings auch meist durch Interviews, bei denen die Musiker von Genesis jeweils sehr diplomatisch und nichts ausschließend antworteten. Bewegung in die Sache kam erst wieder, als Phil Collins Ende 2016 völlig überraschend sein Live-Comeback ankündigte. Seit 2017 tourt er nun um die Welt, spielt aber kein Schlagzeug mehr und so kamen wiederum Ideen auf, dass sein Sohn Nicholas ja auch bei Genesis drummen könnte. Und auch hier gilt wieder, dass niemand etwas definitiv ausschließt. Sehr wahrscheinlich ist es aber nun auch wieder nicht.
Aus Sich der Veröffentlichungen wurde es insgesamt eher still um die Band. Lediglich auf Vinyl gab es die ein oder andere Wiederveröffentlichung. Aber auf eine Blu-ray von When In Rome oder Neuauflagen der Boxsets wartet man immer noch.
Im Januar 2020 verdichteten sich die Zeichen, dass Genesis tatsächlich testweise in New York proben und im März wurde dann, fast schon sensationell, die The Last Domino? Tour angekündigt – aber zunächst nur in Großbritannien und Irland. Dann kam Corona und die Tour wurde zwei Mal verschoben und ein Nordamerika-Abschnitt hinzugefügt. Die Band tourte dann 2021 tatsächlich. Einige Shows mussten im Vorfeld gestrichen werden, vier weitere auf Grund von Corona-Fällen verschoben werden. Und dann kommen sie nun doch 2022 nach Deutschland …
Der Mythos Genesis ist also Ende 2021 plötzlich der Realität gewichen. Auf ein neues Album sollten wir aber nicht hoffen. Tatsächlich erklärte Phil Collins bei der finalen Show in London im März 2022 das Ende von Genesis. Danach verkaufte die Band die Rechte an ihren Songs und es gab noch das Boxset BBC Broadcasts – was noch folgt, werden wir sehen, aber Genesis als aktive oder ruhende Band gibt es nun nicht mehr.
Autoren: Steffen Gerlach / Christian Gerhardts
Stand: Mai 2024