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Genesis – Backstage Report über die Lightshow der Turn It On Again Tour 2007
Die gewaltige Bühnenproduktion der Turn It On Again-Tour hatte natürlich eine standesgemäße Lightshow. In München traf sich Christian Gerhardts vor der Show mit Victor „Livingstone“ Anderssen vom „Genesis Lights Repair Center“ der Tour…
Herausforderungen für die Licht-Crew während der (Regen-) Tour
Genesis auf Tour: Das war schon immer eine Herausforderung für die Crew. Egal ob sie sich nun um Beleuchtung, Ton, Video oder andere Sachen kümmern, die Bühnen auf- und abbauen oder die Lastwagen fahren.
Genesis 2007 – das ist die größte Bühne, die sie jemals hatten. Christian Gerhardts hat vor dem Konzert in München (am 10.Juli) Livingstone kennen gelernt. Er ist ein Mitglied der Technikercrew und mit ihm konnte er über das Leben und die Arbeit hinter den Kulissen einer solchen Produktion gesprochen.
Livingstone spricht fast fließend deutsch. Er ist seit 1978 auf Tour und auch oft in Deutschland unterwegs gewesen. Sein Arbeitgeber Roadtechservices Belgium wurde für diese Tour von der Londoner Firma Neg Earth Lights unter Vertrag genommen. Neg Earth Lights ist der Hauptlieferant für die Lichter, Bühneneffekte und das Werkzeug für den Bühnenaufbau auf der Genesis-Tour 2007.
Außer mit Genesis war Livingstone schon an vielen Produktionen rund um die Welt beteiligt. Zum Beispiel für Uriah Heep, Jethro Tull, Pink Floyd, Rammstein, Riverdance, Oasis und Franz Ferdinand, um nur einige zu nennen. Er gehört zum Beleuchtungsteam und ist dort der Notarzt für alle Beleuchtungssachen. Das Wohlbefinden aller Installationen und der Vari*Lites fallen in seinen Zuständigkeitsbereich.
„Unsere Mannschaft zerfällt in drei Teams: Zwei Vorauskommandos und ein Universal- (Konzert-)Team, das dafür sorgt, dass das Konzert vom Licht her funktioniert. Die Beleuchtungsabteilung besteht aus sechzehn Leuten“, erklärt Livingstone. Die Vorauskommandos beginnen am Tag vor der Show die gesamte Kabelinfrastruktur zu verlegen und installieren sowohl die Lichter an den sieben Rippen als auch die Vari*Lites unter dem Bühnendach (beispielsweise die direkt unter dem Dach, das die Band vor Regen schützt). Das Universalteam stößt am Morgen des Konzerttages mit der Hauptausrüstung und den Effekten dazu.
Livingstone erläutert, wie über die Jahre der Gebrauch der Scheinwerfer ständig überarbeitet wurde.
Bis in die 80er Jahre war die Bühnenbeleuchtung für Konzerte und Theaterproduktionen sehr raumfüllend und erforderte viele Installationen (für ein Rockkonzert wurden üblicherweise bis zu 3000 Lampen benötigt). Jedes Licht musste von Hand fokussiert werden, bevor zur Einfärbung buntes Zelluloidgelmaterial vor jeder einzelnen Lampe platziert wurde. Farbwechsel wurden bewirkt, indem man Scheinwerfergruppen an- oder abschaltete und dämpfte, indem man elektronische Dimmer von einer computergestützten Beleuchtungskonsole aus regelte.
Die ganzen 70er Jahre hindurch tüftelten Ingenieure an einem Farbwechsel für eine Lampe. Schließlich fanden sie eine Lösung: Dichroitische Filter ermöglichten fast augenblickliche Farbwechsel und erzeugten satte Farben, die die Gelfilter nicht bieten konnten.
Bald darauf flog das Entwickler-Team nach London, um einen Prototypen der automatisierten Lampe (damals „VL Zero“ genannt) Genesis vorzustellen. Die britische Band war schon lange an vorderster Front bei der Verwendung der neuesten Technologien – und probte gerade für eine neue Tour. An der Seitenwand einer 500 Jahre alten Scheune bei einem Studio mitten auf dem englischen Land gab die neue Leuchte ihr Debüt. 50 VL1™ Leuchten und eine computergestützte Kontrollkonsole kamen beim ersten Konzert der
Abacab-Tour am 25.September 1981 in einer Stierkampfarena in Barcelona, Spanien, zum Einsatz.
Seitdem hat Livingstone mit Vari*Lites gearbeitet und repariert alle möglichen automatischen Lampen und sonstige Ausrüstung hinter der Bühne in seinem „Krankenhaus“.
Open-Air-Konzerte sind eigentlich Sommer- und Schönwetterveranstaltungen; dieses Jahr schien jedoch das Jahr der „Turn the tap on“-Tour [„Dreh den Wasserhahn auf“-Tour; d.Übers.] zu werden, wie Jonathan ‚Sel’ Sellers, der Leiter des Neg Earth Beleuchtungsteams bemerkte.
2007 war eine komplette Tour durch europäischen Regen; sieben von neun Shows brachten Regen und einige davon, wie die in Bern, Hamburg und Chorzow, brachten jede Menge davon. So etwas habe ich in all den Jahren noch nicht erlebt, wir wurden von dem ungewöhnlich starken Regen wortwörtlich von der Bühne gespült.
Chorzow war für die Crew wahrscheinlich die schlimmste Show der Tour. Außer dem Regen hielt sie noch ein Gewitter in Atem. Insgesamt etwa zwei Stunden lang durften wir nicht auf die Bühne – aus Sicherheitsgründen. Gegen so ein Wetter kann man nichts machen, das wird uns also ganz schon auf Trab halten, damit die ganze Ausrüstung für die nächste Show wieder gut in Schuss ist.
Bei der „Turn it on again“-Tour kommen nicht nur Vari*Lites zum Einsatz, sondern ein ganzer Schwung Neuentwicklungen wie die neuen Schweinwerfer von ZAP, Robe und Coemar. Am interessantesten sind Livingstone zufolge die ZAP BigLites und Little BigLites; die neuen 3.5 und 4.5 Xenon-Spotlights mit Farbwechslern sind sehr stark, schnell und hochgezüchtet; sie wiegen bis zu 150kg und ziehen 130 Ampere pro Stück.
Diese wichtigen Scheinwerfer sind die Augen im Himmel und spielen eine wichtige Rolle bei dem Design. Sie sind auf Gondeln von Kinesys Automation Systems installiert, die sich mit hoher Geschwindigkeit die Türme hinauf und hinab bewegen. Die Türme (Rippen) sind mit Coemar und Robe-Leuchten ausgestattet; die Effekte sind auf Gondeln installiert, die zum ersten Mal bei
Home By The Sea die Türme hochfahren.
„Bei dieser Tour kommen in den drei Teams ungefähr 500 Scheinwerfer zum Einsatz“, sagt Livingstone, „damit sind wir ganz gut beschäftigt“ in diesem regnerischen Jahr. Es ist zwar kaum zu glauben, aber wir haben kein Dach wie bei einer normalen Bühne. Bei jedem regnerischen Konzertabend haben wir zwei oder drei Scheinwerfer, die nicht funktionieren, weil sie zu nass sind. Viele fragen sich bestimmt, was wir machen, wenn ein Scheinwerfer ausfällt. Wir müssen sie am Tag der Show noch reparieren. Während der Show selbst können wir sie aus Sicherheitsgründen nicht auswechseln.
Vielfach kommt von Fans auch die Frage, ob diese Genesis-Show größer ist als die Pink Floyd-Produktion von 1994. „Das kann man nicht vergleichen“, meint Livingstone, „Floyd hatten eine ganz andere Bühne mit einem Bogendach nach hinten hin, von dem fast drei Viertel der Ausrüstung abgedeckt wurden; sie haben auch normale Projektionen benutzt, die eine schwarz verhängte Bühne verlangen, während diese Bühne hier ja offen ist mit neuen Video- und Lichttechniken.
Unsere ganze Ausrüstung, Gerüste, Sound-Anlagen, Lichter und Video sind den Elementen ausgesetzt. Weil es an den Sommerabenden lang hell ist, spielen die Scheinwerfer eine ganz andere Rolle in Verbindung mit dem Video; das Design ist überhaupt ganz anders.“
Die große Bildschirmwand betreut eine andere Firma, sagt Livingstone; XLVideo liefert über Blink TV die 15089 Barco O-Lite Paneele für die 13 Meter hohe und 55 Meter breite Rückwand, die von sieben Lichttürmen umgeben ist, die bis zu 28,8 Meter hoch aufragen und insgesamt eine an eine Schneckenmuschel erinnern. Das ist, glaube ich, ein Weltrekord im Videoland. XL verwenden außerdem zwei hochauflösende Mitsubishi 16:8 Bildschirme links und rechts.
Oft wird auch gefragt, was Genesis in Nordamerika tun werden, wo sie ja vor allem in Hallen spielen werden, in die eine Bühne von solchen Ausmaßen nicht hineinpasst. Dazu Livingstone: „Der aktuelle Bühnenaufbau, den wir in Europa benutzt haben, kommt bei den Stadionkonzerten in Nordamerika zum Einsatz. bei den Hallenshows wird ein geändertes Design verwendet. Dafür werden dann die meisten Scheinwerfer an der Hallendecke aufgehängt. Das führt bei der Liveshow nur zu minimalen Veränderungen. In erster Linie müssen Video und Scheinwerfer sorgfältig an die Vorgaben und Beschränkungen für Arenen angepasst werden.“
Kurz vor der Show – und nach unserem Gespräch in München gab es dann Regen – der hörte aber noch vor dem Konzert wieder auf und es blieb trocken. Alles wird gut…oder: Turn The Tap Off…
Autor: Christian Gerhardts / Livingstone
Übersetzung: Martin Klinkhardt
Fotos: Livingstone