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Genesis – Armando Gallo: I Know What I Like (Re-Issue ’98) – Buch Rezension & Interview
Es gilt als Fanbibel – obwohl es nur einen Teil der Genesis-Geschichte abdeckt. Armando Gallos Biografie genießt mehr als Kultstatus. Das Buch ist lange vergriffen und erzielte auf den Plattenbörsen zuweilen Mondpreise, dann entschloss sich Armando, das Buch neu aufzulegen.
Kaum einem Genesis-Fan wird der Name Armando Gallo fremd sein. Der seit vielen Jahren in den USA lebende gebürtige Italiener war wie kaum ein anderer Fotograf und Journalist Wegbegleiter von Genesis in den 70er Jahren. Seine „Bilder”-Bücher über Genesis bzw. Peter Gabriel sind absolute Pflichtlektüre eines jeden Fans. Da alle Gallo-Werke zwischen 1978 und 1987 erschienen, sind sie inzwischen natürlich nicht mehr regulär im Handel und tauchten in der Vergangenheit nur gelegentlich im antiquarischen Buchhandel oder auf Schallplattenbörsen auf, meist nur in England.
Zumindest ein Buch von Armando, wohl sein bekanntestes und beliebtestes, ist nun allerdings in einer Neuauflage erschienen: I Know What I Like. Es wurde erstmals 1980 bei Omnibus Press in England veröffentlicht und seitdem einige Male wiederveröffentlicht, letztmalig, soweit wir wissen, 1987.
Die ’98er Neuauflage ist bei keinem Verlag erschienen, sondern wurde im Auftrag von Armando privat hergestellt. In einer Auflage von nur 3000 Stück wurde das Buch in Italien gedruckt und gebunden und wird auch von dort an die Käufer direkt verschickt. Ausgesprochen billig ist es zwar mit einem Preis von ca. 100,– DM nicht, aber in Anbetracht der kleinen Auflage und der Tatsache, daß das Buch fest gebunden, sehr gut gedruckt und sauber verarbeitet ist, ist es diesen Preis wohl wert.
Dass es Gallo bei I Know What I Like ’98 nicht darum ging, einfach nur Geld aus einer lukrativen Wiederveröffentlichung herauszuschlagen, und dass er selbst ein absoluter Genesis-Fan ist, wird deutlich, wenn man das Buch in die Hand nimmt. Es ist sehr solide gearbeitet, und das Papier ist sogar noch etwas dicker als bei den Omnibus Press-Ausgaben. Der Schutzumschlag wurde neu gestaltet und zeigt verschiedene Genesis-Motive der 70er Jahre. Der eigentliche Einband besteht aus rotem „Kunstleder”. Inhaltlich wurde am 1980er Werk nichts verändert. Am Schluss des Buches wurde lediglich ein aktuelles Foto von Genesis live ’98 in Rom hinzugefügt. Außerdem wird das Buch mit einem zweiseitigen Vorwort von Paul Whitehead eingeleitet, der auch für das Coverdesign von „IKWIL” verantwortlich ist (Paul hat, das dürfte bekannt sein, die Albumcover der Genesis-LPs Trespass, Nursery Cryme und Foxtrot geschaffen).
In dem reichhaltig schwarzweiß und farbig bebilderten Buch beschreibt Armando Gallo übrigens detailliert die Bandgeschichte von den Anfängen bis ins Jahr 1979. Des weiteren sind kurze Biographien von Peter, Steve, Mike, Tony und Phil (Stand 1979) enthalten.
In einem kurzen Interview, das wir Anfang Oktober mit Armando via E-Mail führten, antwortete er auf einige Fragen rund ums Thema I Know What I Like:
it: I Know What I Like basiert weitestgehend auf deinem ersten Genesis-Buch, The Evolution Of A Rock Band. Was war der Grund, I Know What I Like 1980 zu veröffentlichen, war es nur eine aktualisierte Version von The Evolution…?
Armando: Der Grund für die Neuauflage war, daß ich nicht mochte, wie das Buch erschienen war. Die englischen Herausgeber hielten sich nicht an meinen Entwurf und die Vorschläge, was Design, Papier etc. anging. Das Titelbild – damit hatte ich nichts zu tun. Diese Füße, die aus dem Wasser ragen, waren scheußlich, und es war kein Foto von mir. Ich glaube, es war das Bild eines Freundes des Herausgebers. Als ich im Oktober 1977 das Manuskript nach England schickte, versah ich alle Bilder auf der Rückseite mit einer Nummer, und im Manuskript gab ich an, wo welches Bild hin sollte. Die Bilder sollten zum jeweiligen Text dieser Seite passen. Das ging total in die Hose. Die Designer ignorierten das einfach. Auch das Papier taugte nicht viel.
Als das Buch herauskam, wurde es ein Erfolg. Der Verkauf begann während des Knebworth-Konzerts im Juni 1978, und alsbald waren 1000 Stück verkauft. Das lief irgendwie ähnlich wie bei vielen Bands, die ich damals interviewte. Ich traf sie, weil sie eine interessante Platte gemacht hatten, doch die Antwort war: „Ja, das Album verkauft sich gut, aber wir hatten nichts zu tun mit dem Cover, und das Abmischen war verwirrend …” Für mich war das Äquivalent des Abmischens das Zuordnen der Bilder zu den jeweiligen Abschnitten. Die Produktion des Buches spiegelte nicht die sauberen Produktionen der Genesis-LPs wieder, und ich war sehr enttäuscht …
Der englische Verlag hatte nicht die Rechte für den amerikanischen Markt bekommen, und so sah ich mich in den Staaten nach jemandem um, der das Buch so herausbringen würde, wie ich es eigentlich gewollt hatte. Nach einem Jahr des Suchens mußte ich einsehen, daß man in Amerika das Buch billiger, z. B. ohne Farbseiten, produzieren wollte. Das empfand ich als Beleidigung für die Fans und für mich. Ein Freund schlug vor: „Du solltest es selbst in die Hand nehmen”, und ich begann, darüber nachzudenken. In der Zwischenzeit war Peter Gabriel dabei, sein drittes Album aufzunehmen, und er spielte mir ein Lied vor, das mich inspirierte: „If you want control, keep it small, do it yourself, DIY DIY DIY …”
Ich dachte, wenn jemand Genesis so sehr verehrte, dass er ein Buch über sie kauft, dann sollte es auch das beste sein, das er in Händen halten kann.
Im Sommer 1979 ging ich zurück nach England. Peter und Steve traten beim Reading Festival auf, und Phil, der gerade mit Brand X von einer US-Tour zurückkam, half Peter bei seinem Album an den Drums aus. Genesis waren bereit, wieder etwas zusammen zu machen. Sechs Monate waren sie nun auseinander. Phil war mit seiner Familie nach Vancouver gezogen, und Tony und Mike hatten ihre ersten Soloalben aufgenommen. Phil hatte Probleme mit seiner ersten Frau, und er war bereit, wieder mit Genesis zu „rocken”. Inzwischen hatte er sein gebrochenes Herz damit besänftigt, ein paar Demos trauriger Gefühle aufzunehmen. Der erste Song wurde In The Air Tonight. Im September 1979 interviewte ich Genesis erneut. Kurz darauf begannen sie mit den Proben zum neuen Album. Mit einem neuen Verständnis für die Band begab ich mich zurück nach Los Angeles und begann meine Arbeit an dem, was später I Know What I Like wurde.
Am 24. Januar 1980, meinem Geburtstag, kam ich wieder nach England. Der englische Verlag Sidgwick & Jackson plante gerade, The Evolution … zum vierten Mal nachzudrucken. Ich war in London, um Genesis ein Muster des neuen Buches zu zeigen, und wie es der Zufall so will, war nicht nur ich selbst dabei, mein Buchprojekt abzuschließen, sondern auch Genesis beendeten gerade Duke. Ich hörte das Album an dem Tag zum ersten Mal, an dem es endgültig abgemischt worden war. Nachdem mir die Band ihr Einverständnis zu meinem Buch gegeben hatte, baten sie mich, am Produzenten-Stuhl Platz zu nehmen und Duke anzuhören.
The Evolution … hatte sich 30.000 mal verkauft. Zu der geplanten vierten Auflage durch Sidgwick & Jackson kam es nicht mehr, aber sie wurden der Großhändler von I Know What I Like. Für mich war das ein unglaublicher Sieg, denn zwei Jahre zuvor hatte ich ihnen gesagt: „Ich werde euch schon zeigen, wie man ein gutes Buch macht!”
Ich muss aber zugeben, dass, so sehr ich The Evolution … auch gehasst habe, als es herauskam, ich doch vor kurzem begann, es lieb zu gewinnen. In einem alten Lager eines Freundes von mir fand ich zwanzig Exemplare, und das hat mich an einige gute Dinge erinnert. Es ist ein niedliches kleines Buch mit einem Bild von Phil, wie er sich gerade einen Joint dreht. Ich erinnere mich noch, wie Phil sagte: „Das Bild mußt du drucken”, als er es mir gab.
it: Was war der Grund dafür, I Know What I Like nun mit neuem Cover und ein paar kleinen Ergänzungen, wie dem Vorwort von Paul Whitehead, erneut aufzulegen?
Armando: Von verschiedenen Quellen hörte ich, dass I Know What I Like im Internet für 80,– bis 100,– Dollar gehandelt wurde – und das gebraucht. Zu dieser Zeit half mir Paul Whitehead bei ein paar Dingen, verschiedene journalistische Projekte betreffend. Virgin sollten in Kürze die erste Genesis-Box herausbringen, und das brachte uns irgendwie wieder auf die Frühphase der Band, als wir beide in London lebten und arbeiteten, er als Designer und ich als Fotojournalist. Wir entschlossen uns, die alten Foto-Archive wieder „auszugraben” und ein neues Cover für das Buch zu entwerfen.
Eines Abends schrieb Paul über die frühen Charisma-Tage, und so kam es, daß ich ihn ein Vorwort für das Buch verfassen ließ. „Die Leute sollten wissen, wie du Peters Kostüme beeinflusst hast und wie diese frühen LP-Cover entstanden”, sagte ich zu ihm. Wir überlegten hin und her, wie wir das Buch auf den aktuellen Stand bringen könnten, aber jeder sagte uns: „Laßt es, wie es ist. Das Buch ist ein Klassiker, und wir wissen alle, was mit Genesis, Phil Collins und Peter Gabriel passierte. Hier geht es um die Anfänge, die niemand kennt.”
it: Könntest du dir vorstellen, ein neues Buch über Genesis der Periode von 1980 bis heute herauszubringen?
Armando: Nein. Während der Abacab-Tour hörte ich auf, mich mit Genesis zu beschäftigen. Ich war in Paris, wo sie drei Gigs spielten, und beim zweiten Konzert verließ ich nach der Hälfte der Show die Halle. Ich packte langsam meine Kameras ein und ging hinaus. Diese Band sagte mir so recht nichts mehr. Ganz plötzlich fand ich sie langweilig, irgendwie leer. Es war kurz und schmerzlos, und ich sah niemals zurück oder bereute etwas.
Aber ich blieb weiter an Peter Gabriel dran und sah ihn bei jeder Tour. Ich denke, dass er noch immer einer der interessantesten und inspirierendsten Rock-Künstler ist – jemand, der seinem Glauben und seiner Leidenschaft treu geblieben ist. Wann erscheint endlich dein neues Album, Peter?
it: Hast du irgendwelche Pläne, andere deiner Genesis-Bücher neu aufzulegen, z. B. From One Fan To Another?
Armando: Nein. Ich denke diese 3000er-Neuauflage von I Know What I Like ist das letzte Kapitel meiner Genesis-Saga. Die Rechte an From One Fan To Anotherhat Omnibus Press in London, und falls die planen sollten, es neu aufzulegen, weiß ich zumindest nichts davon.
it: Existieren neben den Fotos von Genesis & Co., die in deinen Büchern abgedruckt sind, ähnliche oder andere, die nie Verwendung fanden?
Armando: Natürlich war ich immer bemüht, die besten Bilder zu verwenden, was nicht unbedingt heißt, das es auch die besten sind. Anfang der ’70er Jahre gingen meine besten Bilder zusammen mit meinen Stories an italienische Magazine oder zur Promotion an Charisma. Ich war damals in meinen Zwanzigern, hatte mit Rock’n’Roll meinen Spaß und dachte nie daran, die Originale zu behalten. Ich hätte nie gedacht, dass diese Bilder in den ’90ern von Wert sein könnten. „Gib nie die Originale her!” – das wäre ein guter Titel für ein Buch.
it: Man sagt, du habest alle deine Fotos an Hit & Run verkauft. Was ist da dran?
Armando: Ich habe nur die Reproduktionsrechte einer guten Auswahl meiner Bilder für die bevorstehende CD-ROM an Hit & Run verkauft. Es war geplant, diese der dritten Box beizulegen, aber im Moment weiß ich nicht, ob das so sein wird. Ich glaube nicht, daß sich die erste Box sehr gut verkauft hat.
Nun eine kleine Frage an alle Leser: Gibt es jemanden, der eine guterhaltene Ausgabe meines deutschen Genesis-Buches hat? Ich habe nur eine sehr schlechte!!!
(das „One Love!” habe ich von Bob Marley in Kingston, Jamaika, im Mai 1980 gelernt, als ich die Duke-Tour unterbrach, um mit ihm ein Interview zu führen.
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Thanks a lot, Armando,
for the interview and
of course especially for the
brilliant I Know What I Like!
Autor, Interview + Übersetzung: Helmut Janisch
Fotos: Armando Gallo