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Genesis – Archive 1967-1975 – 4CD-Box Rezension
Drei Jahre lang beschäftigten die Genesis-Fangemeinde Gerüchte um ein Projekt, daß nun nach mehreren verschobenen Veröffentlichungsterminen am 22. Juni ’98 erschien: Genesis Archive 1967-75. Wir wollen nun noch einmal die Vorgeschichte Revue passieren lassen und uns dann mit dem Outfit und der Musik des Genesis-Box-Sets befassen.
Genesis Archive – „history lessons” à la Genesis
Drei Jahre lang beschäftigten die Genesis-Fangemeinde Gerüchte um ein Projekt, daß nun nach mehreren verschobenen Veröffentlichungsterminen am 22. Juni ’98 erschien: Genesis Archive 1967-75. Wir wollen nun noch einmal die Vorgeschichte Revue passieren lassen und uns dann mit dem Outfit und der Musik des Genesis-Box-Sets befassen.
Die unrühmliche Vorgeschichte
Wann genau der Entschluss gefasst wurde, ein Genesis-Box-Set zusammenzustellen, und wer die Idee dazu hatte, ist nicht genau bekannt. Man sagt, der Anstoß dazu kam nicht von Genesis selbst, sondern von der Plattenfirma, die Interesse an einer solchen Veröffentlichung hatten. Die Arbeiten am Set dürften 1992 oder 1993 begonnen haben.
Einige Zeit später, im Frühjahr 1995, kursierten erste Gerüchte unter den Fans, wonach mehrere Boxen mit altem Genesis-Material in Arbeit seien. Was genau sie enthalten sollten, war noch unbekannt.
Im Sommer desselben Jahres wurde es dann konkreter. Obwohl von offizieller Seite kein Wort über das Box-Set verloren wurde, sickerte durch, dass der Titel Genesis Archive sein werde und drei Boxen mit je vier CDs erscheinen sollten, wobei die erste die Jahre 1967 bis 1975 abdecken sollte, die zweite die Ära 1976 bis 1980/81 und die dritte die Zeit von 1980/81 bis heute. Zusammengestellt wurden die Boxen von Glen Colson, Anfang der 70er Jahre Pressechef von Charisma Records. Dieser hatte bereits an der 1993 erschienenen The Famous Charisma Box gearbeitet. Der erste Teil des Box-Sets sollte Weihnachten 1995 erscheinen, und es war bereits bekannt, dass eine der vier CDs frühe Demos enthalten sollte, eine andere B-Seiten und Livematerial und die beiden restlichen ein komplettes Lamb-Konzert.
Im Oktober ’95 konnten wir Interviews zum Box-Set mit Glen Colson und Tony Banks führen, die in Heft #17 abgedruckt wurden. Die erwartete erste Box erschien jedoch nicht im Herbst ’95. Rechtliche Gründe hätten die Veröffentlichung verhindert, die nun „irgendwann 1996” nachgeholt würde. Glen Colson bekam vom Genesis-Management einen „Maulkorb” verpasst und konnte uns in der Folge nicht weiter mit News rund ums Box-Set versorgen.
Die Fangemeinde ging nun davon aus, dass Genesis Archive Volume 1im Herbst 1996 erscheinen würde. Unterdessen kursierten weiterhin Gerüchte über verschollen geglaubte, kürzlich aufgetauchte alte Demos, die auch mit auf die CDs sollten.
Im Juli ’96 stand man dann bei Virgin auch bereits in den Startlöchern für eine Promotionkampagne für das Box-Set, das am 11. November erscheinen sollte. Für den 29. Oktober war die Veröffentlichung einer Vorabsingle geplant, einer Neuaufnahme von Carpet Crawlers. Doch schon einen Monat später wurde die Veröffentlichung erneut abgesagt. Ein aufwendiges Promovideo zu Carpet Crawlers müsse erst fertiggestellt werden, hieß es, und das würde etwa drei Monate dauern. Da aber im Frühjahr 1997 auch das neue Genesis-Studioalbum erscheinen sollte, verschob man das Box-Set auf den Herbst 1997.
Während die Fans glaubten, Genesis Archive nach zwei verschobenen Terminen nun endlich im Herbst ’97 bekommen zu können, verwarf man diese Pläne bei Virgin erneut. Das neue Genesis-Album, Calling All Stations, kam nicht im Frühling ’97, sondern erst im Herbst heraus, was für die Marketing-Strategen bedeutete, dass man eventuell von Archive nicht genügend Exemplare verkaufen konnte. Das Box-Set wurde kurzerhand zum dritten Mal verschoben, diesmal auf Herbst 1998, und die Fans waren nun auch mit dem neuen Genesis-Album und der darauffolgenden Tour beschäftigt.
Während Genesis ihre Tour durch Europa begannen, hieß es, das Box-Set komme nach der Tour heraus. Die Veröffentlichungstermine wanderten wochenweise nach hinten. Zunächst sprach man vom „18. Mai”, dann vom „25. Mai”. Kaum ein Fan glaubte ernsthaft daran, dass das Set auch wirklich noch vor dem Sommer erscheinen würde. Dann wurde aber die Promotionkampagne von Virgin gestartet, die offizielle Internet-Seite kündigte die bevorstehende Veröffentlichung von Genesis Archive an, am 11. Mai trafen sich alle Bandmitglieder der „Gabriel-Jahre” (außer John Mayhew, Chris Stewart und Mick Barnard) zu einer Pressekonferenz in London, und am 22. Juni ’98 stand Genesis Archive 1967-75 tatsächlich in den Plattenläden – wer hätte das gedacht!
THE GRAND PARADE OF PACKAGING
Das Booklet und die Ver-packung
Als das erste Mal von einem Genesis-Box-Set die Rede war, wusste noch niemand, wie es aussehen würde. Unter einer Box stellt man sich in der Regel ja eine Art Kartonschachtel vor. Verschiedene Bands und Künstler haben in der Vergangenheit bereits sehr schöne Sets in dieser Art herausgebracht, wie z. B. Yes und King Crimson. Auch The Famous Charisma Boxist ein gutes Beispiel. Aber anders als z. B. bei der Yesyears-Box von Yes oder der Charisma-Box, die etwa LP-groß sind und ein ebensogroßes Booklet enthalten, wählte man für das Genesis-Box-Set ein Buchformat in ca. doppelter CD-Höhe und -Dicke. Auch in diesem etwas handlicheren Format sind schon zahlreiche Sets verschiedenster Interpreten erschienen. Der (Marketing-)Vorteil gegenüber einer Karton-Box liegt darin, daß es kompakter und somit im Verkauf einfacher zu präsentieren ist.
Aber nun zum Design und Inhalt des Booklets von Archive. Abgesehen vom Format, das wohl schon von Anfang an feststand, sollte der erste Teil des Box-Sets eigentlich ganz anders aussehen. Als im Sommer ’96 die Werbekampagne von Virgin anlief, erhielten wir Farbkopien des kompletten Booklets. In puncto Artikel und Photos zwar fast identisch, sah dieses doch sehr viel anders aus als das nun veröffentlichte Endprodukt. Wer beim it-Meeting 1997 war, konnte sich davon ein Bild machen, denn dort hatten wir die Farbkopien ausgestellt. Diese Ur-Fassung stammte, soweit wir wissen, von Glen Colson. Angeblich gefiel diese etwas einfacher aufgebaute Version mit teils größeren Bildern und wenigen Layout-Gimmicks der Band nicht sonderlich, und so wurde das komplette Layout von Wherefore Art? (siehe Artikel im letzten Heft!) überarbeitet.
Die „Box” kommt im Outfit eines alten abgegriffenen Buches daher (in Anlehnung an die „Colson-Version”, die schwarz, unbebildert und mit goldenem Aufdruck versehen war – das hätte edler gewirkt!). Die CDs sind an den Umschlaginnenseiten à la Digipak angebracht. Das ist bei einigen Exemplaren recht wackelig, so dass es des öfteren vorkommt, daß CDs sich vom Halter lösen und aus der Box fallen. Das Design der CDs ist nicht atemberaubend, wie so viele CD-Label-Drucke heute schlichter und nur ein- oder zweifarbig sind (aus produktionstechnischen Gründen).
Das immerhin stolze 82 Seiten umfassende Booklet ist nicht fest in die Box eingebunden, wie das bei allen uns bekannten Sets dieser Art üblich ist, sondern steckt in einem Kartonschuber in der Mitte der Box – eine gute Idee, die das Blättern erleichtert. So erfreulich dies ist, um so unerfreulicher ist für das Handling, dass fast im ganzen Booklet Texte und Bilder zu nah an der Bindung sind und Abbildungen teils über beide Seiten gehen. Man müßte das Booklet schon sehr weit aufschlagen, um hier bequem lesen zu können oder sich einige Bilder komplett anzusehen. Das sollte man angesichts der nicht sehr vertrauenerweckenden Klebebindung jedoch besser vermeiden. Was das Layout angeht, wirkt vieles übertrieben stilisiert und dadurch oft unübersichtlich. Das Bildmaterial selbst ist natürlich hochinteressant. Neben einigen bereits bekannten Ablichtungen enthält das Booklet auch viele bisher nie gesehene Aufnahmen, offensichtlich aus den privaten Fotoalben der Bandmitglieder oder der Crew. Wann hat man z. B. schon einmal Bilder von Genesis anno ’67-’69 im Studio oder bei Sessions gesehen, oder während der Aufnahmen zu Lamb… im Studio, oder Phil und Richard Macphail beim Pinkeln, oder Richard und Mike nackt einem Badesee entsteigend? Dennoch wirkt auch die Zusammenstellung der Photos oft planlos, ist nicht chronologisch fortlaufend und paßt meist nicht zu den jeweiligen Artikeln – kurz: ist verwirrend. Es fehlen fast gänzlich Fußnoten, die erklären, von wann und wo diese oder jene Aufnahme stammt. Als eingefleischter Fan vermag man sie zwar grob zuzuordnen, aber derjenige, der die Bilder geschossen hat, hätte dies doch genauer tun können, was uns Fans sicher gefreut hätte. Abbildungen von Zeitungsartikeln, Anzeigen für Konzerte, Briefen, Plattenhüllen, Tickets etc. ergänzen die Optik, ja, überladen diese hin und wieder sogar. Man wünscht sich oft weniger, aber besser – sprich größer – abgedruckt. Für Abhilfe bei vielen dieser Kritikpunkte (Aufklappbarkeit des Booklets, zu kleine Bilder etc.) hätte eine LP-große Box mit gleichgroßem Booklet gesorgt – schade eigentlich!
Die Texte im Archive-Booklet stammen von Tony Banks, Jonathan King, Chris Welch, Richard Macphail, David Stopps, Ed Goodgold, Tony Stratton-Smith und Peter Gabriel.
Tony geht in seinem Artikel auf die Musik der vier CDs ein, beschreibt Hintergründe und erklärt dieses und jenes rund um die „early years”. Bis auf einige wenige paradoxe Punkte stellen seine „technical tips” eine gute Ergänzung zur Musik dar.
Jonathan King wärmt in seinem Beitrag die Übergabe des ersten Genesis-Demos an ihn bei einem Charterhouse-„old boys day” wieder auf und stellt fast pausenlos seine Verdienste um die Gründung von Genesis in den Mittelpunkt. Das Ganze wirkt zwar etwas selbstherrlich, aber so ist er nun mal, und Genesis verdanken ihm sicher auch einiges – zumindest den Namen.
Mit Chris Welch rollt einer der bekanntesten englischen Musikkritiker auf elf Seiten die Historie von Genesis auf. Detailliert beschreibt er den Werdegang von den Charterhouse-Schülerbands Anon und The Garden Wall bis hin zur Lamb-Tour. Wer das alles noch nicht wußte, kann sich hier über die frühe Bandgeschichte schlau machen. Da ist es auch nicht schlimm, daß Welch zum Ende über die Gabriel-Ära hinwegschießt und eine halbe Seite über die Jahre 1976-92 dranhängt.
Ein für Genesis in den Anfangsjahren wichtiger Mann kommt mit Richard Macphail zu Wort. Er berichtet über die Entstehung von Anon und die Veränderungen, die Genesis durchlief, während er die Gruppe bis 1976 als Freund und Roadmanager begleitete. Das ist für den langjährigen it-Leser zwar nichts neues, denn Richard hat in etlichen Ausgaben des it-Magazins schon vor einiger Zeit noch detailierter über all dies gesprochen. Aber nicht jeder Genesis-Fan ist auch Mitglied bei uns.
70er-Jahre-Konzertveranstalter David Stopps berichtet aus seiner Sicht über die Gabriel-Ära, verbunden mit einer Biographie über das Friars in Aylesbury, aber insbesondere über die verschiedenen Genesis-Gigs dort Anfang der 70er Jahre und 1980. Besonders die Erzählungen über die Kuriositäten und Besonderheiten der Konzerte machen diesen Artikel interessant.
Ed Goodgold, Tony Stratton-Smiths „Abgesandter” (Repräsentant von Charisma Records) in den USA Anfang der 70er Jahre, erzählt, wie er von Genesis erfuhr und wie die ersten Konzerte der Band in den Staaten abliefen.
Tony Stratton-Smith selbst konnte ja leider keinen aktuellen Beitrag für das Box-Set verfassen, da der Charisma-Chef schon 1987 verstarb. Sein Statement stammt daher vom „Reunion”-Konzert in Milton Keynes am 2. Oktober 1982. Es ist allgemeiner gehalten, geht weniger auf einzelne Stationen der „early days” ein. Das Box-Set und das Schwelgen in Erinnerungen hätte „Strat” vielleicht Spaß gemacht, wenn er es noch erlebt hätte.
Abschließend enthält das Booklet noch den Text von Peter Gabriels offizieller Pressemitteilung von 1975, in der er seinen Ausstieg aus der Band erklärte. Auch das ist etwas, was dem langjährigen Fan natürlich bekannt ist und auf das man getrost z. B. zugunsten einiger zusätzlicher Abbildungen hätte verzichten können.
Es folgen eine sehr knappe Diskographie der Jahre 1968-75, leider nur mit den englischen Veröffentlichungen, sowie die Auflistung aller Titel der vier CDs mit den dazugehörigen Credits. Auch hier fallen, wie hin und wieder anderorts im Booklet, ein paar kleine Fehler auf. Wieso wurden unter der Rubrik „Genesis band members past and present” nicht auch Mick Barnard und Ray Wilson gelistet? Ist niemandem beim Korrekturlesen aufgefallen, daß es richtigerweise Armando und nicht Amando Gallo heißt? Wann wird man endlich dahinter kommen, daß Richard sich Macphail schreibt und nicht McPhail? Und seit wann schreibt man Supper’s Ready ohne Apostroph? Nun ja, das ist alles kein Beinbruch, belegt aber, daß man selbst nach drei Jahren Entwicklungszeit nicht in der Lage war, ein perfektes Produkt abzuliefern. Das gilt für die „Fehlerchen” wie auch für die gesamte Optik und das Layout. Es fehlt ein durchschaubares Konzept, nach dem das Booklet aufgebaut ist. An sich sind auch manche der Texte überflüssig, deren Platz man hätte besser ausfüllen können, z. B. mit detaillierten Tourdaten, einer kurzen Band-Biographie in Stichpunkten oder einer ausgiebigeren Diskographie.
MUSIC, ALL I HEAR IS MUSIC
Der Inhalt der CDs unter der Lupe
Natürlich haben wir alle sehnsüchtig auf die erste Archive-Box gewartet, und man kann wohl ohne zu zögern behaupten, daß sich auch das Warten auf die Musik, die sich auf den 4 CDs befindet, gelohnt hat. Hoch anzurechnen ist zunächst die Tatsache, daß Genesis sich dazu entschlossen hat, sehr rares Material und Unmengen an bisher unveröffentlichten Songs auf den vier Silberlingen zu verewigen. Es gibt genügend Box-Sets anderer Bands auf dem Markt, die fast ausschließlich bereits veröffentlichtes Material enthalten. In solchen Fällen fühlt sich der Fan „verschaukelt“ und wird den Eindruck nicht los, es handele sich um bloße Geschäftemacherei. Offen gesagt, bekommt man dieses Gefühl bei Archive zu keinem Moment. Das Streben der Band, bei dieser Box in erster Linie an die Fans und nicht an den kommerziellen Erfolg zu denken, stellt in der heutigen Zeit ganz gewiß etwas Besonderes dar.
Der chronologische Aufbau ist etwas merkwürdig. Entgegen der üblichen Methode, in der entferntesten Vergangenheit anzufangen und sich dann langsam in Richtung Gegenwart zu bewegen, wird bei Archive ein entgegengesetztes Prinzip angewandt. Da aber auch das Booklet alles andere als chronologisch aufgebaut ist, soll uns dies nicht weiter stören. Wahrscheinlich gehört dies zum Konzept von Archive.
CD 1 und 2 enthalten ein komplettes Konzert, welches am 24. Januar 1975 während der The Lamb Lies Down On Broadway-Tour im Shrine Auditorium in Los Angeles aufgenommen worden ist. Vor über 23 Jahren wurde in einigen Ländern die Single The Carpet Crawlers veröffentlicht. Auf den meisten B-Seiten dieser Single befand sich eine Live-Version von The Waiting Room, die damals den Untertitel Evil Jam erhielt. Interessanterweise wurde diese Live-Version ebenfalls am 24.01.’75 im Shrine Auditorium in L. A. aufgenommen. Diese Tatsache ist ein Indiz dafür, dass es wohl wirklich nur sehr wenige gute Aufnahmen von dieser Tournee gibt. Die Bandmitglieder von Genesis beteuern ja immer wieder, dass The Lambnur ein einziges Mal, nämlich am besagten 24.01.’75, professionell aufgenommen worden ist.
Wenn man sich ein komplettes The Lamb Lies Down On Broadway-Konzert anhören möchte, muss man sich gezwungenermaßen Zeit nehmen, um jede Feinheit dieses Spektakels genießen zu können. Die Veröffentlichung von Archive hat bei vielen Fans bestimmt dafür gesorgt, dass man sich mal wieder die Texte zur Hand nimmt und es sich in einem Sessel gemütlich macht, um dann The Lamb genießen zu können. Zuvor muß man sich aber eine Tatsache ins Gedächtnis rufen: Wie seit Jahren bekannt ist, hat Peter den kompletten Text von The Lamb noch einmal in seinem Studio in Box gesungen, um Teile davon für die Archive-Box zu verwenden. Er war bei einigen Songs unzufrieden mit der Qualität der damaligen Aufnahme. Peter hatte beispielsweise große Probleme in der Verkleidung des „Slipperman“, das Mikrofon nahe genug an seinen Mund zu bekommen. Hört man sich eine Original-Aufnahme vom 24.01.’75 an und führt sich jenes unförmige Kostüm vor Augen, kann man dies sehr gut nachvollziehen.
Wie auch immer, kaum ist CD Nummer 1 im Spieler eingelegt und die „Play“-Taste gedrückt, kann die Show beginnen. Es ertönt Applaus aus den Boxen, und Peter Gabriel begrüßt anschließend das Publikum. Es folgen ein paar kurze Worte, die der Einleitung zur Geschichte von Rael dienen. Danach fängt die Musik an, und sobald Peter anfängt, traut man kaum seinen Ohren. Selbst Neulingen unter den Genesis-Fans dürfte beim Opener des Konzertes sofort der neu aufgenommene Gesang auffallen. Dieser Eindruck ist allerdings keine Ausnahme, sondern wiederholt sich an vielen Stellen der beiden CDs. Es wurde zirka die Hälfte des neu aufgenommen Gesangs von Peter auf Archive verwendet. Man kann natürlich geteilter Meinung sein, ob es in Ordnung ist, große Teile eines Konzertes einfach mit einer 20 Jahre jüngeren Aufnahme auszutauschen oder nicht. Peters Stimme ist in den vielen Jahren dunkler und an vielen Stellen auch ausdrucksstärker geworden. Zudem betonte Peter viele Textpassagen 1995 ganz anders als damals (dies wird bei Vergleichen deutlich). Eines steht fest: Ein wirkliches Zeitzeugnis anno 1975 stellt diese Aufnahme nicht dar, und es dauerte daher bei uns auch eine Weile, bis wir uns an diese stimmliche Überraschung gewöhnt hatten. Es wäre aber trotzdem falsch, die ersten beiden Silberlinge von Archive aus vorgenannten Gründen für immer aus dem CD-Spieler zu verbannen. Das auf Archive verewigte Lamb-Konzert hat nämlich noch mehr zu bieten. Vor allem ist da die atemberaubende Qualität zu nennen! Der Klang der Instrumente ist perfekt und eröffnet dem Fan Hörgenuss auf höchster Ebene. Durch den kristallklaren Sound werden fantastische spieltechnische Feinheiten der Musiker deutlich, die zuvor nirgends bei einer Live-Aufnahme von der Lamb-Tour (auch nicht auf dem besten Bootleg) wahrzunehmen waren. Man höre sich nur einmal Fly On A Windshield, Hairless Heart, The Carpet Crawlers, Anyway, The Chamber Of 32 Doors, The Colony Of Slippermen, The Lamia oder In The Rapids an – um nur einige Stücke zu nennen. Es muss natürlich erwähnt werden, dass nicht nur Peter die Aufnahme auf Archive durch seinen neuen Gesang nachbearbeitet hat, sondern auch die anderen Bandmitglieder kleinere und größere Teile ausgetauscht beziehungsweise ergänzt haben. Diese Überarbeitung (Beispiel: Steve Hackett bei Hairless Heart) ist allerdings nicht sehr auffällig und teilweise schwer zu erkennen. Die Live-Atmosphäre blieb bei der Aufnahme glücklicherweise erhalten. So erlebt man mit, wie das Pubklikum beim instrumentalen Intro von The Colony Of Slippermen die „Geburt des Slipperman“ begeistert aufnimmt. Solche Reaktionen mögen zwar Kleinigkeiten sein, runden aber ein Live-Erlebnis dieser Art erst richtig ab. Etwas ganz Besonderes stellt der Abschluss-Song des Konzertes dar. Durch Unaufmerksamkeit eines Tontechnikers wurde it nicht mit aufgenommen. Um trotzdem den Eindruck einer kompletten Show zu erwecken, wurde, so Tony, „eine neue Version der Album-Aufnahme dieses Stückes“ geschaffen. Was dem Zuhörer von itauf Archive allerdings entgeht, ist sozusagen die Geburt des Medleys It/Watcher Of The Skies, welches ein Jahr später auf der A Trick Of The Tail-Tour als Zugabe gespielt wurde. In die Endsequenz von it wurden dabei von Tony die Anfangs-Akkorde von Watcher Of The Skies eingeflochten. Durch die Tatsache, dass Peter auch bei diesem Song neu aufgenommenen Gesang beisteuerte, fällt aber gar nicht so sehr auf, dass it halt nicht vom Live-Konzert am 24.01.’75 stammt.
CD Nummer 3 beinhaltet Lieder, die zwischen 1971 und 1973 aufgenommen worden sind. Über die Hälfte der CD ist wiederum mit Live-Material vollgepackt. Es handelt sich dabei um 5 Stücke, die während der Selling England By The Pound-Tour für die Ewigkeit konserviert worden sind. Leider sind weder im Booklet noch auf dem großformatigen Inhaltsangaben-Aufkleber, der auf der Verpackung jeder Genesis Archive-Box angebracht sein sollte, genaue Angaben zum Konzert gegeben. Dies können wir aber nachholen: Die Songs sind am 20. Oktober 1973 im Rainbow Theatre in London aufgenommen worden. Track 1, Dancing With The Moonlit Knight, ist ein fantastischer Opener für die CD. Die Ton-Qualität ist auch hier absolut „irre“ und an Brillanz kaum zu übertreffen. Auch hier ist es ein tolles Erlebnis, die musikalischen Feinheiten und das spielerische Können von Phil Collins, Steve Hackett, Tony Banks, Peter Gabriel und Mike Rutherford bis ins kleinste Detail genießen zu können. Gleiches gilt auch für die nächsten Stücke. Ebenfalls vom 20.10.73 stammen Track 2 bis 5, die da wären: Firth Of Fifth (bei dem die Band toll miteinander harmoniert), More Fool Me (gesungen von Phil), Supper’s Ready (der Kult-Song überhaupt) und I Know What I Like (der Versuch einer Hit-Single, na ja!). Älteren Berichten, aber auch aktuellen Interviews kann man eine ganz persönliche Aussage entnehmen: Das Doppel-Album The Lamb Lies Down On Broadway und der Song Supper’s Ready haben für Peter Gabriel eine ganz besondere Bedeutung. Vielleicht aus diesem Grund hat sich Peter im Zusammenhang mit den Arbeiten zur Archive-Box etwas intensiver um diese beiden „Steckenpferde“ gekümmert. Er hat, wie bereits erwähnt, Lamb noch einmal gesungen, und auch die auf Archive befindliche Version von Supper’s Ready enthält Passagen, die Peter 1995 erneut gesungen hat. Bekannt ist allerdings nur, dass große Teile von Lovers‘ Leap, The Guaranteed Eternal Sanctuary Man und Ikhnaton And Itsacon And Their Band Of Merry Menneue Vocals erhielten. Ob darüber hinaus Original-Gesang durch Neuaufnahmen ersetzt worden ist, wissen wir nicht. Ebenfalls überarbeitet wurde Apocalypse In 9/8(Co-Starring The Delicious Talents Of Gabble Ratchet). Hier wurde der Gesang der ersten Strophe mit einem dezenten Echo unterlegt. Eventuell geschah dies, um diesem Teil noch mehr Dramatik zu verleihen. Warum bei Supper’s Ready allerdings die Apocalypse und der Gesang überarbeitet wurden, ist unklar. Das Original (von dem es ja einige gute Aufnahmen gibt) ist wirklich alles andere als schlecht. Aber Peter und vielleicht auch die anderen Musiker von Genesis haben da offensichtlich andere Ansichten. Am nächsten Stück der dritten CD, Stagnation, wurde, soweit man dies zu erkennen vermag, nichts verändert. Genesis hat Stagnation zwei Mal bei der BBC in England aufgenommen. Das erste Mal am 22. Februar 1970. Die zweite Darbietung, und genau diese ist auf Archive zu hören, fand am 10. Mai 1971 statt und wurde erstmalig am 31. Mai 1971 im Rahmen von „Sound Of The Seventies“ gesendet. Beide BBC-Aufnahmen von Stagnation waren bereits zuvor auf Bootlegs zu hören. Die BBC-Version unterscheidet sich bis auf die Tatsache, daß sie in einer anderen Besetzung aufgenommen worden ist, kaum von der Aufnahme, die sich auf Trespass befindet. Bei diesem Stück ist deutlich zu hören, wie sich Steve und Phil, die zum Zeitpunkt dieser Session erst wenige Monate der Band angehörten, bereits sehr schön in das musikalische Gefüge von Genesis einzubringen vermochten.
Twilight Alehouse wurde 1973 auf einer Flexi-Disc herausgegeben und 1974 als B-Seite der Single I Know What I Like veröffentlicht. Dieser „Non-Album-Track“ hat es wirklich verdient, im Rahmen der Archive-Box sozusagen noch einmal das Licht der Welt zu erblicken. Über einen großen Zeitraum war Twilight Alehouseein Stück, welches sehr gerne von Genesis live gespielt wurde. Wieviel Kraft dieses Stück live entwickelte, wird deutlich, wenn man sich einmal ältere Konzertaufnahmen anhört. Leider geht bei der „Single-Version“ ein wenig diese Power verloren. Danach folgt ein weiterer „Non-Album-Track“. Happy The Man gehört zu den sehr wenigen Stücken in der Geschichte von Genesis, die nicht auf einem Album zu finden sind, es aber trotzdem auf die A-Seite einer Single geschafft haben. Die Single ist ein sehr gesuchtes Sammlerstück, und daher hat Happy The Man wohl zu Recht den Weg auf Archive gefunden. Auch Happy The Man war, wie Twilight Alehouse, zur Anfangszeit der Band ein fester Bestandteil des Live-Sets und war vermutlich eine gute Wahl für eine Single-Veröffentlichung, da dieses Stück zu damaliger Zeit doch zu den Songs von Genesis gehörte, die man schon eher als „easy listening music“ bezeichnen konnte. Der letzte Track auf der dritten CD, Watcher Of The Skies, trägt den Zusatz „unreleased single version 1972“. Irgendwie ist das allerdings recht irreführend, da die auf Archive zu hörende Fassung alles andere als unveröffentlicht ist. Sowohl auf einigen. -Singles jener Zeit, die außerhalb Englands erschienen sind, als auch auf dem offiziellen Sampler Rock Theatre (Virgin, 610468-225) wurde nämlich genau dieser Remix bereits Mitte der achtziger Jahre (auch als CD) auf den Markt gebracht. Trotz alledem ist es bemerkenswert, wie Genesis es fertigbrachten, diesen gigantischen Opener des Foxtrot-Albums auf eine 3 3/4-Minuten-Version „zusammenschrumpfen“ zu lassen. Dazu kommt, daß dabei eine Fassung herauskam, die völlig neue Elemente enthält und beispielsweise ein total anderes Ende als die Album-Version hat. Das Ganze ist in jedem Fall hörenswert!
Die vierte CD von Genesis Archive 1967-75 führt uns in die ganz frühen Tage dieser Band. Der Titel Archive trifft auf diesen „letzten“ Silberling wohl am ehesten zu. Es wurden im wahrsten Sinne des Wortes die Archive der Künstler durchsucht, und man entdeckte dabei auch einige Schätze. Das erste Stück der CD ist In The Wilderness. Wir kennen diesen Song zwar schon vom Debut-Album der Band, From Genesis To Revelation, werden hier aber Zeuge des sogenannten „rough mix without strings 1968“. Diese Fassung ist sozusagen „befreit“ von den Streicher-Sounds, die unter der Leitung von Produzent Jonathan King über viele Passagen und Lieder von From Genesis To Revelation gelegt worden sind und zu einer regelrechten „Verkleisterung“ der aufgenommenen Songs geführt haben. Im Nachhinein gibt es außer Jonathan King wahrscheinlich niemanden, der diese Bearbeitung wirklich gut findet. Es folgen mit Shepherd, Pacidy und Let Us Now Make Love drei sehr interessante Stücke , die nie zuvor offiziell erschienen sind. Aufgenommen wurden sie am 22.2.’70 für die BBC, und zwar für die Serie „Nightride“, die das erste Mal am 1.4.1970 ausgestrahlt wurde. Die Angabe im Archive-Buch, die Sendung sei das erste Mal am 31.5.’71 über den Sender gegangen, stimmt nicht. Die Songs an sich stammen aus der Zeit zwischen der Veröffentlichung des ersten Albums und dem Erscheinen von Trespass. Deutlich ist bei diesen drei Tracks zu hören, wie sich die Band zu dieser Zeit entwickelte. Dokumentiert wird der Werdegang weg von der Einschränkung durch Jonathan King hin zu dem dem, was Genesis bald ausmachen sollte. Shepherd ist besonders erwähnenswert, da Tony einige Passagen des Textes singt! Dies ist in der Geschichte von Genesis seitdem nicht noch einmal vorgekommen. Die ganzen Jahre danach ist Tony (zumindestens in der Gruppe) nur noch bei Hintergrundgesängen zu hören. Genau so bemerkenswert ist allerdings die Tatsache, dass bei Let Us Now Make Love neben Peter Gabriel auch Anthony Phillips als Sänger zu hören ist. Dies ist seitdem auch kein zweites Mal vorgekommen. Ein tief verborgener Schatz ist mit dem nächsten Stück, Going Out To Get You, geborgen worden. Zu hören ist eine Demo-Version, die am 20.08.’69 in den Regent Sound Studios in London aufgenommen worden ist. Laut Tony Banks hat dieser Song über einige Jahre hinweg große Veränderungen erfahren und war sogar für eine eventuelle Single-Veröffentlichung gedacht. Immerhin wurde Going Out To Get You noch 1972 live gespielt (auf Bootlegs zu hören). Dusk, das nächste Stück auf der CD, wurde allen bekannten Angaben zu folge nie live gespielt. Das Demo, welches auf Archive zu hören ist und das für das zweite Studio-Album der Gruppe vorgesehen war, stammt vom gleichen Band wie Going Out To Get You (also aufgenommen am 20.08.1969). Korrekterweise müßte der Titel allerdings Family lauten, da dieser Track erst später den Namen Dusk trug. Es sind musikalisch einige Unterschiede zur letztendlichen Album-Version festzustellen. So fügt sich beispielsweise im Gegensatz zu der Variante auf Trespass nach dem letzten Gesangs-Part noch eine längere Instrumentalpassage an. Interessanterweise ist der Text völlig identisch mit der letztendlich auf Vinyl gepreßten Fassung. Es folgt Build Me A Mountain, ein Track, der zu den schnelleren Liedern der geschichtlichen Frühphase von Genesis gehört. Dieser „rough mix“ von 1968 zeigt, zu welchen tollen Stücken sie damals schon in der Lage waren. Build Me A Mountain hebt sich zudem durch den Einsatz einer elektrischen Gitarre von vielen Genesis-Kompositionen jener Zeit ab. Track Nummer 8 ist Image Blown Out, das man wohl als „nett“ umschreiben kann. Auf Archive können wir die 68’er-Version dieses Stückes hören. Image Blown Out wurde aber auch schon 1967 als Demo aufgenommen und ist 1996 auf einer der vielen Wiederveröffentlichungen des Debut-Albums erschienen (Disky, DC 863092 – ein Grund übrigens, diese CD unbedingt zu kaufen). Wahrscheinlich wäre Image Blown Out nicht besonders aufgefallen, wäre es bereits 1969 auf From Genesis To Revelation veröffentlicht worden. Womit wir auch gleich bei einer Reihe von Liedern wären, die auf besagtem Album zu finden sind, wenngleich sie dort etwas anders klingen. Es sind One Day („demo“ oder „rough mix“ wieder einmal zum Aussuchen), Where The Sour Turns To Sweet und In The Beginning von 1968. Spektakuläres gibt es darüber nicht zu berichten. One Day und Where The Sour Turns To Sweet enthalten keine Streicher-Sounds (übrigens von Arthur Greenslade und Lou Warburton arrangiert). Ansonsten ist noch auffallend, daß die Texte nahezu identisch mit den späteren Lyrics der Songs auf dem Album sind. Bemerkenswert ist auch, wie ausdrucksstark Peter Gabriels Stimme zu jener Zeit schon war. Er war damals gerade mal 18 Jahre alt! Zu hören sind danach gänzlich unbekannte Stücke, von denen man allenfalls schon einmal in Büchern gelesen hat. Es handelt sich dabei um The Magic Of Time, Hey!, Hidden In The World Of Dawn, Sea Bee, The Mystery Of The Flannan Isle Lighthouse, Hair On The Arms And Legs (alles Demos aus dem Jahre 1968). Erwähnenswert ist The Magic Of Time, ein Stück mit einen „jazzy touch“, bei dem John Silver Besen auf einer Keks-Dose spielt. Schaut man sich die Masse der Songs jener Zeit an, hätte aus From Genesis To Revelation wirklich ein Doppel-Album werden können, zumal alle vorgenannten Stücke irgendwie zu der Stimmung des Erstlingswerks der Band passen. Von Genesis‘ ersten beiden Demo-Bändern aus dem Jahre 1967 stammen die letzten drei Stücke der vierten CD. Diese zwei Demo-Tapes stellen pure Historie dar, und man kann wirklich dankbar sein, daß durch die Veröffentlichung der Archive-Box solche Zeitdokumente in die Hände der Fans gelangt sind. Zu hören ist zunächst She Is Beautiful, welches tatsächlich auch den Weg aufs Debut-Album von Genesis schaffte. Allerdings bekam es vorher einen anderen Titel, nämlich The Serpent, und wurde zudem mit einem total anderen Text versehen. Danach folgt ein gänzlich unbekanntes Stück. Try A Little Sadness haut uns zwar nicht vom Hocker, strahlt aber trotzdem eine nette Atmosphäre aus. Patricia bildet den Abschluß der vierten CD. Geschrieben wurde dieser Track von Anthony Phillips, als dieser 13 Jahre alt war! Auf From Genesis To Revelation ist Patricia als In Hiding verewigt worden. Die Demo-Band-Version von 1967 hat keinen Gesang und wirkt somit ganz anders als die mit Text und Streicher-Sounds versehene Fassung von 1969. Es fällt weiterhin auf, daß die Qualität von Patricia etwas schlechter ist als die Güte von She Is Beautiful und Try A Little Sadness. Zum Glück hat sich Genesis aber doch entschieden, das Stück 31 Jahre (!) später zu veröffentlichen.
Abschließend bleiben viele positive Eindrücke über die Musik auf den vier CDs aus den Archiven von Genesis zurück. Das es das erste Mal in der Geschichte der Band ist, dass eine derartige Box veröffentlicht wurde, fällt es natürlich auch nicht schwer, Genesis Archive 1967-75 als sehr gelungen zu bezeichnen. Der Anteil der Live-Aufnahmen ist groß, und diese Entscheidung kann man durchaus begrüßen. Genesis haben bei ihren Konzerten halt immer unter Beweis gestellt, was für eine phantastische Band sie sind. Als Fan kann man wie immer nie genug bekommen, und daher wünscht man sich natürlich mehr von diesem frühen Material. Über eine weitere CD (oder zwei oder drei) mit Live-Aufnahmen von 1972 und 1971 sowie den tollen Sessions bei der BBC würde sich bestimmt so mancher Freak sehr freuen. Da Genesis mit Archive aber offensichtlich genug Vergangenheits-Beschäftigung abgeliefert haben (diesen Eindruck bekommt man irgendwie), ist sehr fraglich, ob wir wirklich noch einmal in den Genuss einer Veröffentlichung älteren Materials aus dieser Zeit kommen.
HAPPY THE MAN?
Das Resümee
Trotz all der Kritikpunkte sollten wir jedoch zufrieden sein, daß Genesis das Box-Set überhaupt auf die Beine gestellt haben. Dennoch, bei all der Freude über die raren Fotos und die interessanten Tondokumente bleibt das Gefühl nicht aus, daß man alles noch besser hätte machen können, und damit schließt sich Genesis Archive 1967-75 nahtlos an die letzten Genesis-Veröffentlichungen an. Die Definitive Edition Remaster-CDs waren keineswegs perfekt, und das letzte Genesis-Album blieb teilweise hinter den – auch von Genesis geschürten – hohen Erwartungen zurück. Sind unsere Ansprüche zu hoch, oder fehlt irgendwem bei Genesis oder im Genesis-Umfeld tatsächlich der Drang zum Perfektionismus auf allen Ebenen? Wer weiß …
Autoren: Helmut Janisch + Bernd Zindler
Fotos: Hit + Run Music
OPEN YOUR EYES, IT’S FULL OF SURPRISE …
Archive-Bildergalerie
Wie zu Anfang des Artikels erwähnt, sind einige der Bilder im Booklet von Archive leider nicht gut erkennbar, weil sie zu nahe an der Bindung oder über zwei Seiten plaziert wurden. Manche wurden auch zu klein abgedruckt. Wir hatten nun das große Glück, ein paar Highlights des Archive-Photo-Fundus (teils Bilder aus dem Besitz von Richard Macphail) zu bekommen. Wir präsentieren sie euch hier: