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Genesis – …And Then There Were Three… – CD Rezension

…da waren’s nur noch drei. Nach Steve Hacketts Ausstieg schrumpfte die Band auf ihren Kern zusammen, der in den Folgejahren große Erfolge feiern sollte. Aber es war auch eine deutliche musikalische Metamorphose.

… da waren’s nur noch drei … ursprünglich waren es zwar keine Zehn, aber der Weggang von Ausnahmegitarrist Steve Hackett war nach Peter Gabriel und einige Jahre zuvor Mitbegründer Anthony Phillips der nächste herbe Verlust, den Genesis zu verkraften hatten. Und auch dieses Mal wurde wie bei Gabriels Weggang der Posten nicht durch einen Neuen wiederbesetzt. Man bediente sich erneut im eigenen Lager. Der hauptamtliche Bassist Mike Rutherford übernahm den Part des Leadgitarristen. Zuvor spielte Mike auch schon Gitarre (und das nicht schlecht), aber die Leadgitarre war bis dato das Privileg des Herrn Hackett. Irgendwie konnte sich wohl niemand vorstellen, wie Mike Rutherford seinen Ex-Kollegen nur im Entferntesten ersetzen sollte.

Das hat er auch nicht. Er hat im Laufe der Jahre als Gitarrist seinen eigenen Stil entwickelt. Doch auf dem Album …and then there were three… zeigt Rutherford ungeahnte Talente.
Manchmal neigt man dazu, zu glauben, auf diesem Album habe ein anderer als Mike Rutherford die Elektrosaiten zum Klingen gebracht. Vielleicht hat er sich auf diesem Album extra angestrengt, da das Erbe von Steve Hackett doch sehr groß war. Es sind jedenfalls Gitarrenklänge zu hören, die man im späterern Verlauf der Genesis-Geschichte wohl kaum wiederfindet. Klar ist, Rutherford ist nicht gleich Hackett, und das hat sich nicht nur in spielerischer Hinsicht gezeigt. Auch kompositorisch hatte die Band einen Kopf weniger in ihren Reihen. Das bedeutete zum einen weniger Komplexität in den Stücken, aber auch ein neuer Zusammenhalt und eine neue Geradlinigkeit und Kompaktheit, die den Weg zum späteren Weltruhm ebneten. Dies alles geschah, bevor der Einfluss von Phil Collins in der Band wuchs und das Trio ein gleichwertig besetztes Team aus Musikern und Songwritern wurde.

Zu den einzelnen Stücken:

Down And Out

Der Knaller zu Beginn: Ein typischer Opener, der die Wucht und Aggresivität aus vergangen Tagen wiederbelebt. Das Keyboard-Intro ist einfach grandios, der Rhythmus ist komplex und dennoch treibend. Erinnert von seiner Wirkung her irgendwie an Watcher Of The Skies, wobei das natürlich zwei völlig verschiedene Nummern sind. Einzig und allein der Gesang geht ein bisschen im Soundgefüge unter. Das Keyboardsolo macht dieses kleine Manko aber um ein vielfaches wieder wett. Ähnlich wie bei Robbery, Assault And Battery vom Album A Trick Of The Tail versteht manch einer nicht, wie man auf solch einen Rhythmus ein derartig gutes Solo spielen kann.

Undertow

Der krasse Stimmungsgegensatz zum vorherigen Titel – war der erste Track noch voller geballter Power, so sind hier die zarten Töne angesagt. Tony Banks mit seinen schönen YAMAHA-CP-70-Klängen legt den Grundstock, und Phil Collins zeigt, dass er zu recht einer der besten Sänger der 70er und 80er war. Die ruhigen Passagen der Strophen und der bombastische Refrain sind einfach genial.

Erwähnenswert ist zudem der Schlagzeugsound und die Art wie Collins seine Stöcke schwingt. In Ansätzen schon im Vorgängeralbum Wind & Wuthering zu hören, so kommen hier der wiedererkennbare Collins-Drums zum Einsatz.

Ballad of Big

Zusammen mit Follow You Follow Me kann man diesen Song als einen der schwächeren Songs der Platte einordnen, denn Strophe und Refrain passen nicht so recht zusammen. Aber gerade hier ist der Wandel der Band zu spüren. Ist der Vers noch komplexerer Natur, so klingt der Chorus doch schon mehr nach Pop.

Snowbound

Ein interessantes Stück aus der Feder von Mike Rutherford, der hier seine Songwriter-Qualitäten mächtig unter Beweis stellt. Ein bisschen in der Art wie das von Banks geschriebene Undertow, so bekommt der Hörer zuerst eine lieblich zurückhaltende Melodie von Collins vorgesetzt. Danach geht es über in einen Refrain, bei dem einem regelrecht das Herz aufgeht. Bereits die Überleitung in diesen zeigt die verbesserten gesanglichen Qualitäten von Phil Collins. Untermalt wird die Stimme von warmen Keyboardklängen im Stil von Hearless Heart vom Album The Lamb Lies Down On Broadway und einem wunderbaren cleanen E-Gitarrenpickung. Im Remaster von 2006 wurde der Schlagzeugsound verbessert, wodurch der Chorus nun noch besser zur Geltung kommt.

Burning Rope

Burning Rope ist mit etwas über sieben Minuten so etwas wie der Longtrack des Albums, bleiben doch außer The Lady Lies und Down And Out alle anderen Songs unter der fünf-Minuten-Marke. Phil Collins scheint sich hier, speziell zu Beginn des Stückes, den Frust aus der Seele zu spielen. Der Song ist ein Indiz dafür, dass mit And Then There Were Three das Schlagzeug etwas mehr in den Vordergrund rückt.

Hier zeigt sich wieder einmal, auf welch grandiose Art und Weise Genesis es verstehen, einem Stück Dynamik zu verleihen und dabei mit ganz verschiedenen Stimmungen zu spielen, ohne dabei den roten Faden zu verlieren. Der Beginn hat schon etwas Hektisches, doch dann kommt der Refrain leichter und melancholischer daher. Der Strophenteil wirkt noch etwas fröhlicher, bis es beim Übergang zum Refrain wieder dramatischer wird.

Hervorzuheben ist in diesem Stück das Gitarrensolo von Mike Rutherford. So druckvoll, voluminös und intensiv gibt es vielleicht kein zweites von ihm, alleine deshalb ist dieses Stück schon etwas Außergewöhnliches.

Deep In The Motherlode

Das vom Keyboard getragene Eingangsthema zieht sich durch den gesamten Song und wechselt sich mit einem stampfenden Strophen-Rhythmus ab, der ein wenig an Back in N.Y.C. oder In The Cage erinnert. Der ausgefallene sanftere Mittelteil ist jedoch das gefühlvolle Herzstück des Songs, der mit einem gnadenlos pompösen Übergang in das Anfangsthema endet. Der Fade-Out des Stücks ist typisch für die zweite Hälfte dieses Albums. Es hat fast Session-Charakter, was die drei Herren da noch aus ihren Instrumenten kitzeln.

Many Too Many

Melancholie pur, was Genesis hier verbreiten. Die flehende Stimme von Collins, die traurig klingenden Klavierakkorde und Harmoniewechsel von Banks und das schöne Gitarrensolo gegen Ende bilden zusammen vielleicht eine der schönsten Balladen, die Genesis je aufgenommen haben. Auf dieser Platte brachten jedoch die „Mutter“-Rufe noch nicht den großen Erfolg. 1983 gelang dies wesentlich besser.

Scenes From A Night’s Dream

Und wieder ein Keyboard-lastiges Intro in einen Uptempo-Song, der wenig Überraschendes zu bieten hat. Erwähnswert sind jedoch die groovigen kleinen Breaks nach dem Refrain und der rhythmisch interessante Fade-Out. Bei diesem Stück kann man ganz besonders gut die schönen Background-Chöre hören, die Collins in den folgenden Jahren noch sehr häufig und erfolgreich eingesetzt hat.

Say It’s Alright Joe

Dynamik ist alles! Dieser Song hat einen Spannungsbogen wie kein anderer auf diesem Album. Der krasse Wechsel zwischen Ruhe und Sturm macht das Stück so besonders. Mike Rutherford hat damals definitiv interessante(re) Songs geschrieben. Herrlich!

Auch hier ein geniales improvisiertes Ausklingen der Instrumente. Einfach fantastisch. Da gibt es nur eins zu sagen: „Shine on!“.

The Lady Lies

Der zweitlängste Track des Albums mit etwas mehr als sechs Minuten ist anfangs etwas schwer zu verdauen, erinnert von seiner Art her aber ein wenig an Robbery, Assault and Battery. Auch das Keyboard-Solo, das mit einem treibenden pumpenden Beat unterlegt ist, macht den Song doch zu einem kleinen Schmuckstück. Hört man sich die Basslinien mal genauer an, so wird aus dem Schmuckstück gar ein Juwel. Einfach mal den Bass gedanklich in den Vordergrund rücken: ziemlich virtuos, was Mike Rutherford hier spielt.

Follow You Follow Me

Der erste Welthit (in Deutschland Platz 8), der Genesis endlich auch den Frauen näher brachte. Dieser Song ist wohl eine der Ursache dafür, dass 2007 die Stadien gefüllt waren, und zwar nicht nur mit Männern, sondern mit Schwestern, Töchtern, Müttern, Ehefrauen, Freundinnen etc. Der Erfolg dieser Single brachte Genesis auf die Erfolgsspur, die für sie letztendlich Weltruhm bedeutete.

Seltsamerweise ist in diesem Lied ein für Hit-Singles verhältnismäßig langes Keyboardsolo enthalten. Heutzutage würde solch ein „schlimmer Fehler“ sicher mit einer Kürzung bestraft werden!

Als Fazit ist zu sagen, dass …and then there were three… eine interessante Mischung aus anspruchsvollem Rock und Pop ist. Das Album ist weder zu seicht oder einfach, noch zu komplex. Letzteres hat sicherlich dazu beigetragen, dass der Silberling in Deutschland Platz 2 der Charts belegen konnte, die beste Platzierung hierzulande bis zu diesem Zeitpunkt, der aber zukünftig noch viele weitere und bessere folgen sollten …

Autor: Marcus Dörr