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Genesis – …And Then There Were Three – 40 Jahre später: Eine Einordnung

Im April 2018 jährt sich die Veröffentlichung von And Then There Were Three zum 40. Mal. Es war das erste Genesis-Album als Trio, das erste ohne Steve Hackett und das erste, auf dem sich eine echte Hit-Single befindet. Martin Klinkhardt ordnet das Album anlässlich des Jubiläums aus heutiger Sicht ein.

Als ich Anfang der neunziger Jahre die Musik von Genesis für mich entdeckte und nach und nach mein Taschengeld für ihre Alben – und zunehmend CDs – auszugeben begann, gehörte And Then There Were Three zu den letzten Alben, die in meiner Sammlung noch fehlten. Vielleicht war es sogar nach dem Album Genesis Live von 1973 tatsächlich die letzte Lücke, die ich schloss (die Alben ab We Can’t Dance habe ich ja beim Erscheinen gekauft). Das Artwork sprach mich einfach nicht an. Als ich das Album dann hatte und hörte, war ich auch nicht besonders beeindruckt. Mit der Zeit sprachen mich einzelne Stücke, einzelne Passagen, einzelne Textzeilen an, aber das Gesamtwerk ließ mich kalt. Vierzig Jahre nach der Veröffentlichung und gut 25 Jahre nachdem ich das Album gekauft habe, ist es an der Zeit, meine Einschätzung zu überprüfen.

Genesis ist 1977 eine Band im Umbruch. Den Weggang von Peter Gabriel hat sie ganz gut verkraftet und sich mit A Trick Of The Tail und Wind & Wuthering als produktives Quartett zurückgemeldet.

Im Spätsommer 1977, nach dem Tournee-Ende in München, beginnt man das zweite Live-Album, Seconds Out, abzumischen. Währenddessen verlässt Steve Hackett die Band. Genesis schrumpft zu einem Trio. Schon 1973 spielten Banks, Collins, Rutherford die zweiten Hälfte der Cinema Shownur zu dritt, aber erst jetzt wird die Dreier-Konstellation das offizielle Line-up. Mike Rutherford muss nun auch Leadgitarre spielen, ohne darauf wirklich eingestellt zu sein. Er beschönigt da auch nichts: „Ich habe mich mehr schlecht als recht gerade so durch die Leadgitarrenpartien gekämpft. Das Album hat darunter gelitten.“ [C&V, Kap.9].

Auch Phil Collins ist nicht ganz und gar bei der Sache. Seine Frau Andrea muss zuhause weitgehend alleine die beiden Kinder betreuen. Sie erwartet, dass er sich mehr in die Familie einbringt, während er seine berufliche Laufbahn im Fokus hat. Binnen eines Jahres wird ihre Ehe zerbrechen und Andrea mit den Kindern nach Kanada ziehen. „Ich schaue auf Simon in seinem Bettchen und denke: ‚Du hast keine Ahnung, was hier passiert.‘ Ich selbst hatte allerdings auch keine“, beschreibt Collins die Situation. „Ich möchte, dass mein Sohn und meine Tochter einen Vater haben und ein normales Familienleben. Wie es aussieht, werden wir alle enttäuscht werden. Der Erfolg von Genesis hat sich gegen uns verschworen.“ [NDY, Kap. 8].

Die drei Musiketiere gehen ins Studio. In eins der damals modernsten Studios, das in einem kleinen Nest namens Hilvarenbeek an der Grenze zu Belgien liegt. Genesis hatte dort schon Wind & Wuthering aufgenommen; die Band kehrt also an einen bekannten Ort zurück (und spart noch ein paar Pfund an Steuern). Aus den Stücken, die sie dorthin mitbringen oder die dort entstehen, wählen sie elf Stücke aus, und geben dem Album den leicht kalauernden Titel „Da waren’s nur noch drei“. Warum? Mike Rutherford erinnert sich an ein Interview in New York: „ ‚Also, warum heißt das Album And Then There Were Three?‘ Bei der Frage schwante mir schon, dass das Interview anstrengend würde. Wir saßen in diesem Radiostudio in New York. Es war März 1978, und wir standen am Anfang einer langen Tournee. Tony, Phil und ich. Wir drei. Vielleicht konnte der Moderator nicht so gut zählen.“ [LY, Kap.12]

CoverDas Cover zeigte – eine Premiere für ein Studioalbum von Genesis – ein Foto, allerdings ein künstlerisch verfremdetes. „Am Ende gab es mit der Bildgestaltung des Albums immer dasselbe Problem“, erinnert sich Mike. „Es musste unter größtem Termindruck gemacht werden. Man konnte kein Coverbild festlegen, solange nicht feststand, welche Stücke aufs Album kommen, und dann hatte man nur noch sehr wenig Zeit, eine tolle Idee zu haben, bis das Album auf den Markt kommen sollte. And Then There Were Three, das letzte Albumcover, das Hipgnosis für uns entwarf, ist das beste Beispiel dafür. Keine der besten Ideen von Storm Thorgerson.“ Thorgerson selbst ist schonungslos: „Das war ein Fehlschlag.“ Er erläutert: „Wir wollten eine Geschichte erzählen anhand der Lichtspuren. Es gab eine Taschenlampe, ein Auto und einen Mann mit einer Zigarette. Die Band verlor ja ständig Mitglieder, und es waren jetzt nur noch drei übrig. Die Lieder handelten großenteils davon, dass jemand kommt oder geht, und das haben wir versucht mit Mehrfachbelichtungen fotografisch darzustellen. Ein Auto fährt zur Seite weg und dann steigt der eine Mann aus, stellt sich davor und zündet sich eine Zigarette an. Aber er benutzt eine Taschenlampe beim Gehen, und das Auto, in dem er gesessen hat, fährt weg. Das Auto hinterlässt eine Lichtspur, er hinterlässt beim Gehen eine Lichtspur, und dann zündet er sich eine Zigarette an. Auf dem Cover sieht man das, weil an dieser Stelle sein Gesicht hell erleuchtet ist.“ [ST]

Auf der Vorderseite des Albums sind also nicht drei Personen zu sehen, sondern nur zwei: Die „beiden“ größeren in der linken Bildhälfte sind ein und dieselbe Person, die sich bewegt und zweimal belichtet wurde. Dass die Person rechts eine andere ist, zeigt die andere Kopfbedeckung (Schiebermütze statt Hut); sie scheint auch in dem von Thorgerson erwähnten Auto zu sitzen. Ein merkwürdiges Cover. Von Trespass bis zu diesem Album hat die Hülle jedes Studio-Albums von Genesis immer auf die eine oder andere Art von der Musik auf der Platte erzählt. Dieses braunrote dunkle Cover wirkt erstmals wie ein Selbstzweck ohne erkennbaren Bezug zur Musik.

Die Musik beginnt mit schwebenden Keyboardklängen; frisch von Tony Banks‘ neuem Klassikalbum Five sensibilisiert, denkt man an die schwebenden Klänge, mit denen Bruckner seine Sinfonien einleitet. Jedenfalls in der ersten halben Minute des von allen dreien entwickelten Down And Out, bevor die Gitarre rhythmisch einsetzt und rumpelndes Schlagzeug das Stück erdet. Die Musik wirkt für Genesis außerordentlich zappelig und Collins‘ Gesang klingt so gehetzt, als müsste er gleich weiter zum nächsten Termin (aber bis zu Hello, I Must Be Going ist es noch eine Weile hin). Die Eile passt zum Text: Knapper, eiliger Smalltalk, dann wird vom großen Boss – der Arbeitstitel des Stückes war wohl The Man With The Big Cigar – eine schlechte Nachricht überbracht. „Gut, dass das erledigt ist – noch ein Käffchen? Und nichts für ungut, ja?“


Pressefoto 1978
Wohltuend einfach und ruhig beginnt Undertow. Gesang und sanfte Gitarrenklänge schildern ein kuschelig warmes Zuhause, während draußen knackiger Frost herrscht. Die erste Strophe erinnert ein bisschen an eine gereifte Fassung von Your Own Special Way. Zu dieser Wohlfühlromantik gibt da aber auch eine Gegenströmung: Da draußen sind Leute, die heute nacht frieren werden, vielleicht sogar erfrieren. Wenn du einer von ihnen wärst, wenn du nur noch einen Tag zu leben hättest – was würdest du tun? Bei dieser Frage kommt das Schlagzeug hinzu, die Musik wird lebhafter. Ein Hauch von Afterglow durchzieht das Stück im Refrain, wenn aufgezählt wird, was man alles an diesem letzten Tag tun könnte. Man mag es kaum glauben, wenn Mike Rutherford im Interview bemerkt: „Auch in den Refrains haben wir uns noch zurückgehalten. Am Ende der Refrains haben wir ein paar Gesangsspuren eingefügt, aber eher unauffällig.“ Die lange Einleitung zu Undertow, die die Band nicht auf dem Album haben wollte, taucht bald danach auf Tony Banks‘ erstem Soloalbum A Curious Feeling auf. Damit man das auch merkt, heißt das Stück dort From The Undertow.

Scheinbar ziellose Klavierakkorde und glimmerndes Beckenspiel leiten die Ballad Of Big(Arbeitstitel: Ballad Of Big Jim) ein. Eine klassische Westerngeschichte wird hier erzählt: Der große und allseits gefürchtete Cowboy „Big“ Jim Cooley wettet, dass er mit seinen Leuten eine Viehherde „über die Ebene“ treiben könne. Sie brechen unter schwierigen Wetterverhältnissen auf. Während eines Nachtlagers werden sie von einer Schar indianischer Elitekrieger niedergemacht. Die Legende besagt, dass sein Geist noch immer dort umgeht. Treibende, um nicht zu sagen: trabende Rhythmen drängen vorwärts. Die Strophen bestehen aus einfachen Melodien, dazwischen sind rhythmisch abweichende Passagen („Must be mad…“) eingefügt. Bis auf wenige Akzente ist hier kaum Gitarre zu hören – vor allem das Keyboard dominiert das Stück.

Abgesehen von den Flötenklängen beginnt Snowbound wie Undertow: Säuselnder Gesang (mit viel Vibrato) und sanfter Gitarre. Und beide Stücke behandeln den Winter. Aber Tony Banks hat seinen Song nicht kopiert, denn Snowbound ist ein Stück von Mike. Es blickt auf die schönen Seiten des Winters: Der bombastische Refrain feiert einen Schneemann, die Strophen besingen die Freude der Kinder an der weißen Pracht. Und doch ist auch hier eine Gegenbewegung zu all dieser Lebensfreude, denn „man sagt, ein schneereiches Jahr sei ein gutes Jahr, erfüllt von der Liebe all jener, die in ihren Gräbern liegen“.

Nach einer Einleitung mit Keyboard, Schlagzeug und Gitarre beginnt Burning Ropeungewöhnlicherweise mit dem Refrain. Ein weiteres Stück, in dem die Vergänglichkeit das Daseins betont wird. Gitarre und Schlagzeug sind hier mal etwas dominanter gegenüber dem Keyboard, so dass das Stück vielfarbiger und abwechslungsreicher wirkt. Im Interview befindet Mike: Das Gitarrensolo am Ende des Stückes (sic) „ist das beste Solo auf dem Album“ [TBT]. Tony ist da etwas weniger begeistert: “Es gab da in Burning Rope ein Gitarrensolo, das ich geschrieben hatte. Mit Steve an der Gitarre hätte es sich vermutlich noch entwickelt und wäre gewachsen. Mike spielte einfach nur die Noten – und es klingt immer noch gut.“ [C&V]

Schepperndes Schlagzeug eröffnet Deep In The Motherlode; endlich verschwindet das Schlagzeug mal nicht völlig im Hintergrund, selbst Gitarrenklänge sind zu hören. Der wuchtige Einstieg belegt auch, warum dieses Stück den Arbeitstitel Heavy trug. Ein Stück über den Goldrausch.

Many Too Many ist mein Lieblingsstück auf diesem Album. Ruhiges Klavier und künstliche Streicher begleiten den Gesang. Phil trommelt sehr zurückhaltend und Mike sendet Lebenszeichen auf der Gitarre. Zwischen den Strophen geht das Stück, wie so viele auf dem Album, wieder in den großen Sound über. Zwischenzeitlich war sogar mal im Gespräch, das Stück mit Orchester einzuspielen, erinnert sich Mike. „Aber wir sind nicht dazu gekommen.“

Scenes From A Night’s Dream spielt im Titel auf Shakespeares Sommernachtstraum an, variiert aber im Text einige Geschichten aus Winsor McCays Comicstrip Little Nemo. Dessen Titelheld erlebt dort im Traum allerlei wilde Dinge, aus denen er regelmäßig im letzten Bild erwacht. Das Stück stammt aus der Feder von Tony Banks. „Es hat ein paar seltsame Veränderungen durchlaufen. Wir fanden es immer gut, aber Tony fand den Text blöd, den er dafür geschrieben hatte, und warf ihn weg. Dann kam Phil mit einem neuen Songtext und einer leicht geänderten Melodie … Es ist ein leichteres Stück, das unter normalen Umständen vielleicht nicht aufs Album gekommen wäre“, erklärte Mike 1978 im Interview [TBT]

Say It’s Alright Joe ist ganz und gar anders als alles, was Genesis bis dahin aufgenommen hatte. „Das war das vorletzte Stück, das wir eingespielt haben“, weiß Mike noch. „Die letzte Nummer war ein Stück, das überhaupt nicht funktionierte. … Ich wollte damit diese Sorte von Stücken auf die Schippe nehmen, bei denen Dean Martin wie schwer betrunken an der Bar steht und ‚Noch einen Drink, Joe‘ verlangt.“[TBT] Nach anderhalb Minuten rollen Tonys Keyboards allerdings Dean Martin und die ganze Bar wie mit dem Bulldozer weg. Der Ausbruch ist schnell vorbei, und Phil „Dean Martin“ Collins steht wieder an der Bar, bis zum nächsten Ausbruch, der mit einem ähnlich langen Ende wie Dancing With The Moonlit Knight ausklingt.


Poster 1978
The Lady Lies
beginnt soll “aufreizend” klingen, erläutert Mike, und „ein gewisses Striptease-Flair haben“. Nach der Ballade von Big Jim ist hier das zweite Lied, in dem Genesis eine Geschichte erzählt. Diesmal allerdings eine Fantasygeschichte mit Anklängen an die Geschichten, in denen Ritter liebreizende Maiden aus der Gewalt schrecklicher Monster retten – nur dass hier die holde Maid das Monster ist. Die verschiedenen Rollen bilden sich auch in unterschiedlichen musikalischen Untermalungen ab. Wird unser Held den Fallstricken des Monsters entkommen? Die Antwort enthüllt sich im großen Finale, in dem der Sound ungeahnte Dimensionen annimmt. In Mikes Worten: „Das Ende sollte ein wilden Durcheinander aus Klängen sein – in diesem Jazzstil, der entsteht, wenn die Musiker diesen unglaublich glücklichen Gesichtausdruck bekommen.“[TBT] Ein perfektes Ende? Jedenfalls ein für Genesis ziemlich typisches Albumende – mit einem großen Knall zu gehen (Los Endos! Afterglow! Supper’s Ready!)

Nur ist es eben noch nicht das Ende. Der aufregendste Moment im Studio für Tony Banks war der, „als Mike dieses große Gitarrenriff mit Flange-Effekt spielte und ich ein paar Akkorde dazuspielte; plötzlich ergab sich eine Kombination mit großartigem Klang. Und das war diese einfach kleine Sache, aus der dann Follow You Follow Me entstanden ist. … Mike hat den Text für ein Liebeslied dazu geschrieben, immer eng an dem Flair des Stücks, denn es vermittelt ein warmes Gefühl. Eine fröhliches Lied – darin waren wir nicht besonders gut – es brauchte eine Liebesgeschichte, in der alles gut läuft. Das war eine ganz neue Erfahrung.“ [C&V]

Mike ergänzt: “Wir wollten das Album ganz bewusst ein bisschen fröhlicher enden lassen – nicht mit unseren üblichen schweren, pompösen Weltuntergangsliedern. Das Lied sollte eine nachträgliche Ergänzung sein. Ich betrachte The Lady Lies als das Ende des Albums. Follow You Follow Me ist ein wehmütiger Nachsatz.“ [TBT]

And Then There Were Three ist als Gesamtwerk betrachtet merkwürdig unrund. So viele Dinge sind hier doppelt vertreten: Das Schema „leise Strophe mit wenig Instrumenten – gewaltiger Sound im Refrain“ (Undertow, Snowbound) Der Liedinhalt „Winter, wie schön – aber es gibt da auch die andere Seite (Vergänglichkeit, Not der Obdachlosen)“ (z.B. Undertow, Snowbound). Ähnlich klingende Liedanfänge (z.B. Burning Rope und Deep In The Motherlode) Auf allen Alben hätte die Band gesagt: Okay, einer dieser Songs fliegt raus, wir brauchen das nicht doppelt.

Was die Musik angeht, sind mehrere Dinge offenkundig: Der bisherige Hauptgitarrist ist weg. Der neue Gitarrist versucht sich in seiner neuen Rolle zurechtzufinden. Der Schlagzeuger hat andere Sorgen und steuert seltener raffinierte Drumfills bei, und singt als Sänger singt in höchste Höhen. Es entstehen Lücken, und der Keyboarder findet, die müssten geschlossen werden. Infolgedessen legt er süßliche Keyboardschicht über Keyboardschicht auf die Songs. Einigen Stücken (z.B. Burning Rope) tut das auch gut, sie blühen dadurch auf. Andere Lieder aber ersticken regelrecht unter den Keyboardfluten. Sie wären mit einem transparenteren Klang besser bedient gewesen. Dazu kommt: Es ist gefühlt immer entweder Klavier oder dann das große Georgel mit Kunststreichern und allem Komfort. Dazwischen gibt es kaum etwas auf diesem Album. In dieser Hinsicht ist And Then There Were Three eine große Schachtel Pralinen: Hin und wieder habe ich Lust drauf, dann hole ich mir eine oder auch drei. Die genieße ich dann auch, aber alle Pralinen auf einmal aufzuessen ist einfach kein Genuss.

Dies ist das erste Album nach einer Lineup-Änderung, dem man diesen Wechsel auch als eine gewisse Schwächung anhört. Als Anthony Phillips die Band verließ, rückte ein kompetenter Gitarrist nach. Als Peter Gabriel die Band verließ, sang der Schlagzeuger, der ja auch schon Erfahrung mit dem Singen hatte. Als Steve Hackett die Band verlässt, muss Mike erstmal lernen, Leadgitarre zu spielen. Das hört man diesem Album an: Die Gitarre fehlt weitgehend auf dem Album, und Mike räumt ganz ehrlich ein: „Wenn ich mir das Album heute anhöre, klingt es ein bisschen nach zweiter Wahl, denn mir fehlten Steves Begabung und seine wunderbare Spielweise. Die hatte ich einfach nicht, und deshalb fehlte sie auch auf dem Album. Von all unseren Alben war And Then There Were Three zweifellos das schwächste.“ [C&V] Insofern ist es ein Album des Aufbruchs: Für Genesis beginnt mit diesem Album eine fast zwanzig Jahre währende Epoche als Trio, die sie zu unerhörten Erfolgen führen wird. Es ist auch ein Ende: Das letzte Album, bevor alle drei ihre Solo-Alben machen (Banks, Rutherford) oder Songs aufnehmen, die dann zu einem Solo-Album werden (Collins). Und die Zeit, in der Genesis Songs einzelner Bandmitglieder als Bandmaterial aufnimmt, beginnt ihrem Ende entgegenzugehen. Künftig wird es immer mehr gemeinsam entwickelte Stücke geben. Seinen Abschluss findet dieser Wandel ungefähr auf dem 1983er Album.

And Then There Were Three ist vielleicht als Album nicht so gelungen, aber die (meisten) einzelnen Stücke lassen sich gut und gerne hören. Man sollte auch nicht vergessen: 1978 rollt die Punkwelle, aggressivere Musik aus dem Bauch verdrängt, bekämpft sogar das „romantische melodische Gedudel“ – und Genesis veröffentlicht ein romantisches, melodisches Liebeslied und landet den ersten richtigen Hit.

Was bleibt von diesem Album? Das romantische Follow You Follow MeSnowbound mit der schönen Zeile über das „snow year“ – Ballad Of Bigund Scenes From A Night’s Dream, die sich wenigstens ein bisschen von den anderen Stücken absetzen – das letzte Aufflackern des großen Genesisbombasts in The Lady Lies. Was bleibt noch? Natürlich: Die wärmende Sonne, der kühlende Regen, die Schneeflocke, die im leichten Windhauch dahintreibt, der Blitz, der dir den Himmel frei macht (auch wenn nur Adler dort fliegen), Worte der Liebe, Schreie des Hasses, und die Band im Mond, die dich verführt hat und dich schließlich freigegeben hat.

Autor: Martin Klinkhardt

Quellen (jeweils in eigener Übersetzung) :
C&V | Genesis, Chapter & Verse
LY | Mike Rutherford, Living Years
NDY | Phil Collins, Not Dead Yet
ST | Interview with Storm Thorgerson [accessed here on March 05, 2018]
TBT | Genesis Track By Track [accessed here on March 05, 2018]