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Genesis – Abacab Tour 1981 – Tourbericht
1981 gingen Genesis auf Abacab Tour. Es war in ihren Konzerten die bisner deutlichste Abkehr von ihren Wurzeln.
Im Oktober 1981 kam als Vorabsingle der Titel Abacab in die Plattenläden und läutete eine neue Phase in der Bandgeschichte von Genesis ein. Einerseits wurde das gleichnamige Album nicht mehr von David Hentschel produziert, sondern die Band versicherte sich der Mitarbeit von Hugh Padgham. Und andererseits konnten sie diese Platte zum ersten Mal in ihrem eigenen Studio „The Farm“ aufnehmen.
Zum guten Schluss kam dabei eine völlig neue Musik heraus, die Genesis viele der alten Fans kosten sollte. Für jeden alten Fan, der sich von der Gruppe abwandte, kamen jedoch zwei neue hinzu. Bevor Genesis das neue Album Abacab mit einer neuerlichen Tournee promoten konnten, gingen sie 2 Wochen in die Shepperton Studios, um zu proben.
Die Vari-Lites
Bei diesen Proben wurde auch eine Weltneuheit in Sachen Lightshow ausprobiert. Aber lassen wir Tony Banks selbst erzählen:
„Für uns wurde ein Prototyp von Scheinwerfern entwickelt, die wir Vari-Lites nennen. Jede Lampe kann elektronisch auf jede beliebige Farbe eingestellt werden. Bisher waren Scheinwerfer ja immer starr und hatten pro Lampe nur eine Farbe. Wir können jetzt differenzierter arbeiten, und die Lightshow wird dramaturgisch wie beim Theater eingesetzt“
Das computergesteuerte Programm konnte jede beliebige Farbkombination erzeugen und hatte eine Leuchtkraft, die ihresgleichen suchte. Aus heutiger Sicht ist das zwar nichts Besonderes, aber 1981 war es eine Revolution. So bleibt z.B. auch der Augenblick unvergeßlich, als bei Afterglow eine strahlend weiße Lichtwand hinter den beiden Schlagzeugen erschien und das Publikum schier ins Rasen brachte.
So gerüstet, startete die Band ihre lediglich drei Monate dauernde Tour in Barcelona. Gegenüber der Duke-Tour wurde der technische Aufwand drastisch reduziert. So wurden diesmal nur noch vier Trucks für Bühne und Anlage benötigt.
Die Band, Spielorte, Aufnahmen für ein Live-Album
Begleitet wurden sie wieder von Chester Thompson am Schlagzeug und Daryl Stuermer an Bass und Gitarre. Beide gehörten inzwischen schon so gut wie zur Genesis-Familie und wurden vom Publikum immer mit viel Beifall bedacht. Wie bereits erwähnt, begann die Tour in Spanien und führte unter anderem über Deutschland nach Nordamerika und zurück nach England. Dort spielte die Gruppe sieben Konzerte, die gleichzeitig den Abschluss dieser Tour bildeten. Weitere Konzerte, die für Anfang 1982 in Australien, Südamerika und Japan geplant waren, mußten wieder abgesagt werden.
Für ein zukünftiges Livealbum/-video wurden die Shows im Savoy Theatre in New York, im Nassau Coliseum in Long Island sowie die Gigs am 22. und 23. Dezember im NEC in Birmingham aufgenommen. Der Set, der über die ganze Tour nur geringfügig differierte, bestand hauptsächlich aus Stücken von Duke und Abacab sowie einigen älteren Songs.
Der Live-Set
Ein typisches Konzert dieser Tour umfaßte dann in der Regel die folgenden Titel: Behind The Lines, Duchess, The Lamb Lies Down On Broadway, Dodo/Lurker, Abacab, Carpet Crawl, Me And Sarah jane, Misunderstanding, No Reply At AIl, Firth Of Flfth, Man On The Corner, Who Dunnit?, Medley: In The Cage/Cinema Show/The Raven/Afterglow, Turn It On Again, Dance On A Volcano/Los Endos, I Know What I Like. Darüber hinaus wurden einige Songs nur vereinzelt gespielt, wie Paperlate und Me And Virgil, die zu Beginn der Tour in Spanien zum Set gehörten. Like It Or Not wurde wohl nur bei dem Konzert in Montreal live dargeboten. Eine weitere Zugabe bescherte Genesis dem Publikum gelegentlich mit The Knife.
Bei einigen der neuen Songs, besonders No Reply At All und Man On The Corner, hatte die Band Probleme, eine perfekte Liveversion abzuliefern. Bei No Reply At All wurden übrigens die Earth, Wind & Fire Hornsection der LP durch Gitarrenparts ersetzt. Die Optik der Show lebte fast ausschließlich von der neuen Lichtanlage. So waberten Farbteppiche unterstützt von wallenden Nebeln über die Bühne. Gleißende Lichter imitierten die Gitterstäbe eines Käfigs (In The Cage), und alles war so furios wie ein gutes Ballett. Phil brachte zwischen den Stücken wie gewohnt einige Gags, wenn möglich in der jeweiligen Landessprache.
Who Dunnit? – Genesis Ausflug in die Welt des Punkrock, wurde im Gegensatz zu den meist unrühmlichen Kritiken, die sich der Song bei den Fans eingehandelt hatte, ein Liveerfolg. Phil trug während der Nummer eine Art Wollmütze zusammen mit einer Schneebrille, um diesem schrägen Song auch noch die entsprechende Optik zu verleihen. Eine weitere witzige Besonderheit dieser Liveperformance war, daß Mike während des Stückes ausnahmsweise Phils Schlagzeug spielte.
Fazit
Für die meisten älteren Fans war die Abacab Tour sicherlich eine große Enttäuschung. Das galt auch schon für das Abacab-Album selbst. Genesis haben sich mehr und mehr von der Vergangenheit distanziert. Bei dem Konzert in Leiden, Holland, wurde die Band sogar, während sie die neuen Songs spielte, ausgebuht. Unterm Strich war aber auch diese Tour ein weiterer Erfolg, und was mit Duke begann, vollendete die Band mit Abacab: einen neuen Abschnitt ihrer Geschichte.
Autor: Peter Schütz & Helmut Janisch
zuerst veröffentlicht in it-Magazin #13, Dezember 1994
Poster image: © George German