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Genesis – A Trick Of The Tail Tour (1976)
Nach dem Weggang von Peter Gabriel bewiesen Genesis mit der A Trick Of The Tail Tour 1976, das weiter mit ihnen zu rechnen ist.
„Es ist aus, aus, aus …“ Im Oktober 1975 schrien dies die Musikzeitungen förmlich von den Titelseiten: „Die Super-Rockgruppe Genesis hat ihren Leadsänger, Showstar und Maskenmann Peter Gabriel verloren“ (Pop). Die Medien sagten mehr oder weniger das Ende von Genesis voraus. Doch als die Öffentlichkeit vom Ausscheiden Gabriels erfuhr, waren die verbliebenen Gruppenmitglieder bereits einige Zeit dabei, ein neues Album zu schreiben. Mit dieser Platte wollten sie nun endlich beweisen, dass sie schon immer eine Gruppe gewesen waren und nicht nur aus Peter Gabriel bestanden hatten.
Neustart bei Genesis
Für die Vocals suchte die Band einen neuen Sänger. Doch so sehr sie sich auch mühten, der richtige wurde nicht gefunden. So kam es, daß letztendlich auf dem neuen Album Phil Collins den Gesang übernahm und diese Aufgabe viel besser meisterte, als man es je erwartet hatte. Im März 1976 erschien die LP A Trick Of The Tail mit Phil am Micro und den Drums. Die bevorstehende Tour sollte jedoch mit einem neuen Schlagzeuger stattfinden, denn beide Parts (als Drummer und Sänger) konnte Phil nicht zugleich ausfüllen. Die Wahl fiel auf Bill Bruford, der zuvor auch schon bei Yes und King Crimson das Schlagzeug bedient hatte.
Die Proben fanden in Dallas, Texas statt und am 31.03.1976 war es schließlich soweit. Das erste Genesis-Konzert mit Phil Collins als Leadsänger fand statt. Selbstverständlich war er sehr nervös und alle hatten ein wenig Angst vor einer Ablehnung durch das Publikum. Aber schon nach den ersten Songs war es klar, dass die neuen Genesis voll und ganz akzeptiert wurden. Mehrere Faktoren waren offensichtlich dafür verantwortlich. Zum einen kam Phil als neuer Sänger aus der Mitte der Gruppe, zum anderen war Phil schon seit seiner Jugend an Bühnen und die Schauspielerei gewöhnt. Aber auch die Auswahl und Zusammenstellung der Songs trug wesentlich zum Gelingen der Tournee bei. So gehörten neben den neuen Stücken auch Titel aus den vorangegangenen Alben von Trespass bis The Lamb Lies Down On Broadway zum Set.
Die Setlist
Dance On A Volcano
The Lamb Lies Down On Broadway
Fly On A Windshield
Broadway Melody on 1974
Carpet Crawlers
The Cinema Show
Robbery, Assault And Battery
White Mountain
Firth Of Fifth
Entangled
Supper’s Ready
Squonk
I Know What I Like
Los Endos
it / Watcher Of The Skies
Einige Songs wurden bei spöteren Tourneen leider nie wieder gespielt. Dazu gehört auch die starke Präsentation ndes 1970er Werkes White Mountain ebenso wie Fly On A Windshield zusammen mit Broadway Melody of 1974, in einer instrumentalen Version. Einmalige Darbietungen der „Trick“-Tour waren auch das traumhafte Entangled und eine der besten Genesis-Zugaben überhaupt, das Medley aus It mit einer instrumentalen Kurzform von Watcher Of The Skies.
Die Tournee begann im März 1976 in Kanada und führte über die USA, England, Kontinental-Europa wieder zurück auf die Insel nach Schottland und England und endete dort im Juli desselben Jahres.
Bühnenshow
Von dem was die bisherigen Genesis-Auftritte aus- gemacht hatte, war nicht mehr viel zu finden. Einziges Überbleibsel der Gabriel-Ära warenbei diesen Konzerten Teile der Dia-Show, die bei der Lamb-Tour verwandt wurde. Phil versuchte auch garnicht erst, Peter’s außergewöhnliche Theatralik zu imitieren, sondern er brachte vielmehr seinen persönlichen Stil auf der Bühne zum Ausdruck.
Peter Gabriel sah sich übrigens auch ein Konzert seiner alten Band im Hammersmith Odeon an und fühlte sich dabei wohler, als er es erwartet hatte. Nur bei Supper’s Ready durchzuckte es ihn einige Male und er hatte das Gefühl „als würde sich jemand mit seinem Innenleben verkleiden“.
Im Melody Maker beschrieb Chris Welch das Konzert vom 9. Juli im Glasgower Apollo wie folgt:
„Hitze, Staub, Rauch, Laser gepaart mit Ge nesis verwandelten das Apollo in eine Kopie von Dante’s Inferno. Schweiß tropfte von Tony Banks•Augenbrauen auf seine Keyboards und die Massen brüllten, als wenn sie von Damonen besessen waren. Da ist tatsächlich einen teuflische Magie bei Genesis-Konzerten Genesis ist eine gefestigte Band, die niemals weniger als ihr Beste geben. Aber da waren Höhepunkte während ihrer 2-Stunden-Show die wahre Wellen von Energie durch die schottischen Fans sandte. Es war das erste mal, dass sie die Band „nach Peter“ sahen. Aber sie gaben Phil Collins einen herzlichen Empfang in seiner erweiterten Rolle als Sänger, Drummer und Erzähler.
Und als Phil einen schottischen Tanz improvisierte, stand die Halle kurz vor einem Kollaps. Eine Show von Genesis enthiellt sehr viele feine Höhepunkte. Jenseits der augenscheinlichen Effekte von Rauchfahnen und Laserstrahlen gibt es z.B. Momente während Cinema Show, die einem kalte Schauer über den Rücken jagen, wenn im Gegensatz zur Stimmung die Drums mit dem Moog harmonieren. Oder wenn Bil zu einer stillen Passage von Steve Hackett’s fantastischer Gitarre eine Vogelstimme hinzufügt. Wahrscheinlich gibt es keine andere Band, die an die aktuelle Version von Genesis heranreicht. Da ist es gut, dass das Konzert teilweise mitgeschnitten worden ist. „
Tatsächlich wurden die Konzerte in Staffort und in Glasgow gefilmt und Teile davon später für den Film Genesis In Concert verwendet. Höhepunkte der Tour waren die fünf aufeinander- folgenden Konzerte in London im Hammersmith Odeon und das einzige deutsche Open-Air-Konzert am 3. Juli auf der Freilichtbühne Loreley, das laut Mike Rutherford eine der besten Shows in 1976 war. Dieses Konzert musste übrigens für einige Zeit unterbrochen wer- den, weil ein Feuer auf dem Gelände ausgebrochen war.
Zusammenfassung
Am Ende der Tournee stellte man fest, dass es die bis dahin erfolgreichste war und der Weggang von Peter Gabriel innerhalb der Band und vor allem vor den alten Fans gut verkraftet worden war. Außer- dem hatte die Band wieder viele neue Fans in ihren Bann geschlagen. Eine neue Genesis-Ara hatte begonnen!
Autoren: Peter Schütz & Helmut Janisch
(mit freundlicher Unterstützung von Peter Morton)
zuerst veröffentlicht in it-Magazin #9, Dezember 1993