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Genesis – 1983-1998 Non-Album Tracks – SACD + DVD Infos und Rezension

Das Boxset 1983-1998 deckt die erfolgreichste Bandphase ab. Dazu kommt mit Calling All Stations das Album nach Collins. Die Bonustracks dieser Phase sind leider nicht komplett. Die Hintergründe erfahrt ihr hier.

Tracks auf der SACD/DVD:

On The Shoreline

Hearts On Fire

Do The Neurotic

Feeding The Fire

I’d Rather Be You

Anything Now

Sign Your Life Away

Run Out Of Time

DVD:

Komplettes Album in Dolby Digital 5.1 und dts Surround

Reissues Interviews 2007

Archive #2 1976-1992 – EPK 2000 (18:57)

Knebworth 1992 – live (41:01)

MMF Awards Ceremony 2000 – live (10:xx)

Als am 7. November 2006 auf einer Pressekonferenz in London eine Reunion-Tour angekündigt wurde, gab es für einige Fans eine viel größere Überraschung: Die Ankündigung, dass der gesamte Backkatalog der Band in 5.1-Mixen herausgebracht würde, und zwar in drei Phasen. Das erste Set, welches sich mit den Jahren 1976-1982 beschäftigt, kam bereits im Frühling 2007 raus. Das dritte Set, welches sich mit der Gabriel-Ära beschäftigen wird, wird voraussichtlich November 2008 veröffentlicht. Das zweite Set, September 2007 veröffentlicht, deckt 1983-1998, die kommerziell erfolgreichste Phase der Band, ab.

Beim zweiten Set stand der Genesis-Fan wieder vor der schwierigen Entscheidung: Lieber einzelne Alben holen, oder doch alle? Oder vielleicht sogar das Boxset? Immerhin bietet dies neben einem schick aufgemachten Schuber eine Extra- SACD/DVD-Kombination, welche diesmal sogar um einiges üppiger ausfällt, als der Vorgänger. Doch schauen wir uns den Inhalt mal genauer an:

Was zuerst auffällt, ist das großzügige Angebot an Videomaterial. Zugegeben, die Reissues-Interviews sind mit drei Minuten wieder sehr knapp gehalten. Tony, Mike und Phil reden kurz über die neuen Mixe allgemein. Dass Tony am meisten involviert war und wohl auch am meisten Spaß daran hatte, ist bereits den meisten Anhängern bekannt. Interessant ist allerdings Mikes Begründung: er arbeite nicht so gerne an altem Material, weil er das Gefühl habe, so zu sehr in der Vergangenheit zu leben. Bei Phil mag man gar das Gefühl bekommen, er versuche etwas krampfhaft, sich positiv über die 5.1-Mixe zu äußern. Er macht allerdings keinen Hehl daraus, dass er sich nur wenig mit den Überarbeitungen beschäftigt hat. 

Das zweite angebotene Video-Extra ist das E(lectronic) P(ress) K(it) für das Archive #2 (1976 – 92). Dies ist ein 18minütiger Werbefilm aus dem Jahr 2000, in dem die Band das Material für das zweite Archive-Set kommentiert. Der Film wirkt weniger wie ein lahmer Reklamespot sondern enthält interessante Kommentare der Band. So überrascht Phil mit der Aussage, dass er den Remix von I Can’t Dance sogar fast besser findet als das Original.

Videomaterial Nummer drei bietet dem Fan einen 40minütigen Ausschnitt aus dem Knebworth-Konzert von 1992 (welches irrtümlicherweise mit 1993 gekennzeichnet ist). Warum man nur 40 Minuten angeboten bekommt, ist unklar. Aber zumindest wirkt die Auswahl erfreulich: Das Old Medley (extra für die We Can’t Dance-Tour zusammengestellt), Home By The Sea (brutal für jeden Fan: man amputierte nachträglich Second Home By The Sea!) und das komplette Domino. Ton und Bild gehen hier in Ordnung. Durch das Open Air-Feeling scheint die Band auch viel besser drauf zu sein, als auf dem offiziellen Mitschnitt der Tour im Earls Court.

Das letzte Bonusvideo ist vielleicht das Juwel der Extras: Im Jahr 2000 wurde Tony Smith mit einem MMF-Award geehrt, und Phil Collins ließ es sich nicht nehmen, mit Tony und Mike als Genesis Tony Smith ein Mini-Konzert zu widmen. Halb-akustisch präsentierte man also bei den MMF-Awards die Lieder Invisible Touch, Follow You Follow Me, I Can’t Dance und Turn It On Again. Beim ersten Eindruck mag es recht ungewöhnlich klingen, Genesis ohne Schlagzeug zu hören (Daryl war allerdings anwesend und spielte brav mit). Doch einige Lieder wirken so reduziert richtig frisch, insbesondere der Überhit Invisible Touch. Aber auch die Minuten vor und nach dem Auftritt sind interessant. Zuerst Phils einleitende Rede über Tony Smith, und zum Schluss das Gruppenfoto mit einem etwas überraschten (und leicht deplatziert wirkenden) Peter Gabriel. Schon fast mysteriös, wie das Gruppenbild zum Schluss eingefroren und dann langsam ausgeblendet wird. Möchte man dem Fan etwas mitteilen?

Aber die Videos befinden sich nicht grundlos im Extras-Bereich. Schließlich drehen sich die Genesis-Boxsets weniger um Videomaterial als um die Musik. Und ist man beim Bonus-Material noch überrascht, wie viel einem da geboten wird, so enttäuscht ist man, wenn man die Auflistung der Lieder liest. Lediglich acht Stücke haben es auf die Bonus-Disk gebracht. On The Shoreline, damals ein heißer Kandidat für das Album We Can’t Dance, ist bestimmt einer der stärksten Kompositionen dieser Auswahl. Hearts On Fire wiederum ist zu Recht nicht auf We Can’t Dance gelandet. Jim Yukich beschreibt es treffend im Booklet: „It felt like the singer from Illegal Alien was making a comeback singing a Ricky Martin song.“ Doch alles ist vergessen, wenn Do The Neurotic, der große Bruder von The Brazilian, beginnt. Hier zeigt Tony Banks sein Können als Komponist. (Den meisten Fans wird das Lied übrigens auszugsweise bekannt vorkommen aus der Menühintergrundmusik der Wembley-DVD.)  Ebenfalls vertreten ist Feeding The Fire, die B-Seite von Land Of Confusion, und I’d Rather Be You. Belanglose Musik. Hier merkt man sehr deutlich, warum es nur für die B-Seite ausreichte. Aber hier geht es nicht nur um Qualität, sondern auch um Vollständigkeit.

Bleiben auf der Bonus-Disk noch drei Stücke, die allesamt in den Calling All Stations– Sessions entstanden sind und auf der Not About Us Maxi-CD bereits veröffentlicht waren. Hier ist vor allem Run Out Of Time erwähnenswert, welches in der Neubearbeitung gar eine halbe Minute länger ist und so einen etwas liebevolleren Fade-Out bekommt. Aber auch so wäre dieses Lied eine gute Wahl für das Album gewesen. Denselben Gedanken spricht Ray Wilson übrigens bei den Reissues-Interviews auf der Calling All Stations-DVD auch aus.

Unter dem Strich bekommt man mit den Bonus-Disks eine Menge an Material geboten, welches zumindest nicht in jeder Fansammlung zu finden sein wird. Die Disks sind zudem erneut in einem hochwertigen und stilvoll aufgemachten Booklet befestigt. Das Booklet selber bietet auf 48 dicken Seiten mehr oder weniger bekannte Bandbilder sowie Illustrationen. Außerdem hat es sich Jim Yukich, Regisseur einiger Genesis-Videos, nicht nehmen lassen, einige Zeilen über die Band und die Musik zu schreiben. Hier liest man die ein oder andere witzige Anekdote. (Zum Beispiel für welche Lieder er schon Ideen für Videos hatte, und welches Lied er dann visualisieren sollte.)

Ausdrücklich betonen muss man aber, dass man bei der Box eine handvoll weiterer Lieder der Calling All Stations-Ära NICHT berücksichtig hat. So fehlen beispielsweise Banjo Man und Papa He Said. Wie bei dem zerstückelten Knebworth-Ausschnitt muss man sich fragen, warum nicht mehr auf die Bonus-Disk gelangt ist. Platz wäre jedenfalls noch vorhanden gewesen. Zugegeben, diese Lieder mögen nicht die besten Genesis-Kompositionen sein. Doch gerade, weil man bei der ersten Box so sehr auf Vollständigkeit wert legte, wirkt dies einmal mehr so, als ob man der Calling All Stations-Zeit nur ungern Aufmerksamkeit schenken möchte. Schade.

Die neuen Mixe

Auch die B-Seiten wurden liebevoll neu abgemischt und sind (optional) im 5.1-Klang zu genießen. Nun mag man sich fragen, warum man sich weniger hochwertige oder gar belanglose Lieder in dieser Form anhören soll. Doch gerade dann scheinen einem die kleinen Nuancen der Bearbeitung eher aufzufallen. Und so profitieren alle acht Lieder durch den räumlichen und ‚luftigeren’ Klang. Ein Höhepunkt der Surround-Mixe ist sicherlich Do The Neurotic. Da wurde nicht gerade subtil mit den Rear-Lautsprechern gearbeitet. Diese chaotischen Geräusche mit dem chaotischen Mix „stehen“ dem Lied aber; eben sehr neurotisch… Aber generell schien Nick Davis bei den Extra-Tracks weniger vorsichtig gewesen zu sein mit den Effekten. On The Shoreline beginnt schon mit improvisierten Gitarrengejaule und dem Elephant-Sample rund um den Hörer, bevor sich das Lied richtig aufbäumt. Mikes Akkorde schallen wenig später auch dominant von hinten, sowie der Backgroundgesang. Run Out Of Time gewinnt ebenfalls viel im Surround-Mix. Spätestens wenn mit Rays Stimme auch Tonys sphärische Klänge von hinten zum Zuhörer wabern, kann sich keiner dieser dichten Stimmung entziehen.

Auch wenn man kein großer Anhänger dieser acht Lieder sein sollte: In den Surround-Mix reinhören lohnt sich. Und vielleicht schließt man ja sogar Frieden mit der ein oder anderen B-Seite.

Autor: Simon Rosenberg