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Djabe & Steve Hackett – When The Sound Turns Sweet – Rezension

Im Frühjahr 2024 erschien ein neues Live-Album von Djabe & Steve Hackett – „When The Sound Turns Sweet“. Thomas Jesse ordnet es in seiner Rezension ein.

Vorbemerkung:

Djabe, welch ein geheimnisvoller Name … dabei bedeutet er nichts weiter als Freiheit. Entnommen hat ihn die 1995 gegründete Jazz/ Fusion-Band aus Ungarn der afrikanischen Sprachfamilie Akan, die u. a. in Ghana und der Elfenbeinküste gesprochen wird *1.
Der Name ist Programm, denn die Ungarn wollten sich nie enge musikalische Grenzen setzen. Vielmehr verbinden sie Elemente des Jazz mit Prog, Rock, Pop und Weltmusik. Hier treffen sie auf den Weltenbummler Steve Hackett, der sich auch gerne bei der Komposition seiner Musik von anderen Kulturen beeinflussen lässt. Zur überaus fruchtbaren Zusammenarbeit Steves mit Djabe kam es 1999 als Band-Gründungsmitglied Attila Egerhazi für den Vertrieb von Steves Alben in Ungarn zuständig wurde. *2

Er managte Steves Akustik-Show in Budapest 2002, die auf DVD/CD unter dem Titel Hungarian Horizons veröffentlicht wurde. *3 Ein Jahr später gab Steve bei Djabe auf dem Album Tancolnak a Kazlak sein Debut. Die Zusammenarbeit mit Steve sollte sich 2007 mit einem Benefiz-Konzert, dem ein Album mit Live-Aufnahmen der Show folgte, intensivieren. Seitdem tourt Steve Jahr für Jahr im Sommer mit der Band vor allem durch Städte der ehemaligen K. u. K.-Monarchie. In den letzten Jahren hat er sich wieder die Zeit genommen, auf Studioalben mitzuwirken, teils bei ein paar Songs, teils bei ganzen Alben. Steve ist sogar bei jeder veröffentlichten Single der Band dabei. *4

Hintergrund / Albumtitel / Gestaltung

Djabe & Steve Hackett When The Sound Turns Sweet CoverEs ist nun zur Regel geworden, dass von jeder Djabe & Steve Hackett Tour eine Aufnahme aus einem Spielort auf mehreren Tonträgern veröffentlicht wird. Im vorliegenden Fall ist es im Rahmen der The Journey Continues Tour die Show aus der Filarmonica Banatul im rumänischen Timisoara vom 20.06.2023. *5Gespielt wurden hauptsächlich Songs aus dem damals aktuellen Album Before. *6 Diese wurden mit einigen Solo Stücken von Steve und Genesis-Klassikern verbunden.Die beiden CDs folgen der Dramaturgie der Show, die nach rund einer Stunde eine Pause erfährt.
Sie werden in einer Papphülle versteckt, die Fotos des Konzerts, der Musiker und kurze Linernotes
(u. a. Zeilen von Steve) enthält. Der Titel des Albums spielt wohl auf einen Song der ganz jungen Genesis (da war noch nicht an Steve als Bandmitglied zu denken!) an. *7

Die Band:

Steve Hackett: Gitarre, Gesang, Mundharmonika
Tamas Barabas: Bass, Gesang, Gitarre
Attila Egerhazi: Gitarre, Gesang, Perkussion
Peter Kaszas: Gesang, Schlagzeug
Aron Koos-Hutas: Flügelhorn, Trompete
Zoltan Bubenyak: Tasteninstrumente

Songs:

CD 1

Could Have Been, 7:48
Mit schwebenden, dräuenden Keyboardsounds, bei denen die Band die Bühne betritt, beginnt das Konzert. Schlagzeug Bass und Solo-Trompete ziehen den Hörer bzw. die Hörerin sofort in den Bann dieser funky-jazzy-Nummer aus dem Album Before. Gekrönt wird das Stück von einem wundervollen Gitarrensolo von, nein, Steve ist noch nicht on stage, Attila Egerhazi. Al di Meola, Eric Clapton, Weather Report, Brand X lassen grüßen. Gleich zu Beginn wird deutlich, dass die Trompete das Sagen hat. Bevor sie jedoch zu schrill wird, beglückt die Band uns mit einem herrlichen Jazzgefrickel, bei dem Bass und Keyboard hervorzuheben sind. Nach dem Chaos kommt man wieder auf die Melodie, die die Trompete trällert, zurück.

Aufmachung der 2CD Djabe & Steve HackettBefore, 4:58
Das titelgebende Stück des aktuellen Albums erfreut uns mit Gesang. Einer Ansage von Tamas Barabas folgen sanfte, vom warmen Bass geführte Klänge. Peter Kaszas singt von vergangenen schönen Tagen und streichelt gleichzeitig sein Schlagzeug. Begleitet wird er von einem zarten, zurückhaltenden Flügelhorn und smoothen Pianoklängen. Erwähnt werden muss Zoltan Bubenyaks kurzes Synthi Solo. Da wird mediterranes Feeling mit Barjazz – Touch erzeugt, das uns durchatmen lässt.

Camino Royale, 10:02
Da kommt er nun auf die Bühne, der Steve, während die Band beginnt, die bekannten Klänge des Songs von Highly Strung zu intonieren. Was soll der Rezensent noch zu diesem Live-Klassiker sagen? Es ist erstaunlich, wie harmonisch die Band musiziert, Steve seine Soli mit Aron teilt (der nun eine Trompete mit Dämpfer spielt) *8 und Tamas mit einer Slap-Bass-Einlage Steves Gesang unterstützt. *9
Ach, dieser Refrain! Erstaunlich wie klar und deutlich Steve singt. Er greift zur Mundharmonika und der Sound wandelt nun auf Jazz – Blues – Wegen. Was spielt denn der Aron für merkwürdige Sounds auf seiner Trompete? Das Stück ist ein Feuerwerk von musikalischen Ideen und der Interaktion der Musiker. Es darf eigentlich gar nicht enden. Tut es leider nach atemberaubenden 10 Minuten. Klasse!

Horizons, 3:15
Nun heißt es Luft holen und Steve Horizons zelebrieren hören. Nach einer längeren Ansage von ihm geht es los. Diesmal spielt er die gefühlt 1099. Version auf der elektrischen Gitarre. Leicht und locker, etwas härter hört es sich an.

Buzzy Islands, 11:29
Steves Lieblingsstück von Life Is A Journey wird von ihm eingeführt. Er berichtet vom Entstehungsprozess auf Sardinien, der wie ein Urlaub für ihn war. Schlagzeug, Perkussion und Slap -Bass fordern zum mitwippen auf. Die Trompete soliert. Nach einer gefühlten Ewigkeit endlich Steve´s Solo. Herrlich jazzig-leicht und etwas schräg windet es sich in die Höhen der sardinischen Berge, dabei immer schneller werdend. Schließlich wird Steve von Attila abgelöst. Sein Solo steht Steve in nichts nach. Keyboard und Bass haben noch eine Einlage. Ja, das ist Freiheit, Freiheit, sich die Musik entwickeln zu lassen und spielen, spielen. Das Mahavishnu – Orchestra grüßt. Weather Report schaut um die Ecke. Ein absolutes Highlight des Albums.

Ace Of Wands, 6:23
Hui, was haben wir denn nun? Eine schnelle Nummer, der Opener von Voyage Of The Acolyte, die Djabe unbedingt spielen wollte. Aron greift zum Flügelhorn und spielt im Duett mit Steve, der seine Gitarre singen lässt. Eine herrlich luftige, losgelöste Version, die bis auf den jazzigen Ausklang und Trompetenausflüge sehr nahe am Original ist und lediglich die Flöte ein wenig vermissen lässt.

Franciska, 5:39
Es folgt ein weiteres, diesmal ruhiges Stück, von Before. Akustische Gitarre und Flügelhorn spielen eine leise, gefühlvolle Melodie, bis Peter und Tamas sehnsuchtsvoll im Duett zu singen beginnen. Das Schlagzeug wird mit dem Besen gestreichelt. Schließlich schluchzt Steves Gitarre, während Attila seiner Akustischen perlenden Arpeggien entlockt. Das traumhafte Liebeslied ist Tomas junger Tochter gewidmet.

…In That Quiet Earth, 5:59
Das Instrumental von Wind & Wuthering beendet den ersten Teil der Show. Es gibt unzählige (Live -) Versionen des Stücks. Nun noch eine von Djabe und Steve. Wird sie wirklich gebraucht? Nun, das muss der verehrte Hörer bzw. die verehrte Hörerin selbst entscheiden. Steve zupft ein paar Töne auf der Gitarre, bevor es mit der herrlichen Melodie los geht. Steve soliert dazu, dass es eine wahre Freude ist. Konnte, durfte er bei Genesis wohl nicht. Natürlich darf ein Solo der Trompete, das die Musik in Jazzgefilde abdriften lässt, nicht fehlen. Übernommen wird es vom Keyboard. Von ihm werden wir zur bekannten Melodie zurückgeführt. Mit leichtem Donner endet die Wohltat abrupt.

Djabe & Steve Hackett live

CD 2

Central European Time, 7:25
Der zweite Teil wird mit einem Song von Before eröffnet. Wir hören eine lockere, funky jazzy (ach, das hatte ich schon einmal gesagt…) Nummer, die die Band ohne Steve spielt. Hervorzuheben ist die wunderbare Bassarbeit. Die Trompete darf nur mit einem Dämpfer musizieren, das Keyboard ist völlig losgelassen. Schließlich hören wir ein Bass-Solo, das von einem blubbernden Keyboard begleitet wird. Tamas zeigt uns, wie gut er die Slap-Technik beherrscht, Attila, welch guter Gitarrist er ist. Ein schöner Auftakt in die zweite Konzerthälfte.

Tale, 6:42
Steve betritt die Bühne, um uns einen Moment der Ruhe zu gönnen. Er und Attila begrüßen uns mit sanften Gitarrenarpeggien. Attila spielt ein wunderschönes verträumtes Solo. Es erinnert an Steves Arbeit mit Gandalf. *10 Es ist so schön zu hören, wie Steve Attila die Bühne überlässt und songdienlich im Hintergrund bleibt. Wieder gibt es ein bemerkenswertes Solo auf dem Bass. Wir treiben in der warmen Sonne auf dem Meer dahin. Die gesamte Band erzählt uns eine Geschichte voller Harmonie und Freude, die langsam davon schwebt. Ein Traum von Musik.

Stars And Moonbeams, 7:38
Ein sanftes Keyboard nimmt die harmonische Ruhe von Tale auf. Der melancholische Gesang von Peter setzt ein. Das Stück von Before erinnert an Camel der frühen Tage. Herrlicher Refrain, wunderschöne Melodien, Steves Gitarrengesang und das Flügelhorn schaffen Canterbury-Atmosphäre. Ein durchaus radiotauglicher Song, der zum Ende hin leicht in proggige Gefilde abdriftet und zu gefallen weiß.

Hairless Heart, 2:32
Hairless Heart eröffnet nun den Genesis / Hackett – Ausflug, der fünf Stücke umfasst. Es wird nahe am Original musiziert. Wir hören die Keyboard-Klänge zu Steves solierender Gitarre. Das Schlagzeug hebt an, die Trompete spielt die Melodie, begleitet von einer akustischen Gitarre. Steve leitet mit „Geschrammel“ zu …

Firth Of Fifth, 4:24
… über. Es wird der instrumentale Teil mit seinem kosmischen Solo wie gewohnt gespielt. Wer jetzt nicht hin und weg ist…

Carpet Crawlers, 5:12
Das Stück wurde von Djabe und Steve Hackett als Single veröffentlicht. *11 Es bleibt dicht am Original. Wahrscheinlich kann man dem auch nicht viel hinzufügen. Peter singt verhalten, etwas angestrengt ohne Ecken und Kanten. Eine Version, die man ehrlicherweise nicht braucht.

Last Train To Istanbul, 6:44
Fernöstliche Klänge donnern durch den Saal, Steves Gitarre schluchzt, sein Gesang beginnt und wir befinden uns im Zug nach Istanbul. Das Stück von Out Of The Tunnel’s Mouth ist wie gemacht für die musikalische Qualität von Djabe. Hier trifft nun wirklich Weltmusik mit Jazz zusammen. Trompete und Gitarre werfen sich die Bälle zu. Schlagzeug und Bass unterfüttern sie mit Jazzeskapaden, beschleunigen das Spiel und lassen es krachend enden. Das Stück wirkt live viel losgelöster als die Studioversion. Es ist die Entdeckung des Albums.

Los Endos, 9:26
Kurzes Innehalten, den Applaus genießen und dann das Finale spielen. Es wird wie von Steves Liveshows gewohnt, dargeboten. Der Beginn mit Steves Eskapaden auf der Gitarre, der dann in das Stück übergeht. The Steppes klingen auf und verwandeln sich in instrumentelles Chaos, das von Trompete und Gitarre befreit wird und zum ursprünglichen Los Endos zurückführt. Eine schöne Version, die sicherlich nicht jedermanns Sache ist, aber den Rezensenten abheben lässt. Toll.

Misty Blues, 7:57
Als Zugabe einen Blues? Nun, es beginnt mit einem Mundharmonikaspiel, das von einer verzerrten Gitarre aufgenommen wird, bis wirklich im Bluesrythmus gerockt wird. Steve beherrscht die Mundharmonika erstaunlich gut. Da bleibt selbst die Trompete im Schatten. Allerdings nur, bis sie kreischend, wimmernd, flehend mit dem Publikum spielt. Well done, Aron! Steve lässt schließlich seine Gitarre folgen. Auch Tamas Bass darf noch einmal solieren, bis die Band mit einigen Einlagen zum jazzy-bluesy-Ende kommt. Eine lockere, improvisiert wirkende Rocknummer.

Bonus Tracks

Die beiden folgenden Stücke wurden am 19.06.2023 in der Richter Concert Halle in Györ aufgenommen. Als special guest wirken Tibor Karvaly, Geige und Csaaba Andras Dr. Deszi, Gitarre mit.

Déja Vu, 4:43
Eine akustische Gitarre eröffnet, Schlagzeug und Bass gesellen sich dazu, die Trompete erklingt. Die E-Gitarre übernimmt. Die letzten zwei Minuten wirbelt eine Geige. Ein leichter, fröhlicher Jazzrock-Song für einen Sommerabend mit Wein, der typisch für Djabe ist.
Der Bass verdrängt die Musik und führt uns zum Finale:

Distant Dance, 1:40
Ein kurzes Schmankerl, das nahtlos an Deja Vu anknüpft. Der Bass leitet in den Song über. Hier wird nochmals richtig los gejazzt. Ein gelungener Abschluss.

Zusammenfassung

Dieses Livealbum ist eine runde Sache. Man bekommt schöne Songs zwischen Rock, Jazz, Prog, Worldmusic wunderbar gespielt zu hören. Außerdem erklingen bekannte Genesis – bzw. Steve Hackett Solo-Stücke in einem frischen Gewand. Steve spielt locker, inspiriert, wie befreit wirkend mit den fantastischen Musikern aus Ungarn zusammen. Es scheint, als wäre er auf Urlaub von seinen Verpflichtungen als ehemaliges Genesis-Mitglied. Das Album sei all denen ans Herz gelegt, die sich von jazzigen Ausflügen und Trompetensoli nicht abschrecken lassen. Steve Hackett Enthusiasten werden zuschlagen. Genesis Fans sei empfohlen, über den Tellerrand zu schauen, äh, zu hören. Sie werden einen neuen Stern im großen Genesis-Universum entdecken, der übrigens mit einem ausgewogenen, schönen Klangbild glänzt.

Ein Manko ist die Auswahl der Songs. Die Band vertieft sich auf die hörenswerte Interpretation der Stücke von Before, die sie mit Standards, die man schon in vorherigen Shows gespielt und aufgenommen hat, vermengt. Wer Tonträger der vorherigen Live-Alben besitzt, wird das Album nicht unbedingt brauchen. Vielleicht ergeht es den Zuhörerinnen und Zuhörern jedoch wie Steve:

It’s always fun to play with Djabe and great to see the guys again. Their hot playing this week in a giddy heatwave with excitable crowds made for a bunch of fantastic shows…” *12

Nachbemerkung:

Wer im Sommer Urlaub in Österreich, Ungarn, oder Tschechien macht, sollte nach Live-Daten von Djabe (mit oder ohne Steve) Ausschau halten. Der Besuch eines der Konzerte der sympathischen Ungarn ist empfehlenswert.

Autor: Thomas Jesse

Die 2CD ist am 19. April erschienen und kann nur im DJABE-Shop bestellt werden.

Anmerkungen:

*1: siehe u. a.: https://de.wikipedia.org/wiki/Djabe
*2: siehe: https://djabe.hu/en/biography/vendegeloadok/
*3: siehe: https://www.genesis-fanclub.de/c-Steve-Hackett-Hungarian-Horizons-Live-In-Budapest-DVD2CD-Rezension-s852.html
*4: siehe: Anmerkung 2
*5: siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Banater_Philharmonie
*6: siehe u. a.: https://surroundmixe.de/djabe-before/
*7: siehe: TotW: [16.01.2017-22.01.2017]: GENESIS – Where the sour turns to sweet
*8: siehe: https://www.trompeteo.de/zubehoer/trompetendaempfer/
*9: siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Slap-Technik
*10: siehe u. a.: https://www.progarchives.com/album.asp?id=4243
*11: https://djabe.hu/en/uzlet/djab…-hackett-carpet-crawlers/
*12: Liner Notes des Albums