- Artikel
- Lesezeit ca. 3 Minuten
Disney’s Tarzan – Das Musical in Hamburg – Showkritik eines Fachmanns
Am 18.10.2008 fand im Theater Neue Flora in Hamburg die Medienpremiere zum neuen Disney Musical Tarzan statt, zu dem Phil Collins die Musik schrieb. Musical-Fachmann Maik Frömmrich war mit uns vor Ort und berichtet aus der Sicht des Fachmanns.
Ein Musical, das ist für den Genesis-Fan oftmals Neuland und für alle, die vielleicht schon mal einen Bericht zu einem Genesis- oder Phil Collins-Konzert geschrieben haben, ebenso. Für Maik Frömmrich ist es das Tagesgeschäft. Derzeit arbeitet er als Regieassistent in einem Theater, zuvor schrieb er jahrelang für die Musicalzentrale Berichte und Kritiken. Und für uns beleuchtet er das Musical aus der Sicht des Kenners.
Nun ist es also soweit, die Musicalversion des Disneyfilms Tarzan will das deutsche Publikum erobern. Am Broadway war das Musical mit der Musik von Phil Collins ein Flop und musste nach nur 486 Vorstellungen schließen, in Holland ist es angeblich erfolgreicher als Disneys größter Musicalhit Der König der Löwen und in Deutschland scheinen die Sterne insgesamt auch nicht so schlecht zu stehen. Produzent Stage Entertainment wollte scheinbar auf Nummer sicher gehen und hat nach der holländischen Version, die mit flugakrobatischen Einlagen im Zuschauerraum aufgewertet wurde, noch einmal in die Trickkiste gegriffen und das Theater Neue Flora quasi in einen Dschungel verwandelt. Mitten drin statt nur dabei ist die Devise. Doch reichen flugakrobatische Einlagen über den Köpfen der Zuschauer für ein ganzes Musical?
Das Stück beginnt großartig und im wahrsten Sinne des Wortes mit einem Knall. Man weiß gar nicht wo man zuerst hinschauen soll und wird sofort hineingezogen in die artifizielle grüne Welt von Tarzan. Immer wieder fliegen Affen und andere Kreaturen über den Köpfen der Zuschauer oder bahnen sich ihren Weg durch die Gänge des Theaters. Doch während das Musical stark beginnt, verliert es im Laufe des Abends immer mehr an Fahrt und hat gerade im zweiten Akt ein paar Längen, die auch nicht von der guten Cast weggespielt werden können. Der ständige Einsatz des Flugwerkes nutzt sich im Laufe der Zeit ab und kann nicht über die Schwächen des Buches hinwegtäuschen. Insgesamt ist die visuelle Seite des Stückes allerdings sehr gut gelöst worden, was auch an dem Lichtdesign von Natasha Katz liegt, die für jede Szene stimmungsvolles Licht geschaffen hat.
Besetzungstechnisch hinterlassen drei Darsteller/innen einen nachhaltigen Eindruck: Als Kerchak ist Andreas Lichtenberger ein unglaublich präsenter und überzeugend spielender und singender Affenanführer, Jane-Darstellerin Elisabeth Hübert punktet mit starker Stimme und einem sehr guten Timing für Komik und bei Ana Milva Gomes als Affenmama Kala handelt es sich um den heimlichen Star des Musicals. Mit einer gänsehautträchtigen warmen Stimme und einem emotionalem berührendem Spiel stielt sie allen anderen die Show. Ihr Dir gehört mein Herz ist schlicht und einfach großartig.
Da hat es der Rest der Besetzung schon etwas schwieriger gegen anzuspielen. So singt Tarzan-Darsteller Anton Zetterholm, der genau wie Elisabeth Hübert in der TV-Show Ich Tarzan, du Jane! vom Publikum gewählt wurde, mit starker Stimme und trumpft mit akrobatischen Einlagen auf, doch bleibt er insgesamt eher blass und kann auch nicht mit seinem Solo Wer ich wirklich bin berühren. Als Tarzans bester Affenfreund singt und schwingt sich Rommel Singson energiegeladen durch das Theater, kann aber den Eindruck nicht vergessen machen, dass aus der Rolle viel mehr rauszuholen wäre. Die phonetischen Schwächen tragen sicher zu diesem Eindruck bei. Janes Vater wird von Japheth Myers mit einer typischen Brise britischen Humors gegeben. Man fragt sich nur unfreiwillig, warum man niemanden gefunden hat, der mehr dem Rollenalter entspricht. So wirkt er trotz grauer Perücke und angeklebten Bart ein wenig zu agil für den etwas kauzigen alten Wissenschaftler. Als stereotyper Disney-Bösewicht Clayton verpasst Rudi Reschke die Chance wirklich fies und eklig zu sein. Zu harmlos und belanglos gibt er die eh schlecht geschriebene Rolle.
Dem restlichen Ensemble gebührt großer Respekt. Solch akrobatische Leistungen hat man bisher kaum in einem Musical sehen können.
Tarzan ist ein kurzweiliges, unterhaltsames und familientaugliches Musical für die Masse, das sicher sein Publikum finden wird. Mit der Musik von Phil Collins, die mehr oder weniger bühnentauglich daher kommt, wird der Mann in Lendenshorts sicher eine Weile die Liane in Hamburg schwingen.
Fotos: © Stage Entertainment GmbH, Peter Schütz