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David Rhodes – Interview 2009
David Rhodes beantwortete uns einige Fragen zu seinem Album Bittersweet und zu anderen Soloprojekten.
it: In einem früheren Interview mit uns hast du erwähnt, dass du von deinem eigenen Songmaterial nicht sehr überzeugt bist und du deshalb bislang kein Soloalbum veröffentlicht hast. Was hat sich daran geändert?
David: Ich glaube, dass ich immer mehr Vertrauen in die Songs gewonnen habe, während sie sich allmählich zusammenfanden, und mir auch eher zutraue, sie darzubieten. Das frühere Interview ist schon eine Weile her, und vielleicht bin ich heute weniger eigen mit dem Material und mache mir möglicherweise auch weniger Gedanken darüber, wie die Songs ankommen und wahrgenommen werden. Bekommt man mit zunehmendem Alter eigentlich ein dickeres Fell?
it: Wie kommt es, dass die B&W Society Of Sound das Album veröffentlicht und wie haben sie dir geholfen?
David: Sie haben das Projekt bezahlt! Das Studio (Real World) hat Verbindungen zu B&W, sie liefern Material für die Society Of Sound. Es wurde vorgeschlagen, dass ich die Aufnahmen für sie mache. Sie haben eine große Bandbreite von Künstlern, die sehr unterschiedliche Aufnahmen für sie und ihre Mitglieder gemacht haben.it: Wie hast du die Leute ausgesucht, mit denen du auf Bittersweet gearbeitet hast?
David: Ged arbeitet, wie ihr ja wisst, für Peter Gabriel, und wir sind gute Freunde. Charlie Jones wohnt in Bath und hat mit Ged gearbeitet. Er spielt einen bedächtigen und schnörkellosen Bass. Dean Brodrick ist ein toller Keyboarder und ein alter Freund von Richard [Evans]. Ich habe mit ihm vor Jahren an einem anderen Projekt gearbeitet, und wir sind gut miteinander klargekommen. Er ist außerordentlich erfindungsreich und geht die Dinge von allen möglichen Seiten an – manchmal auch von allen gleichzeitig! Stephen Barber hat die Streicher arrangiert; er ist ein Musiker mit wundervollem Talent, mit dem ich vorher noch nie zu arbeiten geschafft hatte. Er hat mit dem Tosca-Quartett, einem Streichquartett aus Austin, eine Menge schöner Harmonie in die Stücke gebracht. Richard Evans hat das Album co-produziert, das ganze Schiff gelenkt und uns vor den Untiefen gerettet.
it: Hattest du noch andere Leute gefragt, ob sie auf dem Album spielen wollten, die dann aber am Ende nicht verfügbar waren?
David: Nein, sonst habe ich niemanden eingeladen.
it: Wie kam es, dass Peter Hammill den Hintergrundgesang auf dem Album übernommen hat? Auf welchen Stücken kann man ihn hören?
David: Es gab da so ein Gefühl, dass hier und da eine weitere Stimme nützlich sein könnte. Peter ist außerdem ein Freund, der hier in der Nähe wohnt, und da lag es nahe, ihn zu bitten. Er singt auf allen Stücken außer 1, 2 und 10, wenn ich mich nicht irre. Er hat oft nur eine oder zwei Zeilen pro Song, wirklich sehr zurückhaltend. Am auffälligsten ist er auf Monster Monster und There’s A Fine Line.
it: Wo wurde das Album eingespielt und wie lange hat das gedauert?
David: Der größte Teil wurde in den Real World-Studios eingespielt. Wir haben auf der Basis einer Reihe von Aufnahmen gearbeitet, die ich zuhause gemacht hatte, vier sehr arbeitsreiche Tage lang. Dann mussten wir noch ein paar Sachen bereinigen, aber nicht allzu viele. Ich habe es als eine Momentaufnahme des Materials beschrieben. In einer anderen Woche oder einer anderen Jahreszeit hätte es ganz anders werden können. Das war eine Phase, die Spass gemacht hat, aber auch viel Arbeit.
it: Ich habe noch einmal das Interview angehört, das wir 1995 mit dir gemacht haben. Damals hast du uns während des Interviews einige Demoaufnahmen vorgespielt. Offensichtlich gab es schon 1995 Versionen von Crazy Jane und Two People. Kannst du uns verraten, welche Stücke auf Bittersweet alt und welche neu sind?
David: Ich züchte jetzt kleinere aber geschmackvollere Kürbisse … Ich glaube, auch die Sachen, die alt waren, haben sich verändert und sind hoffentlich besser. Mit der Zeit haben sich verschiedene Fassungen von den Songs entwickelt, indem einiges herausflog und manchmal etwas hinzukam. Die neuesten Stücke sind Bittersweet und There’s A Fine Line. Ich habe mir deine merkwürdige Aufteilung von Einflüssen auf die Stücke angesehen: Monster Monster war ursprünglich ein Demo für einen Zeichentrickfilm namens Momo; das Stück habe ich geschrieben, bevor Peter Gabriel Darkness geschrieben hat.
it: Gibt es auf Bittersweet Stücke, deren erste Ideen noch weiter zurückgehen als bis zu den Demos aus den frühen 90ern?
David: Nein.
it: In meiner Besprechung des Albums habe ich versucht herauszufinden, woher die einzelnen Stücke vielleicht Einflüsse bezogen haben. Könntest du uns sagen, bei welchen Stücken oder ob überhaupt Einflüsse von außen gewirkt haben?
David: Ich bilde mir ein, dass ich mich nicht bewusst von irgendjemandem habe beeinflussen lassen. Aber das ästhetische Empfinden entwickelt sich ja über Jahre des Arbeitens, Spielens und Hörens hinweg; es gibt da jedoch einen festen Kern, der sich, glaube ich, nicht so einfach ändern lässt.
it: Wird Bittersweet auch auf CD erscheinen?
David: Das versuche ich gerade zu organisieren. Es ist aber nicht so einfach wie ich es mir vorgestellt hatte.
it: Dieses Album zu veröffentlichen hat 16 Jahre gedauert? Glaubst du, deine Fans werden weitere 16 Jahre warten müssen, bis ein Nachfolger zu Bittersweet erscheint?
David: Es scheint wirklich, dass sich bei mir alles langsamer entwickelt, nicht wahr? Ich hoffe, dass ich nicht so lange warten muss.
it: Seit einigen Jahren arbeitest du eng mit Richard Evans zusammen. Worin liegt der Unterschied, Musik für Fernsehdokumentationen aufzunehmen oder ein Album wie beispielsweise Bittersweet?
David: Wir arbeiten [bei den Fernsehdokus] als The Footnote. Wir arbeiten im Kollektiv und deshalb ist das wirklich etwas anderes. Bei einem Soundtrack haben der Regisseur und der Cutter spezielle Vorstellungen und Anforderungen, denen man gerecht werden muss. Dann muss man auch noch die Erzählung im Film musikalisch unterstützen. Da gibt es Notwendigkeiten und Bereiche, in denen man Kompromisse schließt. Wenn man an seinem eigenen Material arbeitet, ist es viel eher so, als ob man als Maler vor einer leeren Leinwand steht und überlegt, wo man den ersten Pinselstrich setzen soll – und wenn man dann den zweiten Strich macht, muss man den ersten wieder auf den Prüfstand stellen …
it: Es ist ja sehr schade, dass wirklich starke Musik von dir, zum Beispiel das Album Head, Hands And Feet oder deine Stücke auf Snowflake oder einige Sachen von Lucky And Zorba auf Englisch vergriffen sind oder ohnehin nie weltweit erschienen. Gibt es Aussicht, dass dieses Material veröffentlicht oder zum Herunterladen angeboten wird?
David: Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Vielleicht kann man dem älteren Material mehr Aufmerksamkeit widmen, wenn Bittersweet erstmal so richtig erschienen ist.
it: Wie kam es, dass du vor einigen Monaten wieder mit David Ferguson [mit David Rhodes Gründungsmitglied von Random Hold] gearbeitet hast? Was kannst du uns über die Wiederveröffentlichung des älteren Random Hold-Materials durch Voiceprint sagen oder über ein ganz neues Album der Band?
David: David ist vor einigen Jahren nach Bath gezogen, wir hatten daher schon eine ganze Weile Kontakt. Von den Veröffentlichungen weiß ich nichts. Ich meine mich zu erinnern, dass ich vor langer Zeit mal auf einem Album für ihn gespielt habe, und dieses Jahr habe ich für ihn und seinen Sohn Aufnahmen gemacht. Mit der Fertigstellung der Songs habe ich aber nichts zu tun. Daher weiß ich auch nicht, wie weit sie sind oder wann sie erscheinen werden.
it: Wer waren die anderen Musiker auf dem neuen Random Hold-Album – weitere Mitglieder der Originalbesetzung?
David: Die Rhythmusgruppe bestand aus Martyn Swain (aus dem zweiten Lineup von Random Hold), Ged und mir.
it: Welche Pläne hast du für die nächsten Monate und für 2010? Gibt es Pläne, mit Peter Gabriel zu arbeiten oder auf Tour zu gehen, oder wirst du dich anderen Dingen widmen?
David: Peter Gabriel stellt gerade seine Covers-Set fertig, mit dem ich aber nichts zu tun hatte. Ich weiß nicht, was er vorhat. Es gibt eine Reihe von Filmen für eine Serie von National Geographic, an der Richard und ich arbeiten und die in den nächsten Monaten fertig werden muss. Aufregender ist aber, dass ich hoffentlich ein paar Auftritte mit dem Material von Bittersweet machen werde. Das werden anfangs Soloauftritte sein. Im Sommer habe ich eine Testshow in einer Bar beim WOMAD-Festival gemacht … sehr interessant …
Interview: Helmut Janisch
Übersetzung: Martin Klinkhardt
Links:
David Rhodes – Bittersweet – Album-Rezension
David Rhodes – A Musical Retrospective