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David Myers – Interview 2013

Im Juli 2013 brachte David Myers seine Piano-Versionen von Genesis-Stücken auch auf europäische Bühnen. Peter Musto hat ihn für ein gut aufgelegtes Interview getroffen.

David Myers war bis 2010 Keyboarder bei The Musical Box, der kanadischen Tribute-Band, die detailgetreu die Konzerte der Band Genesiszwischen 1972 und 1976 rekonstruiert und live aufführt. Er veröffentlichte drei Albenmit Musik von Genesis, die er nur auf dem Piano interpretierte. Anlässlich seiner ersten Konzerte in Europa gab es im Juli 2013 die Gelegenheit zu einem Interview.

it: Wie hat dir denn deine erste Tour in Europa gefallen?

DM: Es war großartig! Es war in jeder Beziehung einfach, aber für einen ersten Besuch lief es sehr gut, und am wichtigsten: Wir können im nächsten Jahr darauf aufbauen. Wir planen für den Herbst 2014 mit sechs oder sieben Shows in Italien und hoffen, weitere Shows hinzufügen zu können, speziell in Deutschland.

it:Wie hast du Klavierspielen gelernt? Haben es dir deine Eltern beigebracht oder hattest Du Unterricht?

DM: Als ich sehr jung war, hatte ich einige private klassische Stunden und setzte die Übungen während meiner Schulzeit ab und zu fort. Ich hatte jedoch einen Spaß daran und lernte im Endeffekt nicht sehr viel. Wie bei vielen Dingen im Leben lernte ich sehr viel mehr, indem ich es einfach machte.

it: Ich kann mir nicht vorstellen, dass du nur durch Genesis On Piano überlebst.

DM: Wie kommst Du darauf? [lacht]

it: Was machst Du, um deinen Lebensunterhalt zu bestreiten?


DM:
Ich arbeite in einem Musiktheater in verschiedenen Bereichen. Bis vor kurzem spielte ich Keyboards und dirigierte einige Shows, aber jetzt sind meine Aktivitäten ziemlich eingeschränkt, denn ich arbeite in einer Musiktheater-Schule und als Begleitung bei Auditions, wenn Unternehmen Auditions für neue Produktionen benötigen. 1998 bin ich von Montreal nach Toronto gezogen, als die Zeit bei The Musical Box vorbei schien. Ich wollte Begleiter für Auditions in Vollzeitanstellung sein und Toronto war der richtige Ort dafür, aber die Wirtschaft schrumpfte seitdem. Im Augenblick arbeite ich innerhalb eines 2-Jahres-Plans, wobei ich einen Haufen kreativer Projekte umsetze, die ich schon seit Jahren machen wollte. Das erste Projekt ist Handmade, meine eigenen Solo-Piano-Kompositionen. Wenn ich diese ganzen Projekte hinter mir habe, schaue ich mich um, was ich noch machen kann; es wird bald Zeit für eine Veränderung. Ich denke darüber nach, Material für ein Musiktheater zu komponieren.

it: Was war das erste Stück von Genesis, das deine Aufmerksamkeit erregte?

DM: Follow You, Follow Me, das ich im Radio hörte als es rauskam. Ich kaufte mir And Then There Were Three und liebte es. Dann holte ich mir Selling England, von dem ich erwartete, es wäre wie ATTWT. Ich sehe mich immer noch im Wohnzimmer meiner Eltern sitzen und mich fragen, wofür ich mein Geld verschwendet hatte. Ich hörte The Battle Of Epping Forest und hasste jeden Moment davon! Doch ich entdeckte, das richtig großartige Musik – Kunst, die eine signifikante persönliche Investition verdient – es nicht beim ersten Hören schafft. Dies ging mir auch so mit dem Frühwerk von Vangelis, von dem ich erst dachte es sei Müll, das ich aber lieben lernte, nachdem ich darauf einließ. Das ist für mich auch eines der großen Probleme mit der heutigen Musik, die als digitale Daten verkauft wird. Es gibt keine physische Beschaffenheit, kein Objekt, keine Haptik – und das macht es noch schwieriger, eine Beziehung zur Kunst zu entwickeln. Du kannst einfach auf „Löschen“ drücken und das Album ist weg. Und sogar wenn es weg ist, kannst du eine weitere Kopie runterladen, wenn du deine Meinung geändert haben solltest. Meiner Meinung nach machen es diese Dinge sehr schwer, eine Beziehung zur Kunst (oder zu Künstlern) aufzubauen.

it: Hast du einen oder mehrere Lieblingssongs von Genesis?

DM: Meine Nr. 1 wäre One For The Vine. Es ist so voller Ideen und jede ist so schön; die Struktur ist so komplex und dennoch effektiv, und es ist auf Wind & Wuthering, das für mich am besten klingende Genesis-Album. Martin Levac, der Ex-Drummer von The Musical Box, und ich haben gelegentlich darüber gesprochen, eine ganze CD mit dem Ars Ephemera Projekt aufzunehmen, als Tribut zu Wind & Wuthering. Es wären Eigenkompositionen und mit Gesang. Wenn Du dir auf meiner Website The Other Gods, den bislang letzten Ars Ephemera-Trackanhörst und speziell den Schlussteil davon, dann ist das schon eine deutliche Verneigung gegenüber Wind & Wuthering. Wir wollen ein ganzes Album mit solchen Sachen machen.

it: Wie kamst Du zu The Musical Boxund warum bist Du nicht mehr dabei?

DM: Ich antwortete auf eine Anzeige in der Zeitung, die lautete ‚Genesis Tribute Band sucht einen Keyboarder‘. Mit meinem kleinen Roland U-20 Keyboard unter meinem Arm erschien ich, spielte das Intro von Firth Of Fifth sowie das Solo von Cinema Showund hatte den Job. Warum ich auf die Anzeige antwortete, weiß ich nicht; ich hatte mir geschworen, nie wieder in einer Rockband spielen… Ich bin kein Mitglied mehr, weil wir uns 2010 nicht einigen konnten, als der Vertrag neu auszuhandeln war. Es ging einfach ums Geld.

it: Wann kam dir zum ersten mal die Idee, die komplexe Musik von Genesis auf dem Klavier zu spielen? Gab es einen bestimmten Song, der die Idee auslöste?


DM:
Es gab keinen Song und keine Idee. Als ich im Sommer 2000 in England Urlaub machte, war ich zu Besuch im Haus einer Freundes. Während er das Abendessen zubereitete, saß ich am Klavier im Wohnzimmer und spielte alle Genesis-Melodien, die mir einfielen. Mein Freund war ein großer Genesis-Fan. Er kam ins Wohnzimmer und sagte: „Wir sollten dich dabei aufnehmen.“ Ich sagte: „OK“ und er startete seinen kleinen MiniDisk Recorder. Diese Aufnahme verbreitete sich im Internet und zwei Jahre später sprach mich mein Freund Alain Granger an, nachdem er die Aufnahmen gehört hatte. Er bedrängte mich, eine ordentliche CD aufzunehmen. Schließlich organisierte Alain 2005 einen Recording-Deal mit einer kleinen Firma in Montreal. Und der Rest ist, wie man sagt ….

it: Weißt Du, was Tony Banks oder Steve Hackett von deinen Interpretationen halten? Hast Du Feedback von den anderen Genesis-Leuten bekommen?

DM: 2007 hatte ich das Glück, einige Stunden in Einzelgesprächen mit Tony Banks auf The Farm verbringen zu dürfen und er war sehr unterstützend und machte Komplimente. Bei unserem Treffen spielte ich ihm ein bisschen von Cinema Show vor. Steve Hackett machte auch Komplimente. Ich weiß nicht, ob mich die anderen gehört haben.

it:Kennst du andere Interpretationen von Genesis‘ Musik und was denkst du über sie? Martin Levac’s Jazz, Troubleclef, die beiden norwegischen Pianisten Guddal und Matte, Tolga Kashif, Rewiring Genesis von Nick D’Virgilo etc.

DM: Die verschiedenen Interpretationen sind mir bekannt und es ist ein wundervolles Testament für Genesis. Wenn ich all die Coverversionen auf YouTube sehe, denke ich mir: „Ich hoffe, Tony Banks hat das alles gesehen!“ Es macht mich wirklich glücklich, zu denken, dass er eine Ahnung besitzt, wie viele Menschen er inspiriert hat.

it: Du scheinst die Musik von Genesis zwischen 1970 und 1980 zu bevorzugen. Sehe ich das richtig?

DM: Es hat mehr mit dem Zeitpunkt zu tun. Ich entdeckte sie 1978 und ging dann rückwärts. Das größte Geschenk von Genesis für mich ist, dass sie eine Gruppe waren, die meine Ohren öffneten, so dass ich alle möglichen Arten anderer Musik entdecken konnte. Kurz nachdem ich sie entdeckt hatte – und wegen ihnen – begann sich mein Geschmack zu verzweigen wie nie zuvor. So war ich nie wirklich in ihrer Musik ab 1980 drin, weil ich anfing neue Künstler zu entdecken. Tatsächlich mag ich eine Menge von ihrem Material nach 1980, aber meine Aufmerksamkeit und ich wanderten weiter.

it: Willst Du ein weiteres Genesis-On-Piano Album aufnehmen? Wenn ja, welche Songs wären dabei?

DM: Ich will kein weiteres GOP Album aufnehmen. Es gäbe nur ein oder zwei Songs, die ich noch nicht adaptiert habe und die gut funktionieren würden, also nicht genug für eine ganze CD. Ich hoffe, viele weitere GOP Konzerte spielen zu dürfen, aber was Aufnahmen angeht, will ich mich mehr auf Eigenkompositionen konzentrieren. Eine Ausnahme ist, dass ich ein paar Songs von Gentle Giant arrangieren will und hoffe, sie 2015 bei der GORGG Convention in Kanada präsentieren zu dürfen. Seit ein paar Jahren denke ich auch darüber nach, ein paar klassische Kompositionen von Steve Hackett zu arrangieren, aber ich habe so viele andere Projekte, bevor ich das angehen kann.

it: Erzähl mir von deinen anderen Projekten. Du hast deine eigenen Intros zu The Lamiaund Dancing With The Moonlit Knight geschrieben, hast ein Album mit Klaviermusik von Billy Joel aufgenommen und einige andere Dinge. Was können wir von dir in naher Zukunft erwarten?

DM: Nun, die Liste ist sehr lang. [lächelt]Zunächst will ich Genesis On Piano remastern, weil die CD-Auflage nahezu ausverkauft ist und ich würde es gerne für die nächste Auflage remastern. Ich habe mit den Vorbereitungen für die Aufnahmen der CD Handmade begonnen, das mein Notenbuch begleiten soll, was ich im letzten Monat veröffentlicht habe. Es wird eine Auswahl meiner Solo-Klavier-Kompositionen, die bis 1982 zurückgehen, als ich anfing zu schreiben. Die Stücke Before The Lamia und Before The Dance, die du erwähntest, sind sowohl im Notenbuch als auch später auf der CD. Die CD werde ich zuhause mit meinem wunderschönen Flügel aufnehmen. Das ist das erste Mal, das ich zuhause ein Piano aufnehme, was meiner Meinung nach eine hervorragende Erfahrung wird. Ich hatte immer Druck wegen der Kosten und der Studiozeit. Wenn das erledigt ist, organisiere ich die nächste Aufnahme von Ars Ephemera für das kommende Colossus Projekt The Decameron, Part 2. Dieses Projekt ist für Ende September geplant. Neben mir an den Keyboards sind auch Martin Levac (Drums) und Francois Gagnon (Guitars) dabei, beide ehemals von The Musical Box. Danach starte ich mit der CD von Instrumentalstücken, die ich 1995 geschrieben habe und die das kanadische Fernsehen sechs Jahre lang zeigte. Die bisherigen Aufnahmen sind veraltet und deshalb spiele ich sie neu ein und veröffentliche sie auf CD. Dies sind Stücke für eine komplette Band. Martin Levac hat bereits vor zwei Jahre alle seine Drum-Parts eingespielt. Nun muss ich alle anderen Instrumente hinzufügen. Ich denke, das Material ist interessant, weil man all die musikalischen Einflüsse aus meiner Kindheit heraushören kann, mehr noch als bei meinem Solo-Piano-Material. Es gibt noch viele weitere Projekte, die auf mich warten, aber das sind die für die unmittelbare Zukunft.

it: Ich kann es kaum erwarten, dich im nächsten Jahr in Europa zu sehen.

DM: Danke! Ich auch!

Interview, Transkription und Übersetzung von Peter Musto

Fotos: Michaela Ix
Links:
Webseite von David Myers (mit u.a. Bestellmöglichkeiten für die Alben).
Unsere Rezensionunter anderem von den Alben von David Myers.