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Dave Kerzner – Interview 2025 (The Lamb und andere Projekte)
Anfang 2025 kam es zu einem Interview mit Dave Kerzner. Andrew Head sprach mit ihm über sein The Lamb Tribute Album und andere Projekte.
Dave Kerzner ist nun schon eine ganze Weile Teil des Genesis-Kosmos. Er half bei den Vorbereitungen der Turn It On Again Tour 2006 und 2007 beim der Zusamenstellung des Tour-Equipments. Danach arbeitete er mit Simon Collins zusammen und war die treibende Kraft hinter Sound of Contact und dem Album Dimensionaut. Beide wirkten auch auf Steve Hacketts Album Genesis Revisited II mit. Kerzner hatte lange Zeit die Idee, ein Tribute-Album für The Lamb Lies Down On Broadway zusammenzustellen. Im März 2025 nutzten wir die Gelegenheit, dieses Projekt und seine anderen Projekte in einem Interview zu besprechen. Das Interview wurde von Andrew Head per Email geführt:
it: Wie groß war Dein Interesse an Musik, als du aufwuchst? Hast du schon früh angefangen, Keyboard zu spielen und was hat dein Interesse an Prog und insbesondere an Genesis geweckt?
Dave Kerzner: Mit sieben Jahren habe ich angefangen, Klavierunterricht zu nehmen. Aber als ich älter wurde, machte mich mein Nachbar, der Platten sammelte und eine unglaubliche Stereoanlage hatte, auf verschiedene Rockbands aufmerksam. Anfang der 80er Jahre sah ich ein Konzert von Kansas und das Video zu Turn It On Again, und mir wurde klar, dass ich Synthesizer spielen wollte. Ich fing an, die Zeitschrift Keyboard zu lesen und hörte mir alle Genesis-Alben vor Duke an. Ich war total begeistert. Sie waren und sind meine Lieblingsband.
it: Was waren deine Lieblingsalben und bevorzugst du eine bestimmte Ära oder magst du alle Epochen? Peter, Phil, Ray …
Dave: Ich mag wirklich alle Alben von Trespass bis Abacab. Die Alben nach Abacab haben einzelne Songs, die ich mag, aber sie haben für mich nicht den gleichen Reiz wie die Alben aus den 70ern und frühen 80ern. Ich mag die Phil-Ära genauso wie die Peter-Ära. Ich mag Calling All Stations nicht, aber ich finde Ray großartig, und in ihm steckte ein ungenutztes Potential, das man in seinem späteren Solomaterial hören kann. Außerdem ist er ein netter Typ. Wir haben über eine mögliche Zusammenarbeit gesprochen.
it: Was ist dein liebster „Genesis-Moment“ und hast du sie schon einmal live gesehen?
Dave: Ich habe Genesis seit der Mama-Tour auf jeder Tournee live gesehen. Natürlich hätte ich gerne die früheren Tourneen gesehen, aber da war ich noch zu jung. Ich habe die allerletzten Shows der Tour 2007 und der letzten Tour 2022 gesehen. Ich habe viele Lieblingsmomente mit Genesis, es kommt also darauf an, ob wir über einen musikalischen Moment oder ein persönliches Erlebnis sprechen. Wenn es ein Erlebnis ist, würde ich sagen, dass ich bei den Proben für die Tour 2007 dabei war und ein Foto mit der Band gemacht habe.
it: Wann hast du angefangen, deine eigene Musik zu schreiben und zu produzieren, und gab es einen Zeitpunkt, an dem du wusstest, dass dies das ist, was du in deinem Leben machen willst?
Dave: Als ich 14 Jahre alt war, kaufte ich mir einen hochwertigen 4-Spur-Recorder und schrieb während der High School Songs und nahm meine Band auf. Ich war Produzent und Keyboarder. Erst viel später übernahm ich die Rolle des Leadsängers und Frontmanns. Damals wusste ich gar nicht, dass ich das kann. Aber das Produzieren, Arrangieren und Songschreiben war schon immer etwas, das mich von Natur aus gereizt hat. Ich wusste schon damals, dass ich das im Leben machen wollte.
it: Wie ist Sonic Elements entstanden und wie hat es deine musikalische Karriere beeinflusst?
Dave: Sonic Elements ist im Wesentlichen die musikalische Seite meiner Firma Sonic Reality, die Sounds für Keyboard- und Softwarehersteller entwickelt. Ich habe Sonic Reality Mitte der 90er Jahre gegründet und Sounds für berühmte Künstler wie Madonna, Crowded House, Tom Waits, Smashing Pumpkins und andere sowie für große Firmen wie Roland, Yamaha, Steinberg, Apple, Propellerheads, Native Instruments und vor allem IK Multimedia gesampelt, mit denen ich 2002 eine Partnerschaft eingegangen bin. Nachdem ich legendäre Schlagzeuger wie Neil Peart von Rush, Jerry Marotta von Peter Gabriels Band und andere Musiker und Produzenten wie Alan Parsons, Hugh Padgham und Nick Davis gesampelt hatte, beschloss ich, ein Projekt und ein Label namens „Sonic Elements“ zu gründen.
it: Ich weiß, dass du ein eifriger Sammler von Vintage-Keyboards und -Geräten bist. Erzähle uns ein wenig über deine Sammlung und einige Lieblingsstücke?
Dave: Ein Teil meiner Arbeit als Sounddesigner ist das Sammeln und Samplen von Instrumenten. Nicht immer behalte ich sie für immer. Oft verkaufe oder tausche ich sie, um andere Instrumente zu bekommen, die ich eine Zeit lang besitze und sammle. Es gibt bestimmte Instrumente, die ich gerne in meiner Musik verwende und die ich behalte. Andere sind nur vorübergehend da. Dann gibt es die Keyboards, die ich von Tony Banks gekauft habe und die ich nicht nur als Instrumente liebe, sondern deren Geschichte mir auch viel bedeutet. Ich besitze Teile von Tony’s Lamb und Abacab Rig und sein Arp 2600, das er in den späten 70ern benutzt hat.
it: Hast du durch Sonic Elements einige der Leute kennengelernt, die auf deinen Alben zu hören sind?

Dave: Durch Sonic Reality und IK Multimedia habe ich viele Musiker kennen gelernt, die Tools herstellen, die Musiker gerne benutzen. Mit vielen von ihnen konnte ich im Rahmen des Musikprojekts Sonic Elements zum ersten Mal zusammenarbeiten. Meine erste Session mit Fernando Perdomo, der jetzt der Leadgitarrist meiner Soloband ist, war zum Beispiel eine Coverversion von Digital Man von Rush, die ich mit Billy Sherwood gemacht habe. Das ist noch nicht veröffentlicht, aber es wird zusammen mit einer Version von YYZ erscheinen, die ich mit Steve Hackett und Keith Emerson gemacht habe.
it: Was waren vor dem aktuellen Genesis-Projekt einige deiner anderen Solo- und Band-Inkarnationen?
Dave: Zu den Bands, in denen ich gespielt habe, gehören Kevin Gilberts Thud, Sound of Contact mit Simon Collins, Mantra Vega mit Heather Findlay, In Continuum, Arc of Life mit Mitgliedern von Yes und ich mache Soloalben unter meinem eigenen Namen. Ich habe Nebenprojekte wie Squids Out To Sea und verschiedene andere Sachen. Es ist immer etwas musikalisches im Gange und vieles davon ist noch nicht veröffentlicht.
it: Du hast dich stark dafür eingesetzt, dass Künstler einen fairen Deal mit Streaming-Diensten bekommen. Wohin wird sich die Branche deiner Meinung nach in Zukunft entwickeln und was würdest du gerne ändern?
Dave: Ich könnte viel dazu sagen und habe es auch getan. Ich würde mir wünschen, dass die internationale Gesetzgebung oder zumindest einige große Marktgebiete Regeln aufstellen, um den Raubzug zu verhindern, der stattgefunden hat, seit Spotify mit seinem unfairen Geschäftsmodell des Streamings und der Zahlung winziger Tantiemen diesen Trend ausgelöst hat und andere gefolgt sind. Sie haben die Musikindustrie in den Ruin getrieben, weil nur Künstler, die Millionen von Streams haben, Geld verdienen. Indie-Genres wie Prog schaffen es in der Regel nicht, das Budget eines Albums durch die gezahlten Tantiemen wieder einzuspielen.
Es scheint ihnen egal zu sein und sie haben kein Gewissen. Daniel Ek ist Milliarden wert, während seine Firma Spotify den Künstlern einen Hungerlohn zahlt. Das ist widerlich. Er und alle anderen sollten gesetzlich verpflichtet werden, fair zu bezahlen oder zumindest Geschäftspraktiken anzuwenden, die Künstler nicht ausbeuten. Das würde ich mir wünschen. Wird es dazu kommen? Wer weiß?
it: Glaubst du, dass KI einen Einfluss auf die Industrie der Zukunft haben wird und wenn ja, wie?
Dave: Wahrscheinlich. Ich bin kein Fan von KI-generierter Kunst oder Musik. Aber KI kann für kreative Werkzeuge nützlich sein, solange sie nicht die menschliche Kreativität ersetzt. Ich bin sehr besorgt, wenn sie auf unverantwortliche Weise eingesetzt wird oder in einer Weise, die die menschlichen Möglichkeiten einschränkt. Wir haben in der Science Fiction gesehen, was mit der KI alles passieren kann, und trotzdem rasen wir mit Volldampf darauf zu. Das beunruhigt mich.
it: Gibt es Künstler, mit denen du bisher noch nicht zusammengearbeitet haben und die du gerne kennenlernen würden?
Dave: Ja, natürlich! Aber ich muss nicht. Ich bin nicht gierig, denn ich habe schon mit einigen meiner Lieblingskünstler zusammengearbeitet. Ich würde gerne ein Album von Tony Banks oder David Gilmour mitproduzieren! Es gibt viele Dinge, die ich gerne machen würde, wenn ich die Gelegenheit dazu bekäme. Aber in der Zwischenzeit bin ich glücklich, wenn ich an meiner eigenen Musik arbeite. Das ist meine Lieblingsbeschäftigung, und dabei lasse ich mich von dem leiten, was mir in den Sinn kommt, und arbeite mit Leuten zusammen, die musikalisch und in anderer Hinsicht zu mir passen.
IT- A Celebration Of The Lamb Lies Down On Broadway
it: OK, nun zu deinem neuesten Projekt: Was ist die Genese dieses neuen Projekts und wie kam es dazu?
Dave: 2009 hat Nick D’Virgilio eine Hommage an The Lamb mit dem Projekt Rewiring Genesis veröffentlicht. Er sang die Lead Vocals, spielte Schlagzeug und unser gemeinsamer Freund Mark Hornsby war Co-Produzent und Toningenieur. Sie entschieden sich für ein Orchester statt der Synthesizer und Keyboards, die man von Genesis erwarten würde. Ich fand das großartig, aber ich sagte ihnen, dass ich mich fragte, wie es mit Keyboards klingen würde.
Ich dachte mir, dass es cool wäre, das, was die beiden gemacht haben, in eine Hommage zu verwandeln, die wie ein Filmsoundtrack klingt, indem ich das Orchester mit meinen Sonic Reality Orchestra Sounds aufpeppe – übrigens die gleichen Sounds, die Tony Banks für seine klassischen Alben verwendet. Also lizenzierte ich 2011 einige dieser Elemente wie Schlagzeug, Gesang und Orchester von Nick und Mark, um meine eigene Hommage zu kreieren, und das war die Geburtsstunde von „IT“!
it: Erzähl uns etwas über die Auswahl der Künstler, die daran mitwirkten, und wie ist dein Verhältnis zu ihnen?
Dave: Der Sänger des Albums ist Francis Dunnery von der Band It Bites. Er ist ein unglaublicher Sänger und Gitarrist, der Peter Gabriel und Genesis besser versteht als jeder andere, den ich je gehört habe. Wir sind auch gut befreundet. Ich bin mit fast jedem befreundet, der auf dem Album spielt. Nick D’Virgilio, Billy Sherwood, Fernando Perdomo, Martin Levac, Steve Rothery, Roger King, Ian Benanou, Matt Thomas, Dave Schulz, Stan Cotey, Dan Hancock, Lee Pomeroy… Das sind alles wirklich großartige Musiker, die zufällig auch coole, nette Leute sind, die ich gerne treffe, wenn ich die Gelegenheit dazu habe. Jeder von ihnen hat seinen eigenen Erfolg, aber sie teilen mit mir eine tiefe Liebe zu Genesis.
it: Wie seid ihr an das Projekt herangegangen? Wolltet ihr dem Album treu bleiben oder wolltet ihr ihm euren eigenen Stempel aufdrücken?
Dave: Beides. Meiner Meinung nach ist Genesis eine Band, die schwer zu covern ist. Es ist sehr einfach, etwas zu machen, das die Band verunstaltet oder ruiniert. Wenn man zum Beispiel bestimmte Genesis-Songs mit einem Styx-Vibrato im Stil von Dennis DeYoung singen würde, würde das nicht funktionieren, zumindest nicht für mich. Also wollte ich bestimmte Elemente sehr authentisch klingen lassen, so dass es fast wie eine Version von Genesis klingen würde, wenn ein oder zwei von uns in der Band gespielt hätten.
Ironischerweise hat Nick D’Virgilio bei Genesis auf Calling All Stations gespielt, und Francis Dunnery hat damals auch bei Genesis vorgesungen. Es ist also nicht schwer, sich vorzustellen, wie sie mit Genesis klingen würden, und dieses Album ist ein gutes Beispiel dafür, wie ich klingen würde, wenn ich Genesis co-produzieren würde, denn ich bin kreativ mit der gleichen Intensität und Tiefe herangegangen, wie ich es tun würde, wenn ich in dieser Rolle wäre. Aber ich musste dem Ganzen meinen eigenen Stempel aufdrücken, denn ich sehe wenig Sinn darin, zu versuchen, es genau zu kopieren. Es gibt bereits großartige Tribute-Bands, die das sehr gut machen, wie The Musical Box, Genetics in Argentina oder The Genesis Show und andere.
Wir sind keine Tribute-Band, die versucht, mit dem zu konkurrieren, was die schon machen. Wir haben zum Beispiel kein Slipperman-Outfit. Haha. Jeder von uns hat sich die Zeit genommen, seine eigene Musik zu machen, um dieser großartigen Band und diesem großartigen Album Tribut zu zollen. Um dem Ganzen etwas mehr als nur eine Kopie zu geben, habe ich es wie eine Broadway-Bühnenproduktion mit voller Band und Orchester neu interpretiert, oder wie eine symphonische Rock-Filmmusik für einen Film, der nie gedreht wurde.
it: Warst dir über das besondere Verhältnis der Fans zu Lamb bewusst und wie sie deine Interpretation aufnehmen würden?
Dave: Natürlich, ja. Aber da wir selbst pedantische Fans des Albums sind und auf bestimmte Dinge Wert legen, können wir diese Sichtweise nachvollziehen. Es gibt zum Beispiel Keyboardsounds, die ich garnicht nehmen würde. Während ich also bei den Keyboardsounds pedantisch bin, ist Francis pedantisch bei der Phrasierung des Gesangs.
Was ich an seiner Stimme mag, ist, dass er wie Peter Gabriel und Phil Collins klingt, aber auch wie er selbst. Er klingt nicht wie jemand, der versucht, Peter Gabriel zu imitieren, wie es eine Tribute-Band tun würde. Nein, wenn man die unglaublichen Alben kennt, die er mit It Bites gemacht hat, wie zum Beispiel Once Around The World, dann ist das einfach Francis Dunnery, der es so macht, wie er es machen würde, und er klingt von Anfang an wie Gabriel und Collins. Seine Stimme hat Merkmale von beiden, aber auch viel von seinem eigenen Charakter. Eigentlich bin ich überrascht, dass Genesis ihn und Nick D’Virgilio nicht zu Genesis geholt haben. Es hätte sehr ähnlich geklungen!
it: Was sind deine Lieblingsmomente auf dem Album (Original und deine Version)?
Dave: Ich liebe das ganze Originalalbum. Es ist brillant, so wie es ist. Solche klassischen Rockalben kann man per se nicht verbessern. Das Original ist in unseren Köpfen verankert und unantastbar großartig! Aber man kann die Songs, die Arrangements und die Produktion verbessern, wenn man stilvoll damit umgeht, und ich habe ein gutes Gefühl bei den Stellen, an denen wir uns Freiheiten genommen haben. Zum Beispiel endet die Originalversion von Chamber of 32 Doors mit dem Gesang „take me away“, und dann spielt Tony einen kleinen hohen Akkord auf dem Klavier, und das ist das Ende von Seite 2! Daran ist nichts auszusetzen, aber es ist wahrscheinlich das am wenigsten grandiose Ende eines Genesis-Songs, das sie je gemacht haben! Man denke nur an all die üppigen Outros von Songs wie Entangled und so vielen anderen.
Wenn ich also der Co-Produzent oder musikalische Leiter einer imaginären 50. Jubiläums-Reunion einer 5-Mann-Band wäre, die The Lamb mit einem Orchester spielt, von dem die Fans nur träumen können, würde ich das vorschlagen, was wir gemacht haben, nämlich ein Instrumentalstück, das nach „Take me away“ mit einem langen Fade voller Stimmung und Emotionen zurückkehrt. Das passt auch gut zum Text, wenn man darüber nachdenkt. Das ist vielleicht mein Lieblingsmoment auf dem Album, denn hier und an einigen anderen Stellen hört man mehr von meinem Genesis-beeinflussten Stil der nächsten Generation, den man auf Sound of Contact, In Continuum und meinen Soloalben hört.
Auch in unserer Version von The Waiting Room gibt es solche Momente. Aber sie kommen nur, wenn es passend ist. Niemals als Ersatz für etwas Entscheidendes im Original, wie eine Melodie oder einen Sound, den man erwartet. Auch nicht das Klimpern einer Pauke oder eines Roto-Toms oder einer Ride-Bell oder eines Mellotrons. Aber wenn eine Melodie großartig ist und man das Gefühl hat, man könnte sie wiederholen, dann mache ich das auch, wie zum Beispiel die Schlusslinie von The Light Dies Down On Broadway oder das Solo auf Riding The Scree, wo ich zwischen Synthesizer und Orchester hin und her wechsle. Ich liebe sowohl das Originalalbum als auch unser Album.
Die Momente, auf die ich am meisten stolz bin, sind die, in denen wir uns getraut haben, etwas zu verändern und es geschafft haben, ohne die Lieder zu verletzen. Was wir gemacht haben, zeigt meiner Meinung nach eine tiefe Liebe zu den Liedern und eine Wertschätzung für ihre melodischen Elemente und ihre Musikalität.

it: Wie herausfordernd waren die Aufnahmenfür dich?
Dave: Das Aufnehmen war nicht so schwierig wie das Arrangieren und Mischen. Aber es zu produzieren und alle Keyboards zu spielen, war ein bisschen überwältigend für mich. Irgendwann dachte ich: „Warum nur Gäste, die keine Keyboards spielen? Warum frage ich nicht ein paar meiner Freunde, die Keyboards spielen, ob sie mitmachen wollen, und es wäre etwas weniger Arbeit für mich?“ So kam es, dass ich Roger King, der mit Steve Hackett spielt, Ian Benamou, der mit The Musical Box spielt, Matt Thomas Overdrive, der mit The Genesis Show spielt, und Dave Schulz, der mit Bands wie Berlin gespielt hat, einlud, bei einigen Stücken die Keyboards zu übernehmen. Aber ich habe immer noch die meisten Keyboards auf dem Album eingespielt, und das war eine Menge Arbeit. Aber noch mehr Arbeit war es, die Band und das Orchester abzumischen.
it: Wo wurden die Aufnahmen gemacht und wart ihr alle zusammen oder habt ihr das Album aus der Ferne zusammengestellt?
Dave: Von Anfang an wurde alles „aus der Ferne“ aufgenommen. Aber die ursprünglichen Orchesterspuren entstanden oft in Gruppen.
it: Erzähle uns etwas über das Keyboard, das du für dieses Album benutzt hast. Und wie sind die heutigen Keyboards im Vergleich zu denen, die Tony 1974 zur Verfügung standen?
Dave: Ich benutzte eine Kombination aus meinen Samples aus dem SampleTank 4 Plug-in von IK Multimedia (einige habe ich bereits veröffentlicht, andere noch nicht), meinem Arp ProSoloiost und Tonys altem RMI, Mellotron und einigem mehr. Sowohl ich als auch die eingeladenen Pianisten wie Roger und Dave haben alle IK’s Pianoverse benutzt, was für realistische Pianosounds erstaunlich ist. Ich habe wahrscheinlich auch einige meiner anderen Keyboards benutzt. Wenn man 15 Jahre mit Unterbrechungen an einem Album arbeitet, ist es schwer, sich an alles zu erinnern. Ich liebe die Kombination von modernen Keyboards und Samplern mit den Original-Keyboards, die Tony 1974 hatte.
Dieses Album ist ein gutes Beispiel dafür, wie sie koexistieren können, sogar mit einem Orchester. Mit anderen Worten: Es gibt Momente, in denen ich Mellotron-Violinen mit echten Streichern mischen würde, oder einen Tron-Chor mit einem echten Chor, wie bei Silent Sorrow In Empty Boats. Das meine ich mit Verstärkung. Man hört den klassischen, schönen, durchdringenden Klang des Mellotrons, den wir alle am Original so lieben. Aber hier ist noch mehr hinzugekommen. Man hört diese wunderbaren Frauenstimmen darüber. Das war hauptsächlich Kat Bowser, die mit Mark und Nick gesungen hat. Aber sie haben nie das Mellotron benutzt.
Ich finde, dass die Kombination von beidem und Songs wie The Lamia, wo die Sirenen Frauen sind, dem Ganzen einen weiblichen Klang geben, den Genesis auf dem Original nie hatten. Ich tendiere dazu, weibliche Stimmen auf eine ähnliche Weise einzubauen, wie es Pink Floyd tun. Durga McBroom, die bei Pink Floyd gesungen hat, habe ich sogar in meiner Soloband. Wo ich es für richtig hielt, habe ich also echte Stimmen und symphonische Elemente mit diesen Vintage-Keyboards gemischt.
it: Wie sind die anderen Jungs auf dem Album an ihre Parts herangegangen? Haben sie sich wirklich mit dem Originalalbum beschäftigt oder haben sie es vorgezogen, ihren eigenen „Take“ darauf anzuwenden?
Dave: Wenn es mein Soloalbum wäre, hätten die Gäste viel mehr Freiraum gehabt, um kreativ zu sein. Es gab ein paar strenge Regeln und einen Rahmen, wie sie ihre Parts spielen sollten. Oft gab es auch „Platzhalterparts“. Bei diesen hatte jemand wie Roger King die Aufgabe, den aktuellen Klavierpart auf Anyway mit seiner Performance zu ersetzen. Da gibt es nicht viel Spielraum für Veränderungen. Als Dave Schulz auf Carpet Crawlers Klavier spielte, fragte er mich, ob ich mit einer Art Beatesy-Klavierintro einverstanden wäre. Ich hörte es mir an und sagte ihm, dass ich damit einverstanden wäre, wenn er und ich auch die ikonischen Arpeggio-Parts overdubben würden, weil sie einen so großen Teil der Stimmung des Songs ausmachen. Für mich repräsentieren die Arpeggios sozusagen die Vielfalt der Kriechtiere.
Ich hatte die Zügel in der Hand, wenn es darum ging, kreativ zu werden und etwas zu ändern, eben weil es ein Album ist, bei dem man leicht ein Sakrileg begehen könnte. Aber gerade als ich dachte, ich wäre fast zu pingelig, hörte Francis einen Song und sagte: „Nein, das kann der Gitarrist nicht spielen! Er muss diese Melodie respektieren, die Steve gemacht hat, und oh, ich werde es einfach machen, warte“, und ich bekam ein weiteres cooles Gitarrensolo von Francis, nur weil er ein Perfektionist ist. Dann machte er es auf eine Art und Weise, die nicht genau so war, wie Steve Hackett es spielte, aber es war so, wie es sein sollte, und so anders, wie es sein konnte, ohne dass der Zuhörer eine Augenbraue hochzog oder abgelenkt wurde.
it: Wie soll das Projekt veröffentlicht werden? Physische und digitale Medien?
Dave: Auf CD in zwei Versionen. Die Standardversion mit 2 CDs enthält 25 Titel. Im Vergleich zum Original haben wir einige hinzugefügt. Hauptsächlich orchestrale Intros und Coverversionen. Dann haben wir eine 3-CD-Version, die Outtakes mit anderen Sängern wie Nad Sylvan und Billy Sherwood und anderes Bonusmaterial enthält. Von beiden Versionen gibt es Download-Versionen und eine Hi Res Deluxe Edition mit 46 Tracks (6 mehr als die 3-CD-Version). Außerdem gibt es die Carpet Crawlers Single/EP mit einigen leicht veränderten Mixes/Arrangements. Diese ist nur als digitaler Download erhältlich, kann aber auch gestreamt werden, während das komplette Album nicht über Streaming-Dienste erhältlich ist. Wir brauchen Leute, die das Album kaufen, nachdem wir so viel Blut, Schweiß und Tränen reingesteckt haben.
it: Wie kann man die CD-Varianten bestellen?
Dave: Der beste Ort, um es zu bekommen, ist meine Bandcamp-Seite. Aber man wird es auch bei Justforkicks in Deutschland, Burning Shed in Großbritannien, Amazon, iTunes und anderen Shops bekommen können.
it: Gibt es Pläne, damit live aufzutreten?
Dave: Das ist nicht vorgesehen. Die Leute fragen warum, und die Antwort ist: Wir sind keine Tribute-Band. Diese Musik live mit einem Orchester so zu spielen, wie sie auf dem Album ist, würde eine Menge Zeit und Geld kosten. Wenn ich im Lotto gewinne oder ein reicher Genesis-Fan das sehen will, dann JA! Ansonsten nein. Aber wir werden einige der Songs hier und da spielen, wenn wir die Gelegenheit dazu haben, wie zum Beispiel auf der Cruise to the Edge, die bald losgeht.
it: Was sind eure Pläne für die Zukunft nach diesem Album? Andere Projekte?
Dave: Ob du es glaubst oder nicht, dies ist der erste Teil eines dreiteiligen Genesis-Tribute-Albums. Der nächste Teil wird Songs von anderen Genesis-Alben mit verschiedenen Sängern enthalten. Einige der gleichen Musiker werden wieder dabei sein, während andere, die nicht auf IT waren, hinzukommen. Außerdem arbeite ich an zwei Solo-Alben, einem weiteren In Continuum-Album und einem geheimen Projekt mit Yes-Mitgliedern. Ich bin sehr beschäftigt!
Interview: Andrew Head
Fotos: Erik Nielsen
IT – A Celebration Of The Lamb Lies Down On Broadway ist bei Bandcamp verfügbar und kann auch bei Justforkicks bestellt werden (ab 14.3. erhältlich) sowie bei amazonMP3 digital käuflich erworben werden.