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Daryl Stuermer Interview 2007 (Telefon)
Anfang April 2007 haben wir ein längeres Telefon-Interview mit Daryl Stuermer geführt. Gleich zwei Gründe gab es für das Gespräch: Daryl hat mit Go ein weiteres Soloalbum veröffentlicht (bei InsideOut) und außerdem stand das Live-Comeback der erfolgreichsten Genesis-Formation an. Christian Gerhardts sprach mit Daryl…
Er beschrieb sich einmal selbst als permanentes Genesis Teilzeit-Mitglied – eine Rolle, die er seit nunmehr fast 30 Jahren durchweg genossen hat. Daryl Stuermer hat auf allen Genesis Tourneen zwischen 1978 und 1992 Bass und Gitarre gespielt. Außerdem spielte er bei allen Phil Collins Solo-Tourneen Gitarre. 15 Jahre nach der We Can’t Dance Tour wird sich Daryl wieder Bass und Gitarre umhängen und im Rahmen der Genesis Turn It On Again-Tour auf den großen Bühnen weltweit spielen. Außerdem wird sein neues Solo-Album Go ab dem 20. April in den Läden stehen. Christian Gerhardts vom Deutschen Genesis Fanclub it sprach mit Daryl über sein Leben, Genesis und sein neues Album
Go [Kritik zum Album – hier klicken].
it: Bist du eher ein Jazz- oder ein Rockgitarrist?
Daryl: Ich glaube, ich bin eine Mischung aus beidem. Vielleicht ein Fusionsgitarrist, etwas Rock, etwas Jazz. Da liegen meine Wurzeln, ich habe mit Rock ’n Roll angefangen und bin dann mit Jazz in Berührung gekommen. Als ich anfing, professionell Musik zu machen, habe ich immer in Gruppen gespielt, die beides machten. Ich hatte eine Band namens The Sweetbottom, und jetzt gibt es sogar ein Album von der Reunion mit eben dieser Band. Die Band war auch eine Mischung; am Anfang haben wir Progrock a la King Crimson, Procul Harum und solchen Gruppen gemacht, und wurden dann eher eine Instrumentalband wie Chick Corea; also mehr oder weniger Jazzmusiker. Das ist mein musikalischer Hintergrund, eine Art Mischung aus beidem
it: Warum fällt dein neues Solo-Album Go mit der Genesis-Tour zusammen?
Daryl: Naja, ich hatte die Musik aufgenommen, also lag dieses Solo-Album fertig herum und wartete auf die Veröffentlichung. In mancher Hinsicht dürfte das ein Vorteil sein. Die bevorstehende Genesis-Tour sorgt auch dafür, dass mein Name häufiger genannt wird. Ich kann für das Album ja diesmal nicht auf Promo-Tour gehen, weil ich mit Genesis unterwegs bin. Aber es ist Musik, die nicht modisch ist. Ich höre sie mir an und sie ist nie wirklich in und nie wirklich out. Sie begleitet einen die ganze Zeit. Deshalb wird sie nie unmodisch, weil sie niemals in Mode ist. Sondern zeitlos. Vielleicht auch, weil sie sich nicht mit Songtexten abgibt. Ich höre mich gerade ein paar recht alte Alben aus den 70ern und 80ern an, die immer noch gut klingen, weil die Musik zeitlos ist. Ich glaube, nach der Genesis-Tour werde ich dann selbst auf Tour gehen und das Album live vorstellen. Hoffentlich kann ich meine Band dann auch nach Deutschland, Frankreich oder Italien bringen. InsideOutMusic, das Label, wird mir da sehr helfen, denn bei meinen beiden letzten Alben hatte ich keinen guten Vertrieb. Sie wurden nur im Internet verkauft und immer vor Ort, wenn wir irgendwo gespielt haben. Aber InsideOutMusic hat einen guten Vertrieb. Das wird sehr hilfreich sein, deshalb bin ich bei InsideOutMusic! Als wir mit ihnen gesprochen haben, gefiel ihnen das Album sehr. Ich glaube, sie haben mit der Veröffentlichung gewartet, denn das Album war schon so vor einem halben Jahr fertig. Ich glaube, sie haben bis jetzt gewartet, weil sie glauben, dass die Genesis-Tour dazu beiträgt, mein Profil und die Verkaufszahlen zu heben.
it: Wie bist du zu InsideOut gekommen?
Daryl: Mein Co-Produzent auf dem Album hat recherchiert. Wir suchten nach progressiveren Rock- und Jazz-Labels. Wir haben uns auch angeschaut, welche Künstler bei diesem Label sind. Und als ich dann sah, dass Steve Howe von Yes und Steve Hackett von Genesis bei diesem Label sind, fand ich, das sei das richtige, denn das ist natürlich ein Publikum, das mit dieser Art Musik vertraut ist. Ich stehe vielleicht weiter in der Jazzrock-Ecke als Steve Hackett oder Steve Howe, aber ich glaube, die Klientel ist offen für meine Musik. Also haben wir InsideOut per E-Mail angeschrieben und ihnen verschiedene Sachen geschickt, die ich gespielt habe, eine Sammlung härterer Musik. Die Stücke waren schon auf meinen vorigen Platten erschienen, auf denen war auch leichteres, zeitgenössischer Jazz, etwas weichere Gitarrensachen – aber das härtere Material war die Richtung, in die ich mich bei Go bewegen wollte, und dem Label hat es gefallen.
it: Was passiert mit den Alben, die du bislang veröffentlicht hast?
Daryl: Nun, da ist gerade eine CD erschienen bei dem kanadischen Label Unicorn. Wir haben diese Sammlung veröffentlicht, weil das Label einen relativ großen Vertrieb hat und sie eine Compilation mit meinen Stücken von früheren Alben veröffentlichen wollten. Das Album heißt Rewired – The Electric Collection. Die CD sagt also: Das ist die Richtung, in die ich jetzt gehen werde. Und dann hat InsideOut entschieden zu warten, bis die Sache mit Genesis läuft.
it: Wann hast du mit der Arbeit an Go angefangen? Hast du ältere Ideen aufgegriffen oder ist alles neu? Wie gehst du überhaupt an Musik heran?
Daryl: Auf Go sind drei Stücke, die ich in den 70ern und 80ern geschrieben habe, der Rest des Albums ist brandneu. Den einen Song habe ich 1974 geschrieben [lacht] und zwei andere 1980. Das sind die letzten drei Stücke auf dem Album. Ich habe sie neu arrangiert und an heutige Standards angepasst. Danach habe ich noch ein paar Sachen geschrieben, weil ich mehr in dieser Richtung machen wollte. Ende 2005 habe ich angefangen, die Stücke zu schreiben, ab Mitte 2006 haben wir sie dann aufgenommen, und jetzt erscheint das Album.
it: Wir hätten da ein paar Fragen zu einzelnen Stücken. Das eine Stück, Greenlight, hat einen Keyboardsound, der nach den 80er Jahren klingt. Ein anderes Stück, Dream In Blue, scheint stark von Toto beeinflusst zu sein. Haben dich die späten 80er inspiriert, wie die Bands damals geklungen haben?
Daryl: Das ist eher zufällig passiert; aber natürlich werde ich sehr beeinflusst von den Leuten, mit denen ich spiele, und von Musik, die mir gefällt. Und ich bin ein großer Fan von Toto. Ich bin auch ein großer Fan von Genesis. Selbst wenn ich nicht in der Band wäre, wäre ich ein Fan. Bei Dream In Blue höre ich ein bisschen Toto, aber auch ganz viel Tony Banks. Dem entkommt man einfach nicht [lacht]. Ich habe auch mit dem Jazzgeiger Jean-Luc Ponty gearbeitet. Seine Art zu spielen hat auf mein Gitarrenspiel abgefärbt; so ging das auch mit Tony Banks’ Keyboard. Sobald man anfängt, mit jemandem Musik zu machen, ist das der stärkste Einfluss, den man haben kann. Tony Banks hat diesen großen Keyboardsound, der gefällt mir total und ich mag die Art, wie er Musik arrangiert. Insofern ist Dream In Blue davon beeinflusst. Bei dem anderen Stück, Greenlight – das war wohl Absicht, ich bin [lacht] ein großer Fan von dem Klang, den die Keyboards in den 80ern hatten. Keine Ahnung warum, ich finde, das war eine spannende Zeit, als die Leute so richtig fasziniert wurden von den Keyboards. Ich mag den Klang von Orgeln und Klavier, aber es gibt auch ein paar großartige Synthesizerklänge, die ich in der heutigen Musik vermisse. Also gehe ich in diese Richtung. Es ist … wenn mir so was gefällt, auch Rick Wakeman von Yes, dann ist es eben so. Das ist ein Teil von mir geworden.
it: Das erste, was einem auffällt, wenn man sich dein Album anhört, ist die Geschwindigkeit, mit der du spielst. Ich habe dich 1992 zum ersten Mal mit Genesis gesehen und erinnere mich an das Solo in Firth Of Fifth, das du unglaublich schnell gespielt hast. Ich habe mal Gitarre gelernt, als ich noch jünger war. Jetzt bin ich zwar immer noch jung, spiele aber nicht mehr Gitarre…..
Daryl: Wie alt bist du denn?
it: Ich bin 30..
Daryl: Stimmt… das ist jung [lacht].
„Geschwindigkeit erzeugt Energie. Diese Idee zieht sich durch das gesamte Album“
it: Jedenfalls erinnerte mich dein schnelles Gitarrenspiel auf Go an das Solo in Firth Of Fifth. Würdest du das als dein Markenzeichen ansehen, dass du so schnell wie möglich spielst?
Daryl: Im Allgemeinen fangen Solos nicht schnell an. Aber viele Leute fragen mich danach. Wenn man spielt, klingt es längst nicht so schnell, wie es sich später anhört. Manchmal spiele ich etwas, höre es mir danach an und denke: Oh, das war aber schnell! Die meisten meiner Soli fangen aber, glaube ich, nicht ganz oben an. Ein Solo muss wachsen, das ist mein Stil. Es fängt langsam an und wird schneller gegen Ende. Vielleicht drehe ich auf diesem Album etwas schneller auf als sonst. Die früheren Alben zeigen wahrscheinlich nicht so viel Technik oder Geschwindigkeit wie das aktuelle. Ich wollte, dass das Album energiegeladener ist, und Energie ergibt sich – wenigstens für mich – manchmal auch aus der Geschwindigkeit. Aber ich denke nicht zwangsläufig so. Manchmal höre ich mir aber meine Sachen an und denke „Boah, das war ganz schön schnell“ [lacht]. Es ist wahrscheinlich mein konzentriertestes Album bisher. Geschwindigkeit erzeugt manchmal Energie und das funktioniert dann auch gut! Diese Idee zieht sich durch das gesamte Album.
it: Auf dem Album ist ein Stück namens Heavy Heart. Bei diesem Stück habe ich mich gefragt: Warum gibt es hier keinen Gesang? Du spielst die Gitarre so wie ein Sänger die Melodie singen würde. Warum hast du dich entschlossen, bei diesem Stück und auf dem ganzen Album keine Gesangspartie zu haben?
Daryl: Stimmt. Ja, da hast du ganz recht. Ich habe Phil Collins das Stück vorgespielt, und er sagte: Das wäre ein tolles Stück mit dem richtigen Text! Das wusste ich auch. Als ich es geschrieben habe, habe ich es ursprünglich als Stück mit Gesang gesehen. Aber ich habe mich dann entschlossen, keinen Gesang auf dem Album zu haben. Das sollte ein Daryl Stuermer-Album werden, und ich bin nun mal kein Sänger. Mir scheint, dass viele Leute das Stück mögen, weil es so melodisch ist. Die Melodie ist eher getragen und, wie du sagst, eine Gesangsmelodie. Aber ich finde das Stück gut, als würde man einen Stück covern, wobei dann die Gitarre den Gesangspart übernimmt. Das war eben Absicht. Ich glaube, irgendwann wird Phil einen Text zu dem Stück schreiben. Das hat er schon öfter getan. Ich habe ein paar Sachen mit ihm geschrieben, die ursprünglich Instrumentals waren. Auf seinem letzten Album Testifygibt es ein Stück namens The Least You Can Do. Das habe ich als Instrumental geschrieben und auf Retrofit, einem von meinen Alben, veröffentlicht. Phil mochte das Stück sehr gerne und schrieb Lyrics dafür. Das hat er schon öfter getan – I Don’t Wanna Know auf No Jacket Required war eigentlich auch ein Instrumental, das ich auf meinem Album Steppin’ Out veröffentlicht habe…
it….das ja für sein schönes Cover bekannt ist
Daryl:[lacht] Stimmt genau. Erschienen ist es 1987 oder ’88, also haben wir es zuerst auf seinem Album gebracht. Es war da noch ein wenig anders, ich habe die Gitarre noch nicht wie ein Sänger gespielt, aber was Heavy Heart auf meinem neuen Album angeht, stimme ich dir zu. Das Stück leidet keineswegs unter fehlendem Gesang, finde ich, und ich bekommt positive Rückmeldungen zu dem Stück, auch live. Wenn jemand dazu singen würde, wäre es nichtsdestoweniger auch toll.
it:Hast du Lust, auch mal ein Album mit Sänger aufzunehmen? Tony Banks macht das ja auch; er lädt andere Sänger ein, die dann seine Stücke singen.
Daryl: Ich würde nicht behaupten, dass ich das nie machen werden, aber sicherlich nicht jetzt. Mein nächstes Album wird eine Platte ohne Gesang werden. Ich bin zurzeit auf dieser instrumentalen Schiene, das ist gerade meine Richtung. Außerdem habe ich keinen Sänger bei der Hand [lacht], daran liegt’s also auch. Ich müsste dann auch mit jemandem zusammenarbeiten, weil ich eher ein Instrumentalist bin. Jedenfalls bin ich offen für die Idee, nur eben nicht jetzt.
it: Leland Sklar spielt auf deiner Platte – weil er in Phils Soloband zurückgekehrt ist oder hättest du ihn so oder so eingeladen?
Daryl: Von beidem etwas. Wir haben Freundschaft geschlossen, als wir 1984 No Jacket Required aufnahmen. Er hat auch auf zwei anderen Alben von mir mitgearbeitet, Steppin’ Out und Live And Learn. Wir haben also eine gemeinsame Geschichte. 2004/05 waren wir zusammen mit Phil auf der First Final Farewell Tour unterwegs. Da haben wir auch über mein neues Album gesprochen, und, wie du sagst, vielleicht spielt er auch deshalb mit. Ich erzählte ihm, dass ich ein neues Album aufnehme, und er sagte, „Wenn du möchtest – ich bin dabei“. Mein eigener Bassist spielt aber auch auf dem Album, also habe ich Leland gebeten, die Stücke zu spielen, von denen er glaubt, dass er sie am besten kann. Und meinen eigenen Bassisten, Eric Hervey, habe ich für die Stücke genommen, die er nach seiner Meinung am besten kann. Eric hätte auch das ganze Album spielen können, aber es ist schon ein Sahnehäubchen, wenn man Leland Sklar auf dem Album hat. Er ist ein guter Freund und ein fantastischer Bassist, mein Lieblingsbassist; also fand ich das eine gute Gelegenheit. Ich sprach mit Eric darüber und er fühlte sich geehrt, auf demselben Album wie Leland zu spielen.
it: Wie steht es mit den anderen Musikern neben Eric Hervey, John Colarco und Kostia. Hast du mit ihnen schon in Sweetbottom gespielt?
Daryl: Nein, sie sind neu, obwohl sie mit mir schon seit einigen Jahren spielen. Sie leben in meiner Heimatstadt Milwaukee, Wisconsin. Ich halte sie für die besten Musiker in der Gegend, darum habe ich sie genommen. Kostia kommt eigentlich aus Russland. Er ist vor zehn Jahren nach Milwaukee gekommen und sprach damals kein Wort Englisch. Er hat eine klassische Ausbildung. Als ich anfing, mit ihm zu spielen, merkte ich, dass er ein großartiger Keyboarder ist. Wir spielen auch noch ein paar andere Sachen als Duo, und überlegen auch, ob wir – nur wir zwei – ein Album einspielen sollen. Er ist also jemand, mit dem ich langfristig zusammenarbeiten möchte. Der Schlagzeuger ist ebenso toll. Manchmal wechsle ich zwischen ihm und einem anderen Schlagzeuger. Kommt immer auf das Stück an, aber er kann auch gut mit anderen Leuten arbeiten.
it: Wo wir über Milwaukee reden, als ich in Milwaukee war…
Daryl: Wirklich? Wann denn und warum?
it: Das war 2004, zum Phil Collins-Konzert.
Daryl: Ach so [lacht].
it: Das war aber mehr ein Bonus. Ich habe Freunde besucht, die in West Bend wohnen, was ja nahe bei Milwaukee liegt.
Daryl: Oh, West Bend kenne ich, Milwaukee ist ja eine sehr deutsche Stadt…
it: Es gibt ja sogar eine kleine Stadt namens Germantown dort….
Daryl: Stimmt genau! Meine Vorfahren sind ja Deutsche. Der Mädchenname meiner Mutter war Schulz, also habe ich Vorfahren, die Stuermer und Schulz heißen. Mein Großvater hieß Reinhardt; ich komme also aus einem sehr deutschen Milieu, aber Milwaukee hat eben auch eine lange deutsche Geschichte.
it: Das ist mir auch aufgefallen, als ich dort war. Meine Freunde erzählten mir, dass du in dieser Stadt sehr beliebt bist. Den Eindruck habe ich auch gewonnen, als ich die Daryl Stuermer-Party während der Phil Collins Show im Bradley Center sah. Man hat mir auch einen Club gezeigt, in dem du regelmäßig spielst. Siehst du dich eher als einen regionalen Musiker, der eine große Fanbasis daheim hat und eben ab und an mit Genesis und Phil Collins auf große Tournee geht, oder möchtest du mit deiner Band auch größere Tourneen bestreiten?
Daryl: Wir spielen ja auch ab und zu Konzerte außerhalb von Wisconsin, aber finanziell ist das schon schwierig. Mit einer Plattenfirma wie InsideOut Music im Rücken ergibt sich vielleicht Gelegenheit dazu. Wir haben ein paar Konzerte in anderen Bundesstaaten gespielt aber es ist schwierig, wenn man kein Plattenlabel hinter sich hat. Und jetzt hoffe ich, dass wir auch außerhalb der USA spielen können. Ehrlich gesagt glaube ich, dass wir in Europa besser ankommen dürften als hier. Das ist es also, was wir vorhaben. Ich möchte nicht immer nur hier in Milwaukee spielen. Es stimmt übrigens, dass ich gelegentlich in diesem Club hier spiele. Aber nicht so oft, weil ich mir das für besondere Anlässe aufhebe. Meistens passiert das, wenn ich ein neues Album habe. Dann spiele ich die Sachen zuerst hier und schaue mal, wie die Musik ankommt und wie die Leute reagieren. Nach der Genesis-Tour – ich weiß zwar nicht, was Phil Collins vorhat, aber ich werde mich dann erst mal nur darum kümmern, für Go und meine Liveband die Werbetrommel zu rühren.
„Ich hoffe, nach der Genesis Tour mit meiner Band nach Europa zu kommen“
it: Können wir also mit ein paar Liveauftritten in Europa rechnen…?
Daryl: Das hoffe ich doch, das möchte ich nämlich sehr gerne! Vor allem Deutschland ist ein großes Ziel für uns, weil Genesis da so populär ist. Wenn deren Name mit mir in Verbindung gebracht wird, ist das gut für mich.
it: Wirst du auf den Liveshows nur dein eigenes Material spielen oder auch Coverversionen von anderen Künstlern?
Daryl: Die einzigen Covers sind von Genesis. Also gibt es nur Eigenkompositionen plus ein paar Genesis-Stücke.
it: Aber du hast doch mal eine Platte mit Coverversionen von Billy Joel aufgenommen?
Daryl: Ja, das war aber etwas anderes, nur Klavier und Gitarre. Und es war so, dass mein Pianist Kostia das vertraglich machen musste. Dieses Label hat ihn gefragt, ob er eine Billy Joel-Platte machen kann. Aber davon werden wir nichts spielen.
it:Wenn wir von Genesis sprechen, die ja wohl den größten Einfluß auf dein Leben als Musiker hatten – ist mit ihnen zu spielen anders als mit anderen Musikern?
Daryl: Naja, sie sind die einzigen, mit denen ich mit überlegen würde, auf Tour zu gehen. Natürlich gibt es ein paar Musiker, bei denen ich sofort zusagen würden, wenn sie mich anriefen! Aber Genesis halten mich dieses Jahr beschäftigt. In den anderen Jahren hält mich Phil Collins auf Trab. Ich versuche, die beiden im Gleichgewicht zu halten. Aber wenn eine Gruppe wie Toto mich anriefe – nicht dass sie mich bräuchten … Steve Lukather braucht keine Hilfe – aber wenn sie mich bäten, mit ihnen zu spielen, würde ich es tun. Ich kenne Steve, wir mögen den Stil des jeweils anderen. Wenn die einen weiteren Gitarristen bräuchten, wäre ich dabei. Leland Sklar spielt ja jetzt bei ihnen! Wenn so jemand, vielleicht Sting, aber der hat mit Dominic Miller ja auch einen hervorragenden Gitarristen….
it: Du hast ja mit Dominic auf Phils …But Seriously gespielt
Daryl: Stimmt! Wenn mich Sting fragen würde, wäre ich dabei, weil mir sehr gefällt, was er macht. Das sind nur Beispiele, unwahrscheinliche dazu. Ich bin ja auch ausgelastet mit Genesis und Phil und meinen eigenen Sachen. Es ist ja auch eine Zeitfrage. Dass ich in Milwaukee lebe, lässt mir mehr Zeit beispielsweise für ein neues Album. Also werde ich nach der Genesistour und nach meiner Tour ein neues Album schreiben
it: Du bist vor fast 30 Jahren bei Genesis eingestiegen. Erinnerst du dich noch daran, welche Stücke du dafür vorspielen musstest? Oder war es ein freies Vorspiel?
Daryl: Nein, sie schickten mir eine Kassette mit vier Stücken, von denen ich mich an drei erinnere. Das waren Down And Out, Dance On A Volcano und ähm… hmmm [lacht] ich erinnere mich wohl doch nur an zwei. Achja, Squonk war das dritte Stück. Das vierte war Follow You Follow Me, glaube ich; da bin ich mir aber nicht sicher. Diese drei Stücke haben sie mir dann vorgespielt, vielleicht fällt mir deshalb das vierte nicht mehr ein. Für das Vorspielen war nur Mike Rutherford gekommen. Sie flogen mich nach New York ein, ich traf Mike und wir unterhielten uns eine Weile. Dann fingen wir an. Mike hatte einen Kassettenrecorder und Monitorlautsprecher. Er spielte das Stück durch diese Lautsprecher. Er saß dabei auf dem Boden mit einem Satz Pedale für die verschiedenen Effekte, die er und Mike benutzt hatten, und ich habe dann zu der Musik von der Kassette Gitarre gespielt. Mike hatte zwar auch eine Gitarre in der Hand, hat aber nicht gespielt. Also habe ich ein oder zwei Minuten von jedem Stück gespielt, dann stoppte er das Band und spulte zum nächsten Stück vor, bei dem es dann genauso lief. Als wir dann das dritte Stück spielten – an das vierte erinnere ich mich nicht, weil wir es nicht gespielt haben – da war seine Aussage nach dem dritten Stück wörtlich „Ich glaube, du bist der Richtige“ und ich dachte „wow“. Wir unterhielten uns noch ein wenig. Er sagte, er hätte noch vier weitere Gitarristen zum Vorspielen bestellt, und schlug vor, ich sollte ins Hotel zurückkehren. Er würde mich dann um 5 Uhr anrufen. Das war im Plaza Hotel in New York. Dann wollte er mich noch mal sehen und mir eine Liste von Stücken geben, die ich für die Proben lernen sollte. Um sechs Uhr rief er an – eine Stunde zu spät – und wir trafen uns. Ich fragte ihn also, weil ich ja wusste, dass es vier Mitbewerber gegeben hatte, warum ich im Vergleich zu den anderen der richtige gewesen sei? Und er sagte: „Weil du gut vorbereitet warst.“ Alle anderen hatten die Stücke nicht gelernt; einer vorn ihnen sagte, okay, fangen wir an mit Musik, die ich spielen soll. Ich meine, wenn man sich die Kassette anhört, ist das doch offensichtlich [lacht], die Musikrichtung ist Genesis, nicht Jazz und nicht Rock…. offenbar hatte ich die richtige Einstellung. Natürlich kann ich Gitarre spielen, aber das konnten die anderen auch. Wir kamen auch gut miteinander klar, Mike und ich, auch heute noch. Diese Sachen kamen alle zusammen. Sie sagten nie: „Du bist der weltbeste Gitarrist“, eher „Du bist der Richtige für den Job.“.
it: In einem Interview von 1978 hat Phil mal gesagt, dass du vielleicht ein Projekt mit Phil, Alphonso Johnson und Rod Argent machen würdest. War das nur eine Schnapsidee oder gab es da echte Pläne?
Daryl: Ich erinnere mich daran. Aber abgesehen davon ist nichts passiert. Ich weiß noch, dass Phil davon sprach, aber ich weiß darüber genauso viel wie du [lacht]. Mehr ist da nicht passiert, wir haben nichts in der Richtung getan.
Über das Spielen alter Soli: „Bestimmte Phrasen, die Steve spielte, müssen einfach da sein“
it: Wie viel Freiheit haben die Jungs dir bei deinen Solos gegeben? Unter Fans gibt es immer diese Debatten. Dein Firth Of Fifth-Solo von 1992 ist viel eher dein eigenes Solo als das Solo, das Steve Hackett zu spielen pflegte. Wie viel Freiheit hattest du bei der Ausgestaltung der Solos?
Daryl: Bei einem solchen Solo gehe ich hinein und hinaus, wie Steve gespielt hat und schaue mal, was ich spielen kann. Es gibt da gewisse Phrasen, die Steve gespielt hat und die auch einfach da sein müssen. Sehr starke Passagen, wie Markenzeichen oder Melodien. Also, die müssen einfach dabei sein, sonst wäre es einfach nicht richtig. Ich will nicht improvisieren und jeden Abend ein anderes merkwürdiges Solo spielen. Das könnte man tun, aber es würde dem Stück nicht gerecht. Was Steve da gespielt hat, gefällt mir sehr, aber zwischen diesen Phrasen mache ich etwas anderes. Manchmal mag man auch einfach das am liebsten, was man zuerst gehört hat. Vielleicht hört jemand das Solo von ’92 und danach das alte Solo und mag das erste lieber. Es geht also nicht darum, ob meins besser ist als seins oder seins besser als meins. Ich habe viel von dem übernommen, was er gespielt hat, weil ich sie definitiv bringen wollte, weil sie charakteristisch für dieses Stück sind. Aber die Jungs haben nie gesagt, ich müsse es wie Steve spielen, und auch nicht, dass ich mein eigenes Ding spielen sollte. Sie sagten einfach: Hier ist der Solo-Teil. Also spielte ich viel von Steves Ideen und habe eigene Sachen hinzugefügt. Ich glaube, sie haben mir vertraut, dass ich das richtig mache. Sie haben gemerkt, dass ich dafür sorge, dass das Stück funktioniert.
it: Es ist ja bekannt, dass ihr 2006 schon ein wenig für die bevorstehende Genesis-Tour geprobt habt. Aber wann hast du zuerst erfahren, dass etwas im Busch ist?
Daryl: Tony, Mike, Phil und Peter und, ich glaube, auch Steve Hackett, haben sich getroffen. Wir waren mit Phil auf Tour und damals gerade in Glasgow in Schottland. Ich hatte vergessen, dass sie da sein würden. Wir saßen in der Hotellobby und plötzlich kamen Tony und Mike aus dem Fahrstuhl. Wir unterhielten uns eine Weile, aber nicht über die Tour, nur über Familiensachen und so. Am nächsten Tag kam Tony Smith zu mir und sagte: Mike, Tony und Phil wollen mit dir und Chester Thompson auf Tour gehen. Ich habe mich sehr gefreut. Ich sagte ihm, dass ich dachte, sie würden mit Peter Gabriel und Steve Hackett touren. Tony sagte, dass das auch noch passieren könnte, aber da sei noch nichts entschieden, sondern sie wollten mit mir und Chester auf Tour gehen. Es könnte also eine Tour mit Peter und Steve geben, aber da ist nichts entschieden. Ich wusste also schon 2005, dass etwas passieren würde, aber wir wussten nicht, wann, und ich war glücklich [lacht]. Das ist nicht nur eine Bandreunion, das ist ein Familientreffen. Und es erstaunt mich zu sehen, dass es fünfzehn Jahre her ist, dass wir zuletzt miteinander auf Tour waren. Es kommt mir gar nicht so vor.
it: Wer war denn die treibende Kraft dabei?
Daryl: Das weiß ich nicht. Ich glaube, es hat ihnen einfach gefehlt. Letztendlich dürfte Phil die Entscheidung getroffen haben; Tony und Mike wollten es wohl schon die ganze Zeit, glaube ich. Aber Phil musste erst zustimmen, weil er mit seiner Karriere so beschäftigt war. Vielleicht hat er das Gefühl gehabt, dass er jetzt Zeit für Genesis hat, wo er nicht mehr auf großer Tour mit seiner Soloband ist.
it: Ihr habt euch also im Oktober 2006 zum Proben getroffen. War es einfach, die Stücke auf die Reihe zu bekommen, oder gab es Schwierigkeiten?
Daryl: Das hing vom einzelnen Stück ab. Wir haben mit einfacheren Sachen angefangen und haben uns dann zu komplizierteren Stücken vorgearbeitet, Stücke á la Firth Of Fifth, den zweiten Teil von Home By The Sea, so was. Viel von dem, was wir damals geprobt haben, werden wir spielen – oder auch nicht. Vieles haben wir nur geprobt, um zu schauen, wie es sich anfühlt. Was wirklich in die Setlist kommt, weiß ich nicht, bis wir beim Proben sind. Ich fahre in drei Wochen los; dann wird sich herausstellen, welche Stücke wir spielen werden. Andererseits hat mir Tony gerade eine E-Mail geschickt mit weiteren Sachen, die ich mir anschauen und anhören soll; Sachen, die sie eventuell in die Show einbinden wollen, die wir noch nie zuvor gespielt haben. Manches wird sich jetzt noch ändern. Wir haben jetzt vielleicht eine Liste im Kopf, was wir machen werden, aber das ändert sich in den Proben. Also, wenn wir alles spielen würden, was uns gefällt, würde das sechs Stunden dauern [lacht]. Das wäre eine 6-Stunden-Show, aber wir müssen es eindampfen auf, keine Ahnung, vielleicht zweieinhalb Stunden. Aber egal, wie wir entscheiden, wir können es nicht allen recht machen. Wenn wir das eine Stück spielen, das dem einen gefällt, bedeutet das, dass wir das andere Stück streichen müssen, das dem anderen gefällt. Wir werden versuchen, einen Querschnitt durch die ganz alten Sachen zu bieten, auf denen Peter gesungen hat, und auch durch die neuen Sachen.
„Spielen wir die alten Songs? Hey, die sind alle alt!“
it: Wird die Setliste denn von der von ’92 abweichen? Wird es eher eine Setliste nach dem Motto „Die Geschichte von Genesis“?
Daryl: Wir werden definitiv Stücke spielen, die wir ’92 nicht gespielt haben. Die Stücke, die Tony mir zum Anhören geschickt hat, sind Sachen, die ’92 nicht dabei waren. Aber wenn mich jemand fragt, ob wir alte Sachen spielen, sage ich „Die Sachen sind doch alle alt“ [lacht]. Ich meine, das war 1992 – ganz schön lange her. Aber natürlich verstehe ich, dass die Sachen gemeint sind, auf denen Peter Gabriel gesungen hat. Ja, das werden wir auch spielen, aber wir werden uns mehr an die Sachen halten, die Phil gesungen hat. Trotzdem werden wir auch Sachen bringen wie In The Cage, wenn Phil Stücke aus der Gabriel-Ära singt. Das wird immer dabei sein.
it: Es scheint, als dürftest du nicht wirklich über konkrete Stücke sprechen, die ihr geprobt habt oder proben werdet?
Daryl: Nein. Das sollte ich auch nicht tun. Und selbst wenn ich es täte, kann es passieren, dass wir das Stück nicht spielen. Ich könnte einige Titel nennen, aber die müssen erst mal die Proben überstehen. Dann entscheiden wir, welches Stück besser ist, besser zur Show passt und so weiter. Deshalb spreche ich nicht darüber. Einige Stücke werden sicherlich immer dabei sein. Aber auch einige Überraschungen.
it: Gibt es Probleme mit den Stücken wegen Phils Stimme?
Daryl: Wenn es ein Problem gibt, dann meistens deswegen, weil das Stück zu hoch ist. Stimmen werden mit der Zeit tiefer. Wenn das also passiert, dann ändern wir einfach die Tonart. Wenn es in E geschrieben ist, spielen wir es jetzt in D. Wir machen das nicht nur, weil er das nicht mehr singen kann. Die Show ist vielleicht zweieinhalb Stunden lang. Wenn man mehrere Abende spielt, dann muß man die Stimme pflegen. Also ist es besser, man nimmt das Stück und spielt es von vornherein tiefer, dann gibt es kein Problem damit.
it: Die Tour von 1992 hatte eine sehr statische Setliste. Wenn man auf drei Konzerten war, hatte man dieselbe Setliste drei Mal gesehen. Wird die neue Show etwas dynamischer, vielleicht mit mehr Abwechslung bei der Auswahl der Stücke jeden Abend?
Daryl: Das kann ich ehrlich nicht beantworten. Das weiß man nicht, bis wir proben. Sie haben das ab und zu mal probiert; wir haben das früher ab und zu gemacht, aber 1992 nicht, glaube ich. Das kann ich aber kaum beantworten, weil ich es einfach nicht weiß.
it: Auf einem der Fotos von den Proben sieht man Percussion, die zwischen den Schlagzeugen von Phil und Chester aufgebaut ist. Wer wird das spielen?
Daryl: Auf manchen Stücken spielt Phil Schlagzeug und Chester Percussion. Darum steht es dort.
„Mike wird eine neue Double-Neck Gitarre auf der Tour spielen“
it: Werden wir ein zwölfsaitige Gitarre oder eine Gitarre mit Doppelhals auf der Bühne sehen?
Daryl: Ja, Mike wird Doppelhalsgitarre spielen, mit Bass am einen Hals. Der andere Hals wird sechs- oder zwölfsaitig sein, das wird austauschbar sein. Er kann die eine Gitarre von dem Hals entfernen und die andere einbauen.
it: Also ist es eine neue Gitarre, nicht die alte Doppelhalsgitarre?
Daryl: Nein, eine neue, nicht die alte, die Mike früher gespielt hat. Ich glaube, es wird eine Mischung aus einem Yamaha Bass und – ich glaube – einer sechssaitigen Stratocaster und einer zwölfsaitigen Rickenbacker sein. Ich bin mir da nicht sicher. Gesehen habe ich sie auch noch nicht, er hat mir nur davon erzählt. Er hat sie von jemandem für sich bauen lassen.
it: Du gehst jetzt mit Genesis auf Tour. In Europa spielt die Band nur in Stadien. Der Höhepunkt dürfte in Rom sein, wo 400.000 Leute erwartet werden. In Nordamerika spielt ihr dann in Stadien und großen Arenen. Magst du diese großen Shows oder würdest du lieber in Theatern spielen?
Daryl: Stadionkonzerte sind in Ordnung, aber im Allgemeinen ziehe ich die Intimität eines Theaters vor. Diese Fokussierung und Atmosphäre sind unschlagbar. Aber Genesis sind so eine große Nummer, die können das nur im Stadion machen – und sie haben das auch wirklich möglich gemacht, wisst ihr? Es wird große Videoleinwände geben und jede Menge Kameraleute und eine große Anlage. Wir werden uns bemühen, es so intim wie möglich zu machen. Aber wir können nicht in Theatern spielen; da müssten wir zwei Wochen in Düsseldorf spielen und dann nach Köln weiterziehen. In jeder Stadt müssten wir so lange spielen, dass es die Band wahrscheinlich finanziell ruinieren würde [lacht].
it: Vielleicht ist der Gitarrist zu teuer?
Daryl: Das wird’s sein, genau! [lacht laut]
it: Spielst du lieber Steves Gitarrenparts oder Mikes Bassparts?
Daryl: Das kann man nicht beantworten. Stattdessen müsstest du eher fragen, ob ich lieber Bass oder lieber Gitarre spiele. In dieser Kategorie zu denken fällt mir schwer, weil ich gerne mit Genesis spiele – egal, was ich spiele. Ich bin natürlich eher ein Gitarrist. Manchmal spiele ich die Gitarrenteile, die Mike auch auf der Platte spielt. Natürlich spiele ich gerne Firth Of Fifth, das ist eins der Solos, die ich am liebsten spiele. Aber die Frage ist kaum zu beantworten. Als sollte man sagen, welches seiner Kinder man lieber hat. Die Frage ist natürlich berechtigt, aber schwierig zu beantworten. Stücke wie Domino oder Home By The Sea zum Beispiel haben ein paar unglaubliche Basspartien, die machen richtig Spaß und fordern mich dabei auch sehr. An der Gitarre sind es außer Firth Of Fifth noch Dance On A Volcano oder Los Endos. Solche Stücke zu spielen macht Laune. Ich sehe den Bass als mein zweites Instrument, ich spiele ihn schon so lange. Auf allen Soloalben mit Ausnahme des neuen spiele ich viel Bass.
it: Letztendlich ist ein Bass auch nur eine fünfsaitige Gitarre
Daryl: [lacht] Stimmt. Wobei – mein Bass ist eine viersaitige Gitarre.
it: Habt ihr auch überlegt, ob ihr irgendwas von Calling All Stations spielt? Wie findest du das Album?
Daryl: VonCalling All Stations werden wir nichts spielen. Wir haben so schon so viel Musik, die wir spielen könnten, und Phil hatte ja mit Calling All Stations gar nichts zu tun. Sie haben nie davon gesprochen, dass von diesem Album etwas gespielt wird. Ich für meinen Teil fand das Album gut. Aber es ist natürlich schwierig, jemanden wie Phil Collins zu ersetzen. Man ersetzt ja nicht nur einen Sänger, sondern auch einen Schlagzeuger – einen der besten, die es gibt -, einen Songschreiber und Produzenten, das sind dann schon vier Leute. Für mich war es daher weniger ein Genesis-Album als eine Veröffentlichung von Mike Rutherford & Tony Banks. Genesis, wie ich sie kenne, sind Mike, Tony und Phil. Das war die starke Formation. Wenn man Phil aus dieser Gleichung herausnimmt, entfernt man vier Rollen. Das Album ist gut, aber ich würde es nicht so sehr als Genesis-Album bezeichnen.
it: Wenn sich die drei entschlössen, ein neues Album aufzunehmen, und dich und vielleicht auch Chester dabeizuhaben, würdest du mitmachen?
Daryl: Ich glaube nicht [lacht laut] – natürlich würde ich! Warum sollte ich das nicht wollen?
it: Du hast immer gesagt, du seist ein permanentes Teilzeit-Mitglied…
Daryl: Ha, stimmt! [lacht] Und seit wie vielen Jahren bin ich schon ein permanentes Teilzeit-Mitglied?
it: fast 30…
Daryl: Ohja, stimmt… Ich habe nie wirklich erwartet, Bandmitglied zu werden, weil sie wussten, dass es mit fünf Leuten in der Band viel komplizierter ist. Als Peter ging, waren sie zu vier, dann ging Steve, und sie waren zu dritt, und das Trio scheint wohl am unkompliziertesten zu sein [lacht]. Ich glaube nicht, dass sie wieder einen vierten oder sogar fünften Songschreiber haben wollen. Sie fühlen sich wohl so, wie es ist, und sie würden sich sicherlich tolle Musik einfallen lassen. Als Phil anfing, auch Stücke zu schreiben, hat sich die Band offensichtlich verändert. Manche Leute finden, die Band hätte sich dann zu sehr am Pop orientiert. Das glaube ich eigentlich nicht. Die Musik wurde leichter zugänglich. Er hat ihre Musik einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt, als Produzent und als Songschreiber. Einige alte Fans mochten das nicht, aber er brauchte auch ein wenig Zeit, um sich in seine Rolle als Ersatz für Peter zu finden. Damals fragten sich die Leute ja: Wie ersetzt man Peter Gabriel? Aber der Unterschied zwischen Ray Wilson, der für Phil einsteigt, und Phil, der für Peter kommt, war natürlich der, dass Phil schon in der Band war. Ray kam von außen. Vielleicht war das der Grund, warum es nicht so lief, wie sie sich das wünschten. Ray ist auch ein sehr begabter Songschreiber, er hat ein paar tolle Solonummern.
it: Kennst du Ray Wilson?
Daryl: Ray? Ich habe ihn, glaube ich, zweimal getroffen und ein Taxi mit ihm geteilt [lacht], irgendwann in London. Ich weiß nicht mehr, wo wir waren, irgendeine Preisverleihung oder so. Er war dort, Hugh Padgham, der Toningenieur und wir haben uns ein Taxi geteilt. Das war das erste Mal, dass ich mich richtig mit Ray unterhalten habe. Er ist ein sehr netter Kerl. Schade, dass es mit Genesis nicht geklappt hat, aber das kann vorkommen. Es kann nicht immer klappen, nicht wahr?
„Am liebsten habe ich ‚Eleventh Earl Of Mar‘ live gespielt“
it: Wenn du jetzt zurückblickst, welche Tour hat dir am besten gefallen, und welches Stück hast du am liebsten gespielt?
Daryl: Meine Lieblingstour, würde ich sagen [holt tief Luft] … oje… so wie es sich angefühlt hat… Entweder die Invisible Touch Tour oder die erste 1978, die war unglaublich spannend, weil mir das ja alles vollkommen neu war. Das war meine Lieblingstour, würde ich sagen, aber ich war ja länger mit ihnen unterwegs und da fällt mir dann noch eine weitere Tour ein, die Invisible Touch Tour eben. Lieblingsstücke… am liebsten habe ich 1978 den Eleventh Earl Of Mar gespielt. Das war das erste Stück im Set und so eine starke Nummer. Die Atmosphäre war unglaublich. Eine fantastische Tour. Aber weißt du, mir hat jede Tour mit ihnen gefallen [lacht]. Wieder so eine Frage wie: Welches Kind hast du mehr lieb?
it: Ich weiß, dass ihr Musiker solche Fragen nicht leiden könnt, aber wir fragen trotzdem….
Daryl :Ich hasse solche Fragen nicht; ich weiß und verstehe, warum die Leute fragen, aber die Antwort ist so schwierig. Es gab in jeder Tour ein paar Sachen, die etwas ganz besonderes waren. Beispielsweise hat es mir sehr gefallen, als wir die komplette Duke-Suite gespielt haben; aber ich habe keine Ahnung mehr, auf welcher Tour das war.
it: Hast du die neuen 5.1-Mixe gehört?
Daryl: Ich wusste gar nicht, dass es so etwas gibt. Vielleicht werde ich sie mir mal anhören.
„Mein Lieblings-Song von Genesis ist Blood On The Rooftops“
it: Noch eine typische Fanfrage – welches sind dein Lieblingsalbum und –stück von Genesis?
Daryl: Mein Lieblingsalbum ist ganz klar Wind And Wuthering. Mein Lieblingsstück ist Blood On The Rooftops. Das ganze Album ist großartig, aber dieser Song sticht wirklich hervor. Und es ist seltsam, weil es ein Stück von Steve und Phil ist ….
it:J a, das einzige Genesis-Stück, das Hackett und Collins gemeinsam geschrieben haben…
Daryl: Stimmt. Ein herrliches Stück, und Steve hat mit dieser wunderschönen Einleitung etwas ganz Besonderes geschaffen. Mein zweites Lieblingsalbum ist A Trick Of The Tail. Könnte auch daran liegen, dass das die ersten Genesis-Alben waren, die ich überhaupt gehört habe. Als ich mit Jean-Luc Ponty gearbeitet habe, gab er mir eine Kassette mit den beiden Alben. Er sagte: Hör dir diese Band mal an, die sind hervorragend. Als ich mir die Kassette angehört habe, hat das mein Leben verändert. Ich dachte: Das ist eine tolle Band, warum hab ich von denen noch nichts gehört? Und Phil sang da schon, das waren ja seine beiden ersten Alben als Sänger. Das war meine erste Bekanntschaft mit Genesis. Von da an ging ich rückwärts und hörte mir die Sachen mit Peter Gabriel an. So war das.
it: Was ist dein Lieblingsalbum und –stück von Phil Collins?
Daryl: Face Value ist mein Lieblingsalbum und mein Lieblingsstück In The Air Tonight, keine Frage… Den Song habe ich so gerne live gespielt. Ich glaube, das war immer das beste Stück, das wir auf den Konzerten gespielt haben … Wenigstens diese Fragen kann ich eindeutig beantworten [lacht] .
it: Wir führen auf unseren Webseiten eine Umfrage durch, welche Stücke unsere Besucher gerne auf der Genesis-Tour hören würden. Wir haben ihnen 60 Stücke von 1973 bis 1992 angeboten, von denen sie zehn aussuchen könnten. Bislang haben über 1100 Leute teilgenommen, und Stücke wie The Cinema Show, Firth Of Fifth, Mama, Home By The Sea, Carpet Crawlers, In The Cage, Dance On A Volcano, Los Endos und die Duke Suite liegen sehr gut im Rennen [hier klicken, um die Umfrage zu sehen]
Daryl: Oh wow! Gut zu wissen! Und ein interessantes Ergebnis.
it: Die Fans haben oft den Eindruck, dass eine Band wie Genesis ein bisschen zu weit von den Fans entfernt ist, um zu wissen, was die hören möchten, wenn sie sich überlegen, was sie spielen wollen. Das Internet hat daran natürlich einiges geändert – hoffentlich.
Daryl: Da hast du recht, und es ist gut, dass ich diese Sachen von eurer Umfrage weiß!
it: Nun, Daryl, wir wünschen dir eine tolle Tour und dass ihr ein paar großartige Stücke spielt. Vielen Dank, dass du dir so viel Zeit für das Interview genommen hast!
Daryl: Ich danke euch, es war mir ein Vergnügen. Wir sehen uns auf den Konzerten.
Interview und Transkription: Christian Gerhardts
Fotos: InsideOut Music, Ulrich Klemt, darylstuermer.com