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Brand X – Moroccan Roll – Album Rezension
Nach dem Erfolg ihres Debütalbums veröffentlichten Brand X 1977 den Nachfolger – Moroccan Roll. Markus Scharpey hat sich auch mit diesem Album näher beschäftigt.
Die zweite Scheibe der Truppe nennt sich Moroccan Roll und erschien 1977. Der Titel ist angeblich eine Anspielung auf „More Rock and Roll“ und nicht etwa auf irgendwas aus Marokko.
Wie schon auf dem Erstling Unorthodox Behaviour hört man Goodsall an den Gitarren und auf der Sitar, Lumley an den Tasteninstrumenten, Jones am unverwechselbaren Bass und natürlich Collins an den Schlaginstrumenten. Außerdem singt er erstmals auf dem Eröffnungsstück. Diesmal wird das Saxophon weggelassen und man holt sich noch weitere Unterstützung bei Morris Pert, der hauptsächlich Percussion ergänzt. Laut den Liner-Notes wurden aber von ihm noch einige Dinge mehr geschlagen um Geräusche erzeugen, wie z.B. die QE2 (Kreuzfahrtschiff Queen Elisabeth 2), Idi Amin und unentdeckte Teile von Schottland
Die Platte enthält 9 Stücke, ist insgesamt 49:30 Min. lang und ist auch wieder auf dem Genesis-Label Charisma erschienen.
Der Opener Sun In The Night, welches aus der Feder von Goodsall stammt, hört sich weder nach Marokko, noch nach mehr Rock’n Roll an. Vielmehr wähnt man sich in einem indischen Aschram, durch den Schwaden von Haschwolken wabern. Die Sitar erklingt und nach den Auftaktklängen hört man die so vertraute Stimme von Collins irgendwas indisches (Sanskrit) singen… Die Intensität wird in einigen Wiederholungen gesteigert mit wuchtig einsetzendem Schlagzeug und ergänzendem Bass. Ein seltsames und doch irgendwie faszinierendes Stück Musik.
Im zweiten Stück Why Should I Lend You Mine (When You’ve Broken Yours Off Already)…, das nun alleinig von Collins geschrieben wurde, schlägt die Musik eine komplett andere Richtung ein. Ein immer lauter werdendes Schlagzeug wird kontrastiert mit seltsamen Keyboardklängen und Einsprenkelungen von Gitarren- und Basssounds. Langsam schält sich der so typische Collins-Schlagzeugsound heraus, den man vor allem an den Toms erkennt. Insgesamt handelt es sich wieder um ein Jazzfusion-Stück und mutet auch eher wieder wie ein Jam an. Im Mittelteil wird es plötzlich ganz ruhig und langsam, Tupfer vom Bass, vom E-Piano und entrückte, mit Echo aufgenommene Gitarrensounds ertönen. Man ertappt sich unwillkürlich dabei, an Easy-Listening-Fragmente á la James Last zu denken. Dieser Eindruck wird dann aber durch virtuoses Bassspiel und saubere Schlagzeugarbeit wieder weggewischt. Aus der Ruhe heraus steigert sich das Stück in ein furioses Finale, um dann wieder in noch ruhigere Fender-Rhodes Klänge zu münden. Vermutungen, die Musiker haben ein wenig zu viel von der „Dopewolke“ des ersten Stücks eingeatmet, drängen sich auf, dann fadet das Stück ganz lange aus…
… und mündet in das dritte Stück ...Maybe I’ll Lend You Mine after All, welches sich im Prinzip nur um eine ätherische Reprise des Vorgängers handelt und deshalb natürlich auch aus der Feder von Collins stammt. Hier erkennt der Fan erste Hinweise auf die Machart zukünftiger Solostücke von Phil, wie z.B. The Roof Is Leaking.
Dann wird der Hörer mit einem Schlagzeugdonner in das vierte Stück Hate Zonehineingeworfen und aus dem „Schlaf“ gerissen. Ein sehr hartes, groovendes Stück, welches nun ganz klar in eine Jazzrock-Richtung geht. Dieses Stück wurde wie das erste wieder von John Goodsall geschrieben, ist aber nicht von Gitarren dominiert, sondern auch eher wieder eine Jamsession.
Das fünfte Stück der Platte ist mit 1:33 Min sehr kurz und von diversen Keyboardklängen geprägt, was sich dadurch erklärt, dass es auch vom Keyboarder Robin Lumley geschrieben ist. Es mutet aber eher wie Füllmaterial an, um die erste Seite der Platte noch irgendwie voll zu machen.
Darauf folgt Disco Suicide, auch geschrieben von Lumley und mit 7:55 Min. ein längeres Stück der Platte. Hier zeigt Lumley, dass er ein sehr guter Pianist ist, der sich auch an opulente Pianomelodien heranwagt. Das Stück ist wieder einmal zerteilt in ruhigere und schnellere Passagen, die sich einige Male wiederholen, aber immer verschieden klingen. Es wirkt eher, wie ein kleiner musikalischer Kurzfilm mit verschiedenen Szenen. Im Schlussdrittel wird es dann pompös und mit Chorgesang sogar leicht pathetisch.
Zur Beruhigung folgt ein sehr kurzes „Füllstück“ von Percy Jones namens Orbits. 1:38 Minuten lang und ausschließlich auf seinem Bass mit diversen Effekten experimentell eingespielt.
Darauf dann Malaga Virgenals vorletztes Stück, welches in seiner jammigen Art wohl am meisten an die Stücke des Debutalbums „Unorthodox Behaviour“ erinnert. Laut den Credits ist es aber vom Bassmann Percy Jones geschrieben und nicht aus einem Jam heraus entstanden. Im Verlaufe des 8:28 Min. langen Stücks wird der Bass dann auch zum prägenden Instrument und Jones zeigt sein außergewöhnliches Können. Auch ein längeres Keyboardsolo ist zu hören. Wie so häufig bei Brand X gibt es auch hier keine klare Struktur oder durchgehendes Tempo. Vielmehr wechseln sich schnelle und langsame, sowie laute und leise Parts ab. Man denkt gegen Ende, es würde nun langsam ausplätschern, dann geben alle plötzlich noch einmal kurz Vollgas und es endet dann doch eher abrupt.
Das Album schließt mit dem Stück Macrocosm, welches wiederum aus der Feder von Goodsall stammt und wie das Eröffnungsstück eher auch wieder fernöstlich anmutet. Mehrere überlagerte Gitarrenspuren bestätigen eindrucksvoll, dass der Autor selbst der Gitarrist ist. Das Stück und somit das Album endet in einer Instrumentenkakophonie, Applausgeräuschen und einem abstürzenden Flugzeug.
Sun in the Night
Why Should I Lend You Mine (When You’ve Broken Yours Off Already)…
…Maybe I’ll Lend You Mine After All
Hate Zone
Collapsar
Disco Suicide
Orbits
Malaga Virgen
Macrocosm
Aufnahmeort: Trident Studios, London
Produziert von Dennis Mackay
Eingespielt von: John Goodsall, Percy Jones, Robin Lumley, Phil Collins, Morris Pert
Veröffentlichungsdatum: 22. April 1977 – Brand X Moroccan Roll (UK LP/Charisma CAS 1117)
Höchste Chartplatzierung 1977: Platz 37 in den UK-Album Charts.
Anders als beim Vorgängerwerk wurden diesmal die Stücke einzelnen Autoren zugeschrieben. Es ist auch hörbar nicht so jamsessionlastig wie das Debütalbum. Fernöstliche Klänge erhalten mehr Gewicht und manchmal wird der Hörer den Eindruck nicht los, dass die Stücke nicht unwesentlich durch den Konsum von berauschendem Rauchwerk beeinflusst wurden.
Fazit: Nicht ganz so stark und konsequent umgesetzt wie das Erstlingswerk der Combo, dennoch macht es Spaß das Album im Ganzen durchzuhören. Musikalisch sind einige sehr interessante Ideen zu finden und zaghaft hält nun auch der Gesang Einzug ins vorwiegend instrumentale Geschehen.
Autor: Markus Scharpey
Linktipps:
https://www.genesis-fanclub.de/c-Brand-X-An-Unorthodox-History-c283.html
https://www.genesis-fanclub.de/c-Brand-X-But-Wait-Theres-More-Live-2017-Album-Rezension-s771.html
https://www.genesis-fanclub.de/c-Phil-Collins-Brand-X-Nuclear-Burn-4CDSet-s674.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Brand_X
https://en.wikipedia.org/wiki/Moroccan_Roll