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Anthony Phillips – The Geese & The Ghost – 5.1 Surround Sound (2CD/DVD Rezension 2015)

Nachdem Anthony Phillips bereits 2008 eine Remaster-Version seines Debütalbums veröffentlichte, folge Anfang 2015 eine weitere Neuauflage des Albums. Das 2CD/DVD-Set enthält neben dem lange verschollenen Only Your Love (Vocals: Phil Collins) auch einen brandneuen 5.1 Surround Sound. Tom Morgenstern hat sich diesem intensiv gewidmet.

Beim Anthony-Phillips-Event im März 2014 hatte unser Protagonist bereits erwähnt, dass sein neues Label Esoteric daran interessiert sei, sein Debutalbum The Geese & The Ghost im Surroundmix neu zu veröffentlichen. Das war für die meisten Besucher dieses Events eine freudige Überraschung, für einige sogar eine Sensation. Phillips wusste damals zwar noch nicht, wer den Remix machen sollte, aber es schien ihm schon klar zu sein, dass er selbst nicht daran beteiligt sein wollte, der Gedanke an diese mühevolle Arbeit schien ihm keine Freude zu bereiten.

BoxsetUnd als ob er es geahnt hätte: im Booklet schreibt er, dass der Surroundmix nicht so einfach, wie man ursprünglich geglaubt hatte, zu realisieren gewesen sei, denn eine Besonderheit des originalen Stereomix stand dem entgegen: An vielen Stellen seien verschiedene Instrumente gleich mehrfach übereinandergeschichtet worden, um einen besonders satten Sound zu bekommen. Bei der Aufteilung auf fünf Kanäle hätte nun immer die Gefahr bestanden, dass alles auseinander zu fallen drohte. Um es vorweg zu nehmen: davon ist nichts zu hören.

Aber zunächst ein paar Worte zur Verpackung: das Album kommt in einer auf den ersten Blick recht bescheiden ausgefallenen Faltschachtel mit der Mechanik eines Pizzakartons, die sich in jedes normale CD-Regal stellen lässt. Vorn befindet sich das übliche Artwork von Peter Cross, hier vielleicht einen Tick zu dunkel wiedergegeben, allerdings auch etwas größer als auf dem Jewel-Case-Booklet früherer CD-Ausgaben. Auf der Rückseite ist die rittergerüstete Gans jedoch ziemlich in Platznöte gekommen, denn der Kasten mit den Songtiteln und der Barcode nehmen gut zwei Drittel der Gesamtfläche ein. Für die Beschriftung der Schmalseiten wurde leider eine Schriftart gewählt, die als Versalschrift nicht geeignet ist und daher so etwas ungelenk erscheint – ein typografischer Fehler, der ein wenig an der Kompetenz des Grafikers zweifeln lässt.

Disc. src=Die Schachtel öffnet sich auch wie ein Pizzakarton, in der Draufsicht befindet sich der Scharnierfalz oben – das ist etwas ungewohnt, da man bei fast allen anderen Medienverpackungen die Öffnung an der rechten Seite findet. Innen befindet sich jede der drei Discs in einer separaten Stecktasche aus festem Karton, die vorn jeweils mit einem anderen Ausschnitt des Front-Artworks bedruckt sind. Hier hat man glücklicherweise wieder die Originalschriftart verwendet. Auf der Rückseite finden sich noch einmal die jeweiligen Songtitel. Die Discs stecken nicht zu eng in den Taschen, die Gefahr des Verkratzens beim Herausziehen besteht nicht. Ein Booklet liegt der Schachtel natürlich ebenfalls bei; der Inhalt besteht im Wesentlichen aus dem, was auch schon im Booklet des Remasters von 2008 zu finden war, nur neu gestaltet und anders arrangiert. Für die Vorderseite hat man sich eine neue Variante der Wappenverzierung einfallen lassen, die die ersten Phillips-Alben in verschiedenen Variationen zierte. Das sieht hübsch aus, kommt aber nicht ganz an die Qualität der Zeichnungen von Peter Cross heran, der seinerzeit die Originalgrafiken der ersten Phillips-Alben besorgte.

Zu guter Letzt kann man der Schachtel dann ein mehrfach zusammengefaltetes Poster entnehmen, das auf der Vorderseite einer zeitgenössischen Zeitungsanzeige für das Album nachempfunden ist. Im oberen Teil findet sich das Front-Artwork in diesmal durchaus akzeptabler Größe, die endlich die vielen Details erkennen lässt, die Cross liebevoll versteckt hatte. Auf der Rückseite sind seine Zeichnungen und die erläuternden Texte zur Henry-Suite wiedergegeben, die beim Original-Vinylalbum auf einer Seite der Innenhülle abgedruckt waren. Leider hat man versäumt, auch die drei Songtexte der Rückseite mit abzudrucken – sie fehlen sowohl auf dem Poster als auch im Booklet. Insgesamt ist die Verpackung jedoch recht ordentlich gemacht und verleiht dem besonderen Status des Albums ein angemessenes Gewicht. Sicherlich wäre eine größere Box noch schöner gewesen, aber das ist ja immer zuerst eine Frage des Budgets und auch der Auflagenzahl.

Auf die beiden CDs lohnt es sich an dieser Stelle nicht, besonders einzugehen, denn bis auf eine kleine, allerdings hoch willkommene Abweichung ist der Inhalt identisch mit dem 2008er Remaster [eine ausführliche Rezension dazu ist bereits unter diesem Link online]. Lediglich am Ende der Bonus-Disc findet sich hier ein bisher unveröffentlichter Song namens Only Your Love. Dabei handelt es sich um die B-Seite der legendären, weil nie erschienenen Phil Collins-Single Silver Song, eine Aufnahme aus dem Jahr 1973, die dem geneigten Fan bisher nur auf Bootlegs in fragwürdiger Tonqualität begegnet war. Damit ist der vielleicht größte inhaltliche Fehler der 2008er Ausgabe endlich behoben.

Doch der eigentliche Punkt dieser Neuausgabe ist der Surroundmix von Simon Heyworth auf Disc Nr.3 – dabei handelt es sich überraschenderweise um eine echte DVD-Audio – ein Format, das schon lange totgesagt wurde, denn es konnte sich ebenso wenig durchsetzen wie die SACD. Inzwischen sind beide Formate durch die universellere Blu-ray abgelöst; für reine Audio-Inhalte im Surround-Format wird immer noch gern der „normale“ DVD-Video-Standard genutzt. Echte DVD-Audios sind daher schon fast Exoten. Zum Glück hat man hier jedoch auf Abwärtskompatibilität geachtet und so läuft der Surroundmix auch mit jedem normalen DVD-Player im üblichen DTS- und Dolby Digital-Format. Nur wer das Album verlustfrei (MLP – 24 Bit/48 kHz) genießen will, benötigt dafür einen speziellen Kombi-Player, der den DVD-Audio-Standard unterstützt.

Navigation: Alle Menüs haben die Auflösung 720 x 480 Pixel und ein Seitenverhältnis von 16:9.; sie sind schlicht und zweckmäßig gehalten. Nach dem Einlegen der DVD startet eine kleine Animation, die darin besteht, dass das Albumcover, das den Schirm anfangs in fast voller Höhe ausfüllt, sich leicht verkleinert und nach rechts rückt, damit links die Lettern des Top-Menüs erscheinen können. Die Wahloptionen erscheinen hier nicht unbedingt logisch: „PLAY SURROUND“, „PLAY STEREO“ und „AUDIO SELECT“. Im Unterschied zu den ersten beiden Optionen, bei denen direkt das Album zu spielen beginnt, bekommt man bei letzterer eine weitere Menuseite zu sehen (mit dem „Ghost“ in Nahaufnahme) und hat nun die Wahl zwischen fünf verschiedenen Audioformaten:

MLP Lossless 5.1 Surround

MLP Lossless Stereo

DTS 5.1 Surround

Dolby Digital 5.1 Surround

LPCM Stereo

Nur beim Abspielen der MLP-Formate sind die Teile von Henry und dem Titelsong mit den Skip-Tasten einzeln anspringbar. Dieselben Tasten springen bei den übrigen Audioformaten direkt zum nächsten Song bzw. wieder an den Anfang des Stücks.

Das Audio-Auswahl-Menü lügt leider, denn es handelt sich mitnichten um 5.1 Surround! Der für das „Punkt Eins“ stehende Subwoofer-Kanal existiert zwar, er ist jedoch leer bzw. ausschließlich mit digitalen Nullen gefüllt. – Nun gut, dies ist bei reinen Audio-Surroundmixen nicht ungewöhnlich, erspart es dem Toningenieur doch das Dilemma, hier nach Gutdünken die Lautstärke des LFE-Kanals festlegen zu müssen, wo es doch keinen Standard dafür gibt. Mit dieser Schwäche leben Spielfilme ganz gut; Musik ist da jedoch in der Regel kritischer, deshalb entscheiden sich viele Toningenieure bei Musik lieber für 5.0 – ich finde nur, man sollte es dann ehrlicherweise auch so nennen!

Zudem wurde auch bei der Vielfalt der Auswahl geschummelt, denn die Formate „LPCM Stereo“ und „MLP Lossless Stereo“ sind zwar tatsächlich vorhanden, jedoch völlig redundant, denn sie enthalten zweimal exakt dasselbe verlustfreie PCM-Signal – hier scheinen offenbar Leute am Werk gewesen zu sein, die sich mit den verschiedenen Audioformaten und ihren Besonderheiten nicht in jedem Detail auskannten. Einen rechten Sinn ergibt das jedenfalls nicht.

Wie klingt das Album nun im neuen Surroundmix?

PosterWind-Tales – der Anfang des Albums ist unspektakulär, fast etwas enttäuschend. Beinahe ist man geneigt zu schauen, ob man denn tatsächlich ein Surroundformat ausgewählt hat. Aber bevor man sich große Sorgen machen muss, ist das Stückchen auch schon vorbei und bei Which Way The Wind Blows ist dann alles klar – es ist tatsächlich echtes Surround! Phil Collins‘ Leadstimme kommt irritierenderweise anfangs deutlich vernehmbar aus der rechten Surroundbox. Sie wird zwar gedoppelt von einer weiteren Stimme, die man vorn im Center verorten kann, jedoch ist diese deutlich leiser. Erst ab der Zeile „I sit in the sunset…” scheint der Gesang ausschließlich von vorn zu kommen.

Henry – auch hier wird intensiv Gebrauch von den rückwärtigen Lautsprechern gemacht. Der Anfang des Lutes Chorus beginnt mit den Fingerpicking-Gitarren nach hinten gemischt. Mit dem Einsatz der Flöte gleicht sich das Klangbild jedoch aus und die wenigen Instrumente verteilen sich gleichmäßig im Raum. Beim ruhigen Misty Battlements hat jede Gitarre eine eigene Box, und der Hörer sitzt in der Mitte – das ist eine hübsche Idee. Ebenso bei Death Of A Knight – hier sitzt dem Hörer zu Beginn eine Nylongitarre im Nacken, von vorn kommen nur einige leise Arpeggios und ein noch leiserer Mono-Synthie. Schön gemacht ist die Aufteilung bei Triumphant Return: Die Fanfaren kommen von links und rechts hinten, die Böllerschüsse aus dem Center und beim Chorteil steht man mitten in der königlichen Kapelle, hinten auf der Empore spielt die Orgel und der Chor steht vor dem Altar.

God If I Saw Her Now klingt anfänglich kaum anders als die normale Stereofassung. Nur die E-Gitarre, die das durchgehende Folk-Picking spielt, ist ein wenig auch auf die hinteren Kanäle ausgedehnt. Das Klangbild wird erst nach dem Mittelteil mit dem Flötensolo ausgeweitet, der Raumeindruck bleibt jedoch deutlich subtiler als bei den anderen Stücken.

Einen guten Vorgeschmack auf den Surroundmix des Titelsongs bietet dann das kurze Chinese Mushroom Cloud, das ja aus einem Ausschnitt desselben besteht, der hier mit halber Geschwindigkeit abgespielt eine Oktave tiefer und damit sehr beeindruckend klingt.

The Geese & The Ghost – So langsam, wie sich das Arrangement aufbaut, so langsam füllt sich auch der Raum. Speziell bei den lauteren Passagen bekommt man alle Instrumente breit aufgefächert und das Ohr kann dann mühelos einem einzelnen folgen oder den Gesamtklang genießen. An einigen Stellen kommt man so kaum umhin, ein paar eher versteckte Klänge oder kleine Nebenmelodien zu entdecken, die im Stereomix offenbar verdeckt waren. Schade nur, dass der Song am Ende ausgeblendet wird, aber das war ja schon immer so.

SetCollections besteht anfangs aus zwei räumlich getrennten Teilen, vorn im Stereo spielt Ant Klavier und singt dazu, hinten spielt das Orchester. Doch schon bei der zweiten Strophe ändert sich das. Nun hört man auch hinten Klavierakkorde und das (im Gegensatz zum Klavier) wirklich schöne und gut aufgenommene Orchester ist überall. Auch in der Surroundfassung gelingt der Übergang zu Sleepfall: The Geese Fly Westfließend, obwohl mir jetzt erst zum ersten Mal bewusst wird, dass bei Sleepfall tatsächlich kein Orchester, sondern ein String-Synthesizer zu hören ist. Für den romantisch-wehmütigen Ausklang dieses im Grunde sehr einfachen, aber wunderschönen Stücks ist der Surroundmix wie geschaffen.

Fazit:

Simon Heyworth, der bereits die Originalaufnahmen betreut hat, hat hier erneut großartige Arbeit abgeliefert. Er hat es geschafft, seinen Surroundmix über weite Strecken so klingen zu lassen, dass auch ein Hörer, der den Stereomix seit Jahrzehnten in- und auswendig kennt, sich auf Anhieb problemlos in den neu geschaffenen Räumen wohlfühlen kann. Im besten Sinne ist die neue Abmischung konservativ zu nennen – würde man sie durch eine offene Tür aus dem Nachbarraum hören, wäre der Unterschied zur Stereofassung kaum vernehmbar. Dennoch ist es ihm gelungen, das Album ganz neu strahlen zu lassen, was einen besonderen Genuss bedeutet. Es bereitet großes Vergnügen, auf die vielen kleinen, bisher verborgenen Details zu achten, oder sich auf einzelne Instrumente zu konzentrieren, die sich jetzt durch die Verteilung auf fünf Kanäle besser orten lassen.

Nicht ganz verbergen lässt sich jedoch auch, dass die Aufnahmequalität der einzelnen Spuren entweder von Anfang an nicht immer optimal war oder in den 40 Jahren ein wenig gelitten hat. Insbesondere die akustischen Gitarren mit Stahlsaiten klingen im Hochtonbereich manchmal einfach nicht wirklich sauber, was sich dann in zuweilen deutlich vernehmbarem Klirren äußert. Den Hörgenuß kann das zum Glück jedoch nicht wirklich stören.

Autor: Tom Morgenstern
Grafiken & Fotos des Artworks: Helmut Janisch
The Geese & The Ghost (2CD/DVD) ist bei Esoteric erschienen und kann bei amazon oder JPC bestellt werden.