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Anthony Phillips – Interview (08.11.1992)

Das erste Interview unseres Clubs überhaupt führten wir im November 1992 mit Anthony Phillips. Ant sprach mit uns über seine bisherigen Soloprojekte, über die Frühphase von Genesis und auch die Drinks bei From Genesis To Revelation blieben nicht unerwähnt …

London, 8. November 1992

Bei unserer England-Reise im November 1992 hatten wir Gelegenheit Anthony Phillips kennenzulernen. Er hatte uns zu sich nach Hause eingeladen, wo wir unter anderem die Gelegenheit bekamen, ein langes Interview mit ihm zu machen.

it: Wenn du dich entschlossen hast, ein neues Album zu machen, wie gehst du dann an dieses Projekt heran? Hast du klare Vorstellungen darüber, wie das Album zu klingen hat, oder entwickelst du die Ideen beim Arbeiten?
Ant: Nun das kommt darauf an. Durch die Jahre hindurch hat sich gezeigt, daß sehr viel davon abhängt, was die Plattenfirma möchte. Der Grund dafür ist der, daß die Plattenfirma mit dem Album in erster Linie Geld verdienen will.
Bei The Geese & The Ghost haben wir das getan, was wir wollten. Mike hatte von der Plattenfirma einen Vorschuß bekommen, und wir konnten machen, was uns Spaß machte. Beim nächsten Album, Wise Atfer The Event, wollten sie „richtige“ Lieder, die hinlänglich als „Mainstream“ bekannt waren. Also machte ich mich daran, eine Mixtur aus alten Songs, die ich in den letzten 4 bis 5 Jahren geschrieben hatte, und neuerem Material zu schaffen.
Bei den meisten der Private Parts & Pieces-Alben war es so, daß ich nicht meine gesamte Zeit für diese Arbeit aufwenden konnte. Ich habe also nicht nur neues Material geschrieben, sondern habe auch auf Dinge zurückgegriffen, die ich schon früher aufgenommen hatte.
Das fünfte Private Parts & Pieces-Album (Twelve) wurde dagegen ganz neu geschrieben. Es war eine neue Idee und dadurch auch einfacher für mich. Ich meine, es war nur eine Gitarre und ein Konzept, und aus diesen Gründen schaffte ich es auch das Album relativ schnell zu realisieren.
Bei Invisible Men trat man an mich heran und meinte: „Du mußt versuchen eine LP zu machen, die Dir hilft auch Deine anderen Werke zu verkaufen!“ So befand ich mich in der Situation, daß ich Lieder zu schreiben hatte, die mehr dem durchschnittlichen Geschmack entsprachen. Über einige dieser Songs bin ich allerdings, im Nachhinein betrachtet, nicht sehr glücklich. Das meiste Material auf diesem Album hatte ich ganz neu geschrieben. Ähnliches galt übrigens auch für 1984, das allerdings in eine mehr experimentelle, konzeptorientierte Richtung ging.
Das aktuelle Private Parts & Pieces-Album New England bricht aus vielen Gründen einige Schranken. Denn zum ersten Mal bat mich die Plattenfirma darum, eine Private Parts & Pieces-LP zu machen. Ich hatte zum ersten mal die Gelegenheit mich hinzusetzen und viel neues Material zu schreiben. Das ganze Projekt wurde also nicht nur unter dem Vorsatz gestartet, ein Instrument oder eine Idee zu verwirklichen, sondern ermöglichte es, meine verschiedenen musikalischen Vorstellungen auch wirklich zu realisieren.
Reicht euch diese Antwort? Relativ kurz, oder? Okay, ich hätte ja auch ganz einfach „Ja“ sagen können! [lacht]

it: Wo siehst du die Unterschiede zwischen deinen normalen Alben und den Werken aus der Private Parts & Pieces-Serie?
Ant: Das ist einfach zu erklären. Ende der Siebziger Jahre, als ich Alben aufzunehmen hatte, die mehr in die kommerzielle, von Pop-Songs geprägte Richtung ging, gab es praktisch nur einen Musikstil. Ich wollte aber auch unbedingt die akustischen Lieder veröffentlichen. Deshalb versuchte ich Tony Smith, der zu der Zeit auch Genensis‘ Manager war, zu überreden, das erste Private Parts & Pieces-Album zu ermöglichen. Auf diesem Werk sollte neben rein akustischem aber auch nicht akustisches Material erscheinen. Es gab da andere Leute wie Brian Eno, die solche Art von Musik machten. Aber die Verantwortlichen von diesem Record-Label, auf dem er seine Songs veröffentlichte, waren an meiner Musik nicht interessiert. Das Ganze endete damit, daß wir Private Parts & Pieces I zusammen mit den ersten 5000 Kopien des Sides-Albums auf den Markt brachten. Ich meine, in einer heilen Welt wäre es wohl so, daß man die Private Parts & Pieces-Serie von den anderen Alben gänzlich trennen müßte. Durch die Entwicklung der Musikszene, in der Punk, Disco und die Singles immer wichtiger wurden, aber dadurch auch alles wie ein einziges Lied klang, war es ganz einfach notwendig beide Sachen zu machen. Die Private Parts & Pieces-Alben haben nie irgendwelche finanziellen Unterstützungen erhalten, trotzdem war ich sehr froh die Möglichkeit zu bekommen, diese Art von Musik zu veröffentlichen.
it: Gab es bei Deinem letzten Album, New England, eine spezielle Idee, die dahinter stand?
Ant: Nicht direkt. Es ist das erste Album, daß ich mit Virgin aufgenommen habe. Ich wollte daher eine LP machen, die ihnen wirklich gut gefällt. Früher war es mit den Private Parts & Pieces-Werken so, daß sie von der Plattenfirma nicht einmal angehört wurden. In den U.S.A. wurden die Alben von Passport Records vertrieben, und ich hätte ihnen ein Band mit Jodel-Musik schicken können und sie hätten es veröffentlicht. Ich bin mir da sicher! Sie sprachen nie mit mir darüber. Ich hörte nicht einmal Kommentare wie gut, schlecht oder so. Deswegen war das auch so toll mit Virgin. Sie waren wirklich interessiert und ich wußte, daß der Maßstab sehr hoch lag. Aus diesem Grund konnte ich ihnen nicht mit irgendwelchem „Müll“ kommen und ich arbeitete sehr hart. Ich wollte zudem versuchen eine vielfältige Sammlung von Material zu schaffen, ähnlich wie bei Private Parts & Pieces I. Das Ziel war, einen wirklich guten Querschnitt von akustischer Musik zu erhalten.
it: Aber das Material ist …(Antunterbricht: …ziemlich schlecht, ich weiß!) [Gelächter] Nein … hast du auf New England alles neu geschrieben, oder auch auf alte Demo-Bänder zurückgegriffen?
Ant: Alles ist ziemlich neu. Vielleicht gehen einige der Gitarrenteile so 3 bis 4 Jahre zurück, aber der größte Teil wurde neu komponiert. Es liegt schon einige Zeit zurück, daß ich ein Private Parts & Pieces-Album aufgenommen habe, so daß ich mich nicht mehr genau erinnern kann, aus welcher Zeit die verwendete, bereits vorhandene, Musik stammt. Aber sonst wurde, wie bereits erwähnt, nur aktuelles Material verwendet.
it: Und wie war das bei früheren Alben?
Ant: Bei The Geese & The Ghost haben wir auf Material zurückgegriffen, daß zurück bis 1969 ging und auch teilweise aus der frühen Genesis-Zeit stammt. Bei einigen Alben war es eine Art Mixtur aus Altem und Neugeschriebenem.
it: Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Ant: Nun, ich werde als nächstes wieder für das Fernsehen arbeiten. Ein Grund dafür ist unter anderem, daß das ganz gut bezahlt wird. In erster Linie bekomme ich Aufträge, Musik für sogenannte „Wildlife-Programmes“ und Naturdokumentationen zu schreiben. In der deutschen Serie Terra X wurde übrigens auch Musik von mir verwandt. Die Bestrebungen in Richtung Filmmusik gehen dahin, daß ich sehr gerne einmal die Komposition für einen kompletten Film übernehmen würde. Aber da es der britischen Filmindustrie nicht besonders gut geht, ist es sehr schwer dahin zu kommen.
Nun, was meine anderen Zukunftspläne betrifft, reizt mich die Koorperation mit Joji Hirota. Er hat auf meinem letzten Album mitgespielt. Wir haben beide sehr viel „Library Music“ für das Fernsehen gemacht, sind dabei aber auch ein wenig in die Richtung Weltmusik gegangen. Das Problem mit den Kompositionen für TV-Serien ist allerdings, daß die Stücke zwar eine ganz bestimmte Stimmung einfangen sollen, aber allzu oft nicht zu abwechslungsreich sein dürfen.
Für die Zukunft haben wir einige Ideen, die sich dann hoffentlich auch auf einem Album realisieren lassen, welches Joji gerne machen würde. Es geht uns dabei darum, die Kombination von orientaler, percussion-naher Musik und westlichen, synthetischen Klängen umzusetzen. Das wäre auch mal etwas anderes als die „Library Music“.
Aber um zurück zu eurer Frage zu kommen. Ich bin mir nicht ganz sicher, was ich als nächstes machen werde. Der Grund dafür, daß zwischen meinen Alben immer so viel Zeit vergeht, ist in der Unsicherheit zu sehen, die das Musikgeschäft nunmal bietet. Am liebsten würde ich ja, nachdem ich eine LP abgeschlossen habe, eine darauf folgende Produktion in einem ganz anderen Stil machen. Ich muß aber natürlich auch abwarten, was Virgin von mir erwartet. Im Moment würde ich am liebsten ein song-orientiertes Album machen. Mir schwebt das so etwas ähnliches vor wie Slow Dance, allerdings mit Gesang. Eine Sache, die ich definitiv machen möchte, ist ein Rock-Album. Das Problem dabei ist nur, daß Produktionen dieser Art sehr viel Geld kosten.

it: Wir kommen jetzt zu Fragen über Genesis…
Antunterbricht: Wer?
it: Wir meinen die Rockgruppe Genesis!
Ant: Ach so, die Band Genesis…ja, die kenne ich ganz gut. (lacht)
it: Wenn Du in Gedanken in diese Zeit zurückreist, welche Erinnerungen hast Du dann?
Ant: Das erste Album, From Genesis To Revelation, war ein riesiger Spaß. Wir waren nicht mehr als Schuljungen in den Sommerferien, die zusammen Musik machten. Als das Album jedoch nicht den geringsten Erfolg hatte, waren wir sehr enttäuscht darüber und der nächste Sommer, der von 1969, war für uns von schlechter Laune geprägt. Ich meine, wir probten zwar an den unterschiedlichsten Plätzen und suchten einen neuen Schlagzeuger, hatten sonst aber wenig Lust irgendetwas Neues anzugehen. Das lag wohl in erster Linie daran, daß wir unbedingt Pop-Stars werden wollten, nachdem wir die Schule verlassen hatten. Es passierte aber überhaupt nichts in dieser Richtung und dadurch waren wir alle sehr deprimiert. Im Nachhinein betrachtet war es für uns sehr wichtig diese Phase durchzumachen. Es wäre bestimmt nicht gut gewesen schon am Anfang der Karriere einen großen Erfolg zu haben. Damals aber war dieser Sommer 1969 alles andere als toll für uns. Das Schreiben von Songs zusammen mit Mike dagegen war phantastisch, einfach wunderbar. Wir blieben manchmal die ganze Nacht auf, um zu arbeiten.
Dann kam das Ende des Sommers und wir entschieden uns jeder ein Mädchen zu haben. Dadurch funktionierte in der Gruppe für einige Monate überhaupt nichts mehr. Als wir dann allerdings wieder zusammenkamen und mit dem Proben anfingen, entstanden Lieder wie The Knife oder Looking For Someone. In der Zwischenzeit hatte sich auch Tony an die Orgel gewöhnt, die er früher nie spielen wollte. Und er war auch nicht derjenige, der live spielen wollte. Ironischerweise waren es Mike und ich, die unbedingt live auftreten wollten. Für einige Monate war es sehr aufregend für uns das Zusammenwirken von Gitarren, Orgel und den anderen Instrumenten auch live kennenzulernen. Zu dieser Zeit standen wir sehr unter dem Einfluß des King Crimson-Albums, welches gerade erschienen war und eine ganz neue Welt öffnete, was Klang und Weite anbetrifft.
Bei unseren Live-Auftritten kamen wir schließlich zu einem festen Programmablauf, was allerdings dazu führte, daß wir immer weniger Freiraum für das Schreiben von neuem Material hatten.
Der Umschwung für mich begann damit, daß viele der ruhigen, schönen Akustik-Lieder, die in großen Hallen verloren klangen, aus dem Programm genommen und durch schnellere Songs ersetzt wurden. Das war eine Sache, die mir nicht gefiel. Ich weiß zwar nicht, wie die anderen Bandmitglieder darüber denken, aber für mich machte es immer weniger Spaß diesen starren Rhythmus von regelmäßigen Auftritten mitzumachen. Es ist einfach so, daß das ganze Konzept des „Tourens“ auf dem ständigen Wiederholen von bestimmten Dingen aufbaut. Vielleicht war ich damals noch zu jung, um das richtig zu verstehen.

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:
Um nochmal auf das Album From Genesis To Revelation zurück zu kommen – stimmt es, das Du mit den Strings auf From Genesis To Revelation nicht zufrieden warst?

Ant: [stutzt] … was?

it: Die Strings … die Geigen, Violinen etc., die nachträglich hinzugefügt wurden.

Ant: Oh, ich habe „Drinks“ verstanden, die Drinks auf From Genesis To Revelation … [lacht] … nun, damals waren wir sehr naiv. Wir dachten, daß eine orchestrale Untermalung der Musik eine gute Idee wäre, aber in Wirklichkeit klangen die ganzen Streichinstrumente viel zu hoch. Es entsprach nicht im Entferntesten dem, was ich mir vorgestellt hatte. Ich war wirklich sehr unglücklich darüber. Die Version des Albums, die letztendlich auch veröffentlicht wurde, war um einiges schlechter als die ursprüngliche Version. Das Original war um Klassen besser! Ich meine unser Spiel war nicht sehr gut, und vielleicht dachte Jonathan King, er müsse es mit den Streichinstrumenten übertönen. Ich muß sagen, daß ich ihm das nicht mal verdenken kann. Übrigens war der Einzige, der spielerisch wenigstens einigermaßen überzeugen konnte Tony Banks.

it: Kannst Du uns mehr über das Stück The Movement erzählen, das auch auch dieser Zeit stammen muß?
Ant: Ja, das war ein sehr langes rundes Lied. Es enthielt sehr viele verschiedene Sequenzen, aber die besten Teile daraus wurden in Stagnation verwendet. Es entstand im Sommer 1969, als wir versuchten lange Akustik-Elemente miteinander zu verbinden.
it: Habt Ihr The Movement jemals live gespielt?
Ant: Nein, als wir anfingen Lieder für die Live-Auftritte zu proben, standen andere Songs auf der Set-List. Einige davon, sind dann nicht mal auf der LP erschienen, obwohl wir sie regelmäßig spielten. Das waren zum Beispiel Let Us Now Make Love, Pacidy, Little Leaf, Shepherd und ein sehr lauter Song namens Going Out To Get You, welcher aber nicht besonders gut war. Ein anderes Lied aus dieser Zeit ist Stranger, welches aber nie live gespielt wurde. Wir haben es zwar für ein Demo-Tape aufgenommen, haben aber entschieden, daß es zu persönlich wäre, um es zu veröffentlichen. Übrigens haben wir nie persönliche Lieder, die von einem von uns geschrieben wurden, live gespielt, ohne dessen Einwilligung zu haben.
it: Welche Stücke wurden denn zu dieser Zeit live aufgeführt?
Ant: Oh, ich weiß, daß wir zum Beispiel bei unserem ersten Konzert in der Brunel University (Acton, London) In The Beginning gespielt haben.Da passierte mir die Katastrophe mit den Gitarren-Saiten. Die Geschichte muß ich kurz erzählen. Beim Neu-Bespannen meiner Gitarre müssen die Saiten irgendwie verrutscht sein. Auf jeden Fall fingen wir an In The Beginning zu spielen und ich merkte, daß irgendetwas nicht stimmte, wußte aber nicht, was es war. Dann kamen wir zu der Stelle im Lied, wo die anderen aufhörten zu spielen. Da wußte ich, daß ich es war. Die Saiten meiner Gitarre waren so verrutscht, daß der Klang dadurch total mieserabel wurde.
Aber zurück zu den Liedern, die wir ständig spielten. Da war von Anfang an Dusk, White Mountain sowie The Knife. Dazu kamen dann noch Twilight Alehouse und Visions Of Angels. Etwas später spielten wir dann noch Looking For Someone, an dem wir ja erst im Winter arbeiteten, in dem auch Stagnation entstand. Zu den Stücken, die wir von Anfang an spielten, gehörte auch noch Let Us Now Make Love.
it: Du hast ebend erwähnt, daß das erste Genesis-Konzert in der Brunel University stattfand. Was war mit dem legendären Balms-Auftritt?
Ant: Das war nichts als eine Party, auf der wir spielen durften. Ihr müßt euch den Balms-Auftritt wie folgt vorstellen. Da waren zwei Räume; in dem einen wurde getanzt und in dem anderen spielten wir und wurden natürlich von den Gästen ignoriert. Dieser Tanz bei Balms fand statt, bevor wir überhaupt eine richtige Gruppe waren, geschweigedenn zusammen geprobt hatten. Dieser Auftritt ist auch bekannt dafür, daß Peter Gabriel bei einem Lied in der Ecke stand und sang. Wie man sich vorstellen kann, wurde er von niemandem beachtet und das machte ihn sauer. Wir fanden so wenig Beachtung, daß wir zwischendurch überlegten, ob wir nicht lieber aufhören sollten zu spielen, um uns einen Drink zu genehmigen.
Der erste richtige Genesis-Gig fand dann aber wie gesagt in der Brunel University statt, wo auch diverse Sozial-Sekretäre von anderen Universitäten anwesend waren, um uns zu sehen. An eine Sache während dieses Konzertes, an die ich mich erinnern kann, ist die, daß wir dieses unerklärliche Brummen in den Boxen hatten. Da weder Mike noch ich wußte, von wem dieses Geräusch kam, drehten wir die Lautstärke herunter, was allerdings zur Folge hatte, daß Peter dadurch sehr irritiert war und fast aufgehört hätte zu singen.
it:Patricia ist ein Lied, das soweit wir wissen, für ein Demo-Band aufgenommen wurde. Was hat es damit auf sich?
Ant: Nun, Patricia ist tatsächlich das erste Stück, das ich jemals geschrieben habe. Ich war damals 13 Jahre alt. Es endete als In Hiding auf dem ersten Genesis-Album. Ich glaube, daß der Refrain später hinzugefügt wurde, aber der größte Teil davon ist von mir im Alter von 13 Jahren geschrieben worden. Gar nicht so schlecht für dieses Alter, würde ich sagen. Ich muß natürlich noch erwähnen, daß Patricia ein wirklich nettes Mädchen war. Sie wird wohl nie erfahren, daß dieses Lied für sie geschrieben wurde.
it: Wir würden jetzt ganz gerne mit Dir über Deine Zeit vor Genesis sprechen. Du spieltest ja bekanntlich in der Gruppe The Anon, aus der zusammen mit GardenWall, der zweiten Schulband, Genesis entstand. Was gibt es von The Anon Interessantes zu erzählen?

Ant:
Nun, die Geschichte von The Anon fing damit an, daß Rivers Job, ein guter Freund von mir, der allerdings schon verstorben ist, auf die Charterhouse School kam und dort Richard Macphail traf, der ein sehr netter Mensch war, gerne sang und gut Mick Jagger imitieren konnte. Er hatte zwar eine gute Stimme, wir dachten allerdings nie daran, daß er ja nur imitierte. Wir waren einfach der festen Meinung, er hätte eine tolle Stimme. Zudem war er ein großer Spaßvogel. Er ist schon seit vielen Jahren ein guter Freund von mir und er war es auch, der später Mike und mich auf gewisse Musik wie Family, Fairport Convention und andere Bands, die mit interessanten Klängen experimentierten, aufmerksam machte. Dann war da noch Rob Tyrell, ein sehr lustiger Typ, der Schlagzeug spielte und sich sehr häufig das Schlagzeug von Peter Gabriel ausleihen mußte. Rob war im Gegensatz zu den Schlagzeugern, mit denen ich in der Grundschule zusammenspielte, sehr gut, da er einen Rhythmus halten konnte. Tja, und dann war da noch Mike, der heute ein Super-Star ist. Es ist wirklich witzig, denn von uns fünf Musikern war Mike wohl derjenige, von dem man am wenigsten erwartet hätte, daß aus ihm ein Star werden würde. Mike hatte die Gruppe sogar verlassen, weil er keinen Spaß daran hatte, ständig zu proben. Er wollte einfach eine gute Zeit haben. Mick Coleman, ein wirklich guter Musiker, der Lehrer für Klassik war und die beiden Instrumente Geige und Klavier unterrichtete, sprang für Mike ein. Einige Zeit später kam dann Mike wieder zurück und wir beide taten uns dann mit Peter, Tony [und Chris Stewart; Anm. d. Red.] zusammen. The Anon war eine tolle Band, das kann ich wirklich sagen und das Gute war, daß wir alle sehr viel Spaß miteinander hatten und erfolgreiche Komponisten werden wollten. Wir haben uns innerhalb der Gruppe sehr stark gefühlt, was zum Beispiel an Freunden wie Richard MacPhail gelgen hat, der sehr wichtig und inspirierend für die Band war und immer gute Ideen hatte.
it: War The Anon Deine erste Gruppe?
Ant: Nein, ich spielte noch in einer anderen Band, die aber wirklich furchtbar war. Einer der Musiker spielte durch alle Lieder hindurch den gleichen Akkord. Der Schlagzeuger konnte einfach nicht den Rhythmus halten. Er saß häufig einfach hinter den Drums und attackierte die Trommeln in unregelmäßigen Abständen und aus heiterem Himmel. Wir nannten uns The Spiders, zugegebenermaßen kein sehr origineller Name.
it: Es gab da ein Konzert, das The Anon und Garden Wall zusammen gaben. Was geschah zu der Zeit mit beiden Bands?
Ant: Nun, zunächst muß ich klarstellen, daß Garden Wall keine richtige Gruppe war. Sie haben nur zusammen Lieder geschrieben. Zu dieser Zeit, als das Schuljahr endete, befand sich The Anon in einer Phase, in der die Gruppe sehr produktiv war. Garden Wall hingegen fing gerade an Songs selber zu schreiben, denn davor hatten sie nur Stücke von anderen Gruppen nachgespielt. Man kann sagen, daß Garden Wall, bis auf die Musiker, nur sehr wenig mit den späteren Genesis zu tun hatte. Wenn man es genau nimmt, existierte Garden Wall nur für dieses eine Konzert. Ich meine, The Anon hatte wirklich den Höhepunkt erreicht und nach diesem Gig passierte einiges. Zunächst löste sich The Anon praktisch auf. Rivers Job verließ die Schule und Mick Coleman, soweit ich weiß, auch. Ich lernte danach auch Peter und Tony besser kennen. Es kann sogar sein, daß wir in dieser Phase, in der ich auch sehr viel mit Mike zusammen arbeitete, einige Demo-Bänder aufgenommen haben. Und vielleicht könnte man sagen, daß der Beginn dieser Zusammenarbeit der Anfang von Genesis war.

Interview: Helmut Janisch und Bernd Zindler
Transkription + Übersetzung: Bernd Zindler
Fotos: Helmut Janisch