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Anthony Phillips – Gastauftritte – Teil 1
Neben einer wahren Flut von Studioalben arbeitete Anthony Phillips auch mit vielen anderen Künstlern zusammen und wirkte auf deren Alben mit. Martin Brilla gibt einen ersten Überblick.
Obwohl Anthony Phillips laut seiner Internetseite bis jetzt stolze 25 CDs unter eigenem Namen und sechs weitere Alben in Zusammenarbeit mit anderen Künstlern veröffentlicht hat, ist damit sein Werk noch nicht komplett. Es gibt nämlich noch einige Gastauftritte auf Alben anderer Künstler. Diese erstrecken sich über einen Zeitraum von 1975–2009.
Vier von ihnen sollen hier näher vorgestellt werden:
• Intergalactic Touring Band (1977)
• Camel – The Single Factor (1982)
• Iva Twydell – Duel(1982)
• Asher Quinn – Open Secret (1987)
Intergalactic Touring Band (1977)
Hier ist Ants Beteiligung vergleichsweise überschaubar: Nur auf Reaching Out spielt er – zusammen mit Peter Sobel –
die akustischen Gitarren, die zwar stets präsent sind, aber dennoch eher im Hintergrund bleiben. Im Mittelpunkt des schönen Stücks steht eindeutig der Gesang von Annie Haslam (Renaissance), unterstützt von Mitgliedern des London Symphony Orchestra. Die ruhige, getragene Atmosphäre wird erst gegen Ende durch den Einsatz des Schlagzeugs etwas belebter.
Die CD ist aber auch unabhängig von Ants Auftritt hörens- und kaufenswert: Auf diesem Konzeptalbum der fiktiven Intergalactic Touring Band spielen und singen viele bekannte Musiker, unter ihnen Meat Loaf, Ben E. King, Arthur Brown, Percy Jones, Rod Argent und Larry Fast, der frühere Keyboarder von Peter Gabriel. Die Musik ist alles andere als bierernst, aber gut gemacht, abwechslungsreich und kurzweilig.
Camel – The Single Factor (1982)
Hier ist Ants Anteil schon deutlich höher: Er wirkt auf 5 der insgesamt 11 Titel mit, zumeist als Keyboarder, auf zwei Stücken aber auch als Gitarrist.
Heroes (Ant: Flügel, Orgel) ist dabei eines der anspruchsvolleren Stücke auf dem Album, dennoch aber im Vergleich zu früheren oder späteren Songs von Camel eher schwach.
Selva, langsam und atmosphärisch, ist ein nicht untypischer Camelsong: Über Synthi-Akkorde spielt Andy Latimer eines seiner gefühlvollen E-Gitarrensoli. Dadurch gerät Ants klassische Gitarre, die zwar ständig präsent ist, natürlich in den Hintergrund.
Sasquatch ist wohl das gelungenste der Stücke: Ants 12saitige Gitarre bildet rhythmisch und klanglich eine wichtige Basis für dieses lebendige Instrumental, das Camel immer wieder gerne live spielt.
Manic ist ein eher misslungener schnellerer Progsong, der trotz (oder gerade wegen?) des Einsatzes von 2½ Keyboardern nicht recht zünden will (Ant: Flügel, Polymoog, Orgel).
End Peace schließt das Album ab. Das Stück, das aus der Feder von Ant und Camelchef Andrew Latimer stammt, ist zwar auch kein musikalischer Geniestreich, hört sich aber immerhin schön an und gibt Anthony Phillips (Flügel, Polymoog, ARP 2600, Marimba) musikalisch recht viel Entfaltungsmöglichkeit.
Da auch der Rest der CD eher durchwachsen ist, kann der Kauf nur bedingt empfohlen werden. Es gibt stärkere Gastauftritte von Ant und deutlich bessere CDs von Camel.
Iva Twydell – Duel(1982)
Dieses obskure Album trägt recht deutlich Anthony Phillips’ Handschrift. Er steuert nicht nur ein breites Instrumentarium bei (Synthesiser, Keyboards, akustische und elektrische Gitarren, Bass), sondern hat auch bei der Produktion assistiert.
Iva Twydell ist ehemaliger Schlagzeuger der britischen Band „After The Fire“, die als Progband starteten, ihre Erfolge aber New Wave-Band feierten. Ihr instrumentales 1980-fwurde bzw. wird gerne als Erkennungsmelodie in Radio und Fernsehen gewählt; einige werden es als das dynamische Intro der Kölner Stunksitzung kennen.
Twydells Soloalbum ist heute rar, weil es nur von kleinen Labeln in England und Kanada veröffentlicht wurde. Dass es sich nicht sonderlich gut verkauft hat, verwundert nicht: Als Gesangskünstler kann man Twydell nicht gerade bezeichnen, die Kompositionen sind nicht gerade überragend, und der Sound des Albums wirkt dünn und (rückblickend) antiquiert.
Die Platte (auf CD ist es bislang nicht erschienen) lässt sich gut mit Phillips’ im folgenden Jahr veröffentlichten Album Invisible Men vergleichen: Der Sound des Schlagzeugcomputers, für dessen Programmierung hier wie dort Richard Scott verantwortlich ist, prägt beide Scheiben, und auch der Stil ist vergleichbar. Der (deutliche) Unterschied zugunsten des Albums von Phillips liegt vor allem in der Qualität der Kompositionen, aber auch in der der Produktion.
Wer Glück hat, diese Platte zu einem günstigen Preis zu erwerben, sollte zuschlagen, um ein Schätzchen in der Sammlung zu haben. Musikalisch kann das Ganze aber nicht überzeugen.
Asher Quinn – Open Secret (1987)
Vom Sound und von der Stimmung her erinnert Open Secret sehr an Slow Dance, das drei Jahre später erschien. Da Ant hier nicht nur als Instrumentalist (Keyboards, akustische und elektrische Gitarren, Bass, Mandocello), sondern auch als Co-Produzent und Co-Arrangeur in Erscheinung tritt, ist es wenig verwunderlich, dass dieser Gastauftritt seinem eigenen Album sehr nahe kommt.
Allerdings reicht es letztendlich nicht an Slow Dance heran, was daran liegt, dass die Songs sämtlich aus der Feder von Denis (Asher, auch Asha) Quinn stammen. Sie sind zwar durchaus schön, qualitativ aber deutlich schwächer als Ants Kompositionen. Positiv fallen hingegen die Gitarrensoli auf, die Andrew Latimer von Camel (!) beisteuert.
Fazit: Wer Slow Dance mag, sollte sich Open Secret zulegen, das gerade mit Bonustracks wiederveröffentlicht wurde. Zwar wirkt es – negativ betrachtet – wie eine Sammlung von Outtakes zu Slow Dance; sieht man es aber positiv, kann man die CD wegen der sehr ähnlichen Stimmungen und Sounds als Slow Dance Part IIansehen.
Weitere Rezensionen von CDs, an denen Ant beteiligt war, finden sich hier:
Steve Hackett – Out Of The Tunnel’s Mouth
Mike Rutherford – Smallcreep’s Day
Autor: Martin Brilla