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Anthony Phillips – Dragonfly Dreams (Private Parts & Pieces IX) – CD Rezension
Das neunte Album seiner Private Parts & Pieces-Reihe bescherte uns Genesis-Gründungsmitglied Anthony Phillips im Jahre 1998.
Schon im Frühjahr vergangenen Jahres angekündigt, erschien am 4. November der neunte Teil von Anthony Phillips‘ Private Parts And Pieces-Reihe. Mit seinem 1992er Vorgänger sollte Dragonfly Dreamsnicht verglichen werden: Hat New England im wesentlichen eigens komponiertes Material enthalten sowie Instrumentalbeiträge diverser Künstler, so liegt hier wieder eine Sammlung vor, die sich über den Zeitraum von 1980 bis 1995 erstreckt und stilistisch und konzeptionell eher an Slow Waves, Soft Stars und A Catch At The Tables erinnert. Fünf Stücke wurden mit Enrique „Quique“ Berro Garcia – bekannt von den Teilen III und VII der Serie – geschrieben und eingespielt. Die Zweiteilung des Albums lässt sich nur spekulativ erklären: Ein Merkmal des zweiten Teils ist, dass er die Stücke mit Quique enthält; sie könnte auch darauf zurückzuführen sein, dass die Zweiteilung eines Albums nicht nur technisch bedingt sein kann (wie nämlich bei Vinyl-Platten der Fall), sondern auch Auswirkungen auf die Rezeption des Werkes haben mag.
Eröffnet werden die „Libellenträume“ durch drei unspektakuläre Gitarrenstücke: Something Bluehat dabei Liedcharakter und wurde mit Richard Scott in der Invisible Men-Periode geschrieben. Quango weist bei Ant seltene jazz-typische Harmonien auf der Gitarre auf; wohl weil es laut Ants Anmerkungen schwierig zu spielen ist, gelangte dieses leider zu kurze Intermezzo (komponiert 1980) erst jetzt an die Öffentlichkeit.
Es folgt Lostwithiel (ähnlich lautete der ursprüngliche Name für die Phillips/Rutherford-Komposition The Geese And The Ghost vom gleichnamigen Album) und damit ein Wechsel zu Synthesizer-Musik. Eine zugrunde liegende Sequenz mit wenigen Obertönen trägt Züge von Minimal Music. Über ihr regen sich diverse musikalische Figuren, bis alle rhythmisierenden Elemente plötzlich ausgeblendet werden, um zu Under The Iceüberzuleiten, einer Improvisation im Stile von Ice Flight; Ant legt hier offensichtlich Wert auf das Prädikat „New Age“.
Sarah Blakeley’s Evening, gemischt aus „vier unabhängigen Stratocaster Parts“, dient quasi als Link zu She’ll Be Waiting, dem in der Rohversion schon von The Meadows Of Englewoodbekannten einzigen Lied auf diesem Album. Dem Sound, für den hier eingewisser Terry Medhurst zuständig ist, fehlt m. E. etwas von dem Zauber früherer Private Songs. Still Timeleitet über zu Part 11, an dessen Anfang vier der Stücke mit Quique stehen: Sanft dargereichte Gitarrenakkorde in einer gesunden Mischung aus Kon- und Dissonanzen erzeugen in Hills Of Languedoc (ein Gebirgszug in Südfrankreich) eine exotische Atmosphäre; in Gegensatz dazu tritt das fröhliche Luigi Palta’s Confession, gefolgt von The Tears Of Pablo Paraguas, welches wie in großer Distanz zum Mikrophon gespielt klingt. Die drei Personennamen in Titeln dieses Albums werden nirgends erklärt. Einen gefälligen Abschluss dieser „QBG“-Sektion bildet Melancholy Flower.
Den Night Song„singt“ ein weibliches „Aah“, mit dem Ant über einem simplen tonalen Rhythmus improvisiert. Das Sample klingt echt, doch beim Wechsel von einem Ton zum anderen wird der Unterschied zu realem Gesang deutlich. Chinese Walls, 1986 auf einer, so Ant, bizarr gestimmten zwölfsaitigen Gitarre eingespielt, enthält zahlreiche hörenswerte Elemente und Ideen, die kurzweilige 18 Minuten füllen – erwähnt seien nur die entzückenden Flageolett-Töne. Old Faithful ist ein Auszug aus einer längeren Improvisation mit Ant am Synthesizer und Quique an der Gitarre. Summer Ponds & Dragonflies, das Ant als „gentle, watery piece“ beschreibt, war Titelgeber für das Album. Lost And Found schließlich ist eine kurze Reprise oder, wie Ant es nennt, „homecoming-variation“ von Lostwithiel mit Drum-Computer und Sinustönen als Sequenz.
Das Cover-Artwork mit seinem eher kitschigen Idyll mit Libelle, Mond und Bodennebel ist nicht weiter erwähnenswert, bis auf die Rückseite, wo ein Megalith, ein Feuertor und ein rätselhaftes Kreissymbol zu sehen sind. Nach dem Dank an die „Druiden von Avebury“ im Meadows Of Englewood Booklet und dem oben erwähnten Hinweis auf „New Age“ stellt sich hier die Frage, ob Anthony unter die Esoteriker gegangen ist … – mit seiner Musik aber ist er mit Dragonfly Dreams geblieben, wo er war.
Autor: Andreas Lauer