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Ali Ferguson – A Sequence Of Moments – Album Rezension (2016)
Im Spätsommer 2011 wagte sich Ray Wilsons Gitarrist Ali Ferguson in die erste Reihe und veröffentlichte mit The Windmills And The Stars ein beachtliches Album. Nun legt er nach – A Sequence Of Moments enthält typische Ferguson-Momente – und schließt eine Lücke, die er mit seinem letzten Album hinterließ …
Windmühlen und Sterne – das waren die Themen seines ersten Soloalbums. Gewissermaßen eine Ode an Licht und Dunkelheit. Ali Fergusons Debütalbum als Solist wurde nicht nur von Ray Wilsons Fans interessiert aufgenommen, sondern es war ein richtig gutes Album. Er konnte den Einfluss von Bands wie Radiohead oder Pink Floyd kaum leugnen und das brauchte er auch nicht. Neben sphärischen Klängen konnte er auch mit eingängigen Songs überzeugen – Coincidence Is No Accident etwa. Eine ausführliche Rezension zu seinem Debütalbum The Windmills And The Stars gibt es unter diesem Link.
Nun ist Ali Ferguson wohl seitdem „gelabelt“. Er hatte schon mit Ray Wilson großartige Songs gemacht, darunter Frequency auf dem Album Propaganda Man. Durch sein Soloalbum aber hat er deutlich gemacht, welches Potenzial er hat und auch, was passiert, wenn man ihn mal von der Leine lässt.
Er brauchte eine ganze Weile, um die Arbeiten an seinem zweiten Album voranzutreiben. Irgendwie blieb das Album bedingt durch sein Tagesgeschäft aber lange ein Nebenprojekt, an dem er immer dann arbeiten konnte, wenn er dafür Zeit hatte und auch die beteiligten Musiker zur Verfügung standen. Ali entschloss sich außerdem, durch Crowdfunding einen Teil der Kosten zu erhalten. Ende 2015 wurde das Album schließlich final abgemischt und die CDs waren im Januar 2016 fertig. A Sequence Of Moments nannte er sein zweites Album.
Neben Ali (Gitarren, Gesang, Keyboards, Programmierung) sind an der Entstehung des Werkes folgende Personen beteiligt gewesen:
Chris Agnew – Bass (tracks 1,3,6,7)
Lawrie Macmillan – Bass (tracks 2,5,8)
Liam Saunders – Keys
Kim Shepherd – Backing Vocals
Duncan Ferguson – Strings
Kerstie Barr – Spoken Word
Graheme Hughes hat die finale Abmischung des Albums übernommen.
Auch mit dem zweiten Album setzt Ali Ferguson auf Anonymisierung. Ein Foto von ihm ist weit und breit nicht zu finden, das Artwork wird dominiert von dezenten Motiven und die Songs werden durch deren Texte und zugeordneten Zitaten großer Zeitgenossen garniert. Während das Cover und Backcover einen eher klinisch und kalt wirkenden Aufzugsbereich zeigen, sind alle Motive im Booklet durch Nebel oder Wolken geprägt, also eine Art feucht-visuelle Umgebung. Interessanterweise hat die Musik aber eine Wärme, die dem entgegensteht.
Das Album beginnt mit recht monotonen Keyboardsounds, dazu ein paar Geräusche und Stimmen, letztere überwiegend auf Deutsch. Es dauert eine Weile, bis die Gitarre einsetzt und man hat sofort wieder das Gefühl: hier ist ein großer Pink Floyd Fan am Werk. Zur Mitte hin nimmt das Stück etwas Fahrt auf, wird aufdringlicher. Why Are We Whispering ist ein schönes, zehnminütiges Intro. Man kann sich schnell in den Musiker hineindenken, der zappenderweise vor dem Fernseher im Hotel nach einem aufregenden Tag zur Ruhe kommt. Daran anknüpfend bietet Out Of The Dark mit seinem verfremdeten, sphärischen Gesang eine schöne Songstruktur. Hier hört man Anleihen aus der Weltmusik, aus Irischem und durchaus auch aus dem Easy Listening Bereich. Interessanterweise bricht auch Out Of The Dark zur Mitte aus seinem Flair aus und wird direkter. Gitarrensoli und ein Drumbeat runden das ganze ab.
Der Titelsong A Sequence Of Moments ist zwar mit weit über acht Minuten recht lang, hat aber auch gewisse Ohrwurmqualitäten. Wieder gibt es Geräusche und Stimmen und einen getragenen Anfang. Erst nach zweieinhalb Minuten gewinnt das Stück eine Struktur. Hier wäre vielleicht eine direktere Aufnahme seines Gesanges mit weniger Verfremdung/Hall die besser Wahl gewesen. Dies hätte das Stück auch etwas deutlicher von den ersten beiden Stücken abgehoben. Versöhnlich ist das Akustikgitarrensolo am Ende. The Realisation erinnert zu Beginn an ein Stück von Mike Oldfields Songs Of Distant Earth, bevor wieder die Gilmour-geprägte Gitarre zum Einsatz kommt. Das Instrumentalstück lebt von Alis Gitarrenarbeit, es wird nicht allzu viel variiert. Es ist eine Art Zwischenspiel, das Is This Enlightenment?vorbereitet. Auch hier ist wieder eine Symbiose aus elektronisch-verspielten Elementen, die an Mike Oldfields spätere Werke erinnern, sowie Floyd, Radiohead und, ja – Steven Wilson unverkennbar. Dieses Stück hätte auch auf Hand. Cannot. Erasesein können. Ein grandioses Stück Musik!
Es gibt Momente, da klingt nicht nur sein Gitarrenspiel nach David Gilmour, sondern auch sein Gesang. Dies ist beispielsweise bei den Anfängen von Into Falling Stars so. Dieses Stück kommt auch einem Popsong am nächsten und könnte für A Sequence Of Momentsdas sein, was Coincidence Is No Accident auf dem Vorgänger war. Es könnte auch das zentrale Stück des Albums sein.
Das neunminütige All In The Winds sticht in seiner Gesamtheit etwas heraus, auch wenn die ersten fünf Alben in etwa der Struktur vieler anderer Stücke des Albums entsprechen. Dann aber gibt es einen echten Beat, den man sonst nur in Discos oder Radiomusik zu hören bekommt. Dazu dezenter Sprechgesang, weitere elektronische Sounds und prompt erwischt man sich beim Mitwippen. In jedem Fall verfehlt es seine Wirkung nicht. Ein wenig hat man sogar das Gefühl, dass dieser Hallo!-Wach!-Moment so gewollt ist. In jedem Fall ein grandioses Vorbereitungselement für das Album-Finale.
Leichten Zugang erhält man zu The Lost Satellites, es ist vergleichsweise einfach zu konsumieren, wenngleich auch dieses Stück wieder fast neun Minuten lang ist. Das Finale Above This Fractured Earth beginnt wie das erste Stück des Albums – offenbar will Ali das Album damit ein wenig einrahmen und als geschlossene Reise verstanden wissen. Das Stück enthält allerdings auch Gesangspassagen und endet mit einem Fadeout der auf dem ganzen Album präsenten Hintergrundgeräusche und -stimmen …
Neun Songs und 72 Minuten Musik. Viel Zeit sollte man sich für Alis zweites Album nehmen. Man kann es zwar nebenbei hören, jedoch verwischen dann die Grenzen schnell und der Wiedererkennungswert leidet. Hier kann man auch den Hauptkritikpunkt ansetzen – vermutlich hätten es auch sieben Stücke mit 55 Minuten getan, manches Stück klingt zu wenig anders. Dazu kommt, dass Ali quasi auf jedem Stück, das er besingt, seinen Gesang immer gleich in Szene setzt. Das hat den Vorteil, dass das gesamte Album ein eindeutiges Flair hat und wie aus einem Guss wirkt, aber es fehlen dadurch auch Kontraste und Abwechslung. Natürlich ist auch das Fehlen echter Drums schade, aber man sollte bedenken, mit welchen Mitteln Ali dieses Werk eingespielt hat!
Freunde sphärischer Musik im Stile von Pink Floyd, Mike Oldfield, FLY oder auch Steven Wilson kommen aber auf ihre Kosten. Manch ein Stück hätte auch auf The Endless River(Pink Floyd) oder Hand. Cannot. Erase (Steven Wilson) oder auch The Songs Of Distant Earth (Mike Oldfield) gepasst. A Sequence Of Momentsist die Verwebung vieler Momente zu einer Einheit, ein Album zum Dahinträumen und Hineinversetzen und definitiv eine Marke im Bereich Ambient / Prog-Rock. Es ist ein weiterer Schritt für Ali, sich auch als Solist zu etablieren und er hat außerdem sein Tun im Vergleich zum Vorgänger noch etwas weiter Richtung Prog-Rock verschoben. Es ist weniger auf dem Punkt, dafür mehr in der Breite des Raumes unterwegs. Hier und da fehlt ein Überraschungsmoment, vielleicht auch etwas Mut, etwas Unerwartetes zu tun und dadurch hat das Album sicher seine Längen. Dennoch hat A Sequence Of Moments im Bereich der Songstruktur und der Gesamtumsetzung eine erstaunlich hohe Qualität, die Ali unbedingt nutzen sollte, um sich in Zukunft noch mehr einen eigenen Namen zu machen.
A Sequence Of Momentsist direkt über Ali Fergusons Bandcamp Seite bestellbar.
Autor: Christian Gerhardts
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