- Artikel
- Lesezeit ca. 4 Minuten
Abschied von John Mayhew († 26.03.2009)
Anfang April 2009 erreichte die Genesis-Fangemeinde die traurige Nachricht, dass der einstige Genesis-Drummer John Mayhew verstorben ist. Helmut Janisch erinnert an den dritten Genesis-Schlagzeuger, der 2006 plötzlich noch einmal im Rampenlicht stand …
Die Nachricht über den Tod von John Mayhew erreichte viele Fans und auch die it-Redaktion kurz nach dem Steve Hackett Event, als wir alle noch die großartigen Momente dieses Wochenendes im Kopf hatten. So spielt das Leben: Manche stehen umjubelt im Scheinwerferlicht, erfahren Bestätigung und schöpfen Kraft aus dem Interesse an ihrer Arbeit. Andere kommen nur selten in den Genuß des großen Applauses und werden sogar beinahe vergessen, so wie der ehemalige Genesis-Schlagzeuger John Mayhew. Aber auch wenn seine Rolle in der langen Geschichte von Genesis eher klein angelegt war, sollten wir John den Platz einräumen, der ihm gebührt.
John Mayhew wurde am 27. März 1947 geboren. Über seine Kindheit und Jugend ist wenig bekannt, nur dass er in Ipswich (Suffolk), nordöstlich von London aufwuchs und einen zehn Jahre älteren Bruder namens Paul hat. Gegen Ende seiner Kindheit trennten sich Johns Eltern und er blieb bei seinem Vater währens sein Bruder Paul seine Mutter begleitete. Der Kontakt zwischen den Brüder verlor sich von da an fast vollständig.
Um 1963 herum begann John Schlagzeug zu spielen. Ihm, der bis dahin noch keine Drumsticks in den Händen gehalten hatte, wurde der Posten des Drummers in einer kleinen Band angeboten. Von da an spielte er in verschiedenen Gruppen, die meist in der Ipswich-Gegend aktiv waren. Nachdem Genesis nach der Veröffentlichung ihres Debut-Albums erneut auf Suche nach einem neuen Drummer gehen mußten, stießen sie auf die Telefonnummer von John, und so kam es, dass dieser im Sommer 1969 der Nachfolger von John Silver im Band-Lineup wurde. Ein Jahr lang füllte er diesen Posten live und im Studio aus. Er war Teil der Band, als sich im Winter 1969/70 im Cottage der Macphails aus der ambitionierten Schulband eine Rockband entwickelte. Genesis nahmen mit John unter anderem 1969 das nunmehr berühmte „Genesis plays Jackson“-Tape, die BBC-Nightride-Session am 22. Februar 1970 sowie das zweite Bandalbum Trespass auf. John wirkte dabei zwar nicht aktiv beim Schreiben von Songs mit, fügte dem Sound aber sicher seine ganz persönliche Note hinzu. Nichtsdestotrotz spürte er wohl schon recht früh, dass Genesis mit seinen Fähigkeiten nicht sonderlich zufrieden waren, und so wunderte es ihn nicht, dass ihn seine Kollegen im Sommer 1970 baten, Genesis zu verlassen. Anthony Phillips verließ die Band ebenfalls, allerdings auf eigenen Wunsch. Es war der erste große Cut in der Bandhistory. John räumte also bereitwillig den Drum-Hocker und ging seinen eigenen Weg weiter.
In den folgenden Jahren arbeitete er weiter als Schlagzeuger in verschiedenen Bands, unter anderem wohl in Norwegen, bis er Anfang 1982 nach Neuseeland bzw. nach Australien auswanderte. Zunächst hatte er die Absicht, neben seinem Beruf als Möbelschreiner weiterhin Drums zu spielen, aber irgendwann in 1982 nach einem Gig in Sydney fasste er den Entschluss, die Sticks an den Nagel zu hängen und sich auf anderen Gebieten weiter zu entwickeln. Im Laufe der Jahre arbeitete er mehr und mehr künstlerisch im Bereich Bühnenbau und Dekorationen für Theater und Film, fertigte aber auch Nachbauten von antiken Möbeln an und vertiefte sein Wissen und seine Fertigkeiten in diesen Gebieten. Sein Bezug zu Genesis ging verloren, ja viele Jahre lang galt er sogar als verschollen.
Bei einem Workshop über den schottischen Möbel-Designer Charles Rennie Mackintosh wurde ein Genesis-Fan aufmerksam auf den Kursteilnehmer mit dem ihm bekannten Namen John Mayhew. Von da an holte John seine Vergangenheit mit einer der inzwischen erfolgreichsten englischen Bands unaufhaltsam ein. Im Mai 2006 war er Ehrengast bei einer Genesis-Convention in London. Dort traf er nach vielen Jahren wieder auf Anthony Phillips. Die Coverband ReGenesis lud ihn ein, bei The Knife die Drums zu spielen und er realisierte, dass er bei den Fans nicht den Status des „Schlagzeugers, der Genesis damals aufgehalten hat“ inne hat, sondern er ebenso als „Familienmitglied“ angesehen wird, wie seine wesentlich bekannteren damaligen Bandkollegen bzw. -nachfolger. Vermutlich überraschte ihn das sehr und bescherte ihm nach mehr als 35 Jahren sein wohlverdientes Erfolgserlebnis. Nachdem John am 23. und 24. September 2006 Gast des italienischen Fanclubs beim 2. DUSKday war, konnte unser Club ihn am 21. Oktober des selben Jahres beim „The Evolution of Genesis“-Event begrüßen, wo er ebenfalls zum On-Stage-Interview zur Verfügung stand und zahlreiche Autogrammwünsche erfüllte. Jeder, der dieses Event miterlebte, wird sicher immer Johns freundliche, zurückhaltende Art in guter Erinnerung bleiben.
John hatte vor, mit seinen Tantiemen vom Trespass-Album (die er vom Genesis-Management ebenfalls 2006 nach 36 Jahren auf einen Schlag nachgezahlt bekam) zurück nach Australien zu gehen, und vermutlich wollte er sich damit auch einen etwas angenehmeren Lebensabend erfüllen, als ihm dies ohne diese Summe möglich gewesen wäre. Vermutlich wohnte er aber in den folgenden Jahren weiter in Glasgow, Schottland, wohin es ihn 2006 verschlagen hatte.
Sein Bruder Paul, zu dem er den Kontakt völlig verloren hatte, begab sich im März 2009 auf die Suche nach John um nach so vielen Jahren einfach wieder die Familienbande zu verbinden. Paul wusste zu dem Zeitpunkt kaum etwas von seinem Bruder – wie es ihm ergangen war und wo er lebte. Die Suche lief unter anderem über die Zeitung Evening Star, die darüber berichtete. Doch tragischerweise fand man dabei heraus, dass John zwei Tage nachdem die Suche begonnen hatte, verstorben war. Er starb am 26. März 2009 an den Folgen eines Herzinfarktes. John war zweimal verheiratet, hatte jedoch keine Kinder.
Unser tiefstes Mitgefühl ist mit allen Angehörigen und Freunden Johns und natürlich mit allen Genesis-Fans, die um einen Musiker trauern, dem das Leben vielleicht nicht immer das verdiente Maß an Glück und Zufriedenheit beschert hat, der uns aber immer in sehr guter Erinnerung bleiben wird.
Good bye, John!
Autor: Helmut Janisch