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A Salute To Buddy Rich (feat. Phil Collins) – DVD Rezension

1999 veröffentlichte Hudson Music zunächst ein Video, später auch eine DVD eines besonderen Big-Band Auftritts von Phil Collins.

Einige Wochen nach Abschluss seiner Tournee mit der Phil Collins Big Band hielt sich Phil Collins vom 1. bis 3. Oktober 1998 für Liveauftritte in New York auf. Am 1. Oktober spielte er mit der Big Band für „Live By Request“ in den Sony Studios, tags darauf war er im Hard Rock Cafe für „VH-l Hard Rock Live“ zuhören. Am dritten Tage spielte er auf Einladung von Cathy Rich ein Tribute Konzert mit der Big-Band von deren Vater Buddy Rich. Rich, der von 1917 bis 1987 lebte, war nicht nur ein begnadeter Sänger, sondern vor allem bereits zu Lebzeiten ein legendärer Schlagzeuger. Sein energisch-feuriges, temporeiches, fantasievolles Spiel machte ihn stets zum Helden seiner Auftritte, ohne dass es ausgesprochen intellektuell gewesen wäre.

Die 1966 gegründete Big-Band des wie Phil – notenunkundigen Naturtalentes – hat auch Phil beeindruckt, woraus der keinen Hehl macht. Ja, Buddy sei für ihn schlichtweg der Grund dafür gewesen, eine Big-Band ins Leben zu rufen, bekennt Phil im Interview auf dem im Sommer erschienenen Video zu Ehren des Mannes, der selbst Idole wie Gene Krupain den Schatten stellte. Das Video enthält zwölf Stücke mit der Buddy Rich Band. Bei sieben spielt Phil Schlagzeug, bei einem singt er. Bei den übrigen vier bedienen zwei Vollzeit- und -blut-Schlagzeuger das Drumkit, die sich in der Jazz- und Rockszene einen Namen gemacht haben: Dennis Chambers aus Baltimore und Steve Smith, der auch sieben Jahre lang Mitglied der Gruppe Journey war. Weitere Mitwirkende waren der Collins-Fans bereits bekannte Perkussionist Luis Conte und der Bassist Will Lee von David Lettermans „Late Show“.

Cover DVD / Video

Zwischen den einzelnen Titeln werden Kurz-Interviews mit den drei Schlagzeugern geführt zu ihrer Arbeit und zu Buddy Rich. Darin sind auch fünf beeindruckende Clips mit Buddy Rich selbst eingestreut. Im Vor- und Abspann werden außerdem interessante Ausschnitte aus den Proben zu dem Konzert präsentiert. Der erste der zwölf Titel ist I Don’t Care Anymore, wie man es von Phils eigener Big-Band kennt. Der Solo-Posaunist, der mit Dämpfer spielt, beeindruckt durch seine Zungentechnik. Es verwundert, dass dieser Titel laut Nachspann von Phil und einem gewissen David Charles geschrieben worden sein soll – handelt es sich vielleicht aufgrund eines Irrtums einfach nur um Phils zweiten und dritten Vornamen?

Als nächstes hört man zwei Arrangements mit Steve Smith an der Schießbude. Airegin(„Nigeria“ rückwärts) von Sonny Rollins ist sehr schnell und klingt am Schluss ruhig im Dreivierteltakt aus. Man hört Saxophon-Soli und ein Piano-Solo. No Jive von Bob Mintzer, der des öfteren mit der SWR-Big-Band zusammenarbeitet, enthält nach Soli von Saxophon, Bass (mit dem sehr exzentrisch gestikulierenden Will Lee) und zwei Saxophonen im Duett auch ein ausgedehntes Solo von Steve. Er erweist sich als sehr versiert in diesem Genre des Schlagzeugspiels. Phil, der diese Art Musik erst seit wenigen Jahren spielt, wirkt dagegen als Big-Band Drummer noch etwas blass. Die zwei Tracks mit Dennis Chambers folgen sogleich. All Blues, einer von zwei Miles Davis-Titeln auf diesem Video, wird vom Piano gefü̈hrt, und Dennis spielt mit Besen. Bei Rocky And His Friends von Frank Comstock werden zwischen einem Piano- und einem Schlagzeugsolo Rockys Freunde durch eine ganze Reihe von Saxophon-Solisten dargestellt, die abwechselnd um die Wette blasen. Etwas eingängigere Weisen folgen zunächst, wenn Phil wieder die Drumsticks schwingt. Mercy, Mercy, Mercy aus der Feder des österreichstämmigen Weather Report-Keyboarders Joe Zawinul mit Saxophon-Solo klingt fast so bekannt wie der Lennon-McCartney-Song Norwegian Wood, bei dem der Improvisationspart der Posaune obliegt und das sehr leicht wiederzuerkennen ist.

Dazwischen lockert That’s All auf – anders als bei Phils Big-Band mit Saxophon- statt Posaunensolo. Nach Milestones, ebenfalls von Jazz Trompeten-Legende Miles Davis, leitet das big-band-bekannte Solo von Phil und Luis (der sich an dieser Stelle auch als Komiker erweist) den Titel Birdland(von Jon Hendricks und Joe Zawinul) ein. Phil gesteht hierzu, dass er Birdland nicht originalgetreu wie Buddy begleiten kann, das sei ihm zu schnell, und wählt einen anderen Ansatz. Nach Sussudio, das natürlich am Ende eines Big-Band-Gigs mit Phil nicht fehlen darf, spricht dieser zum Publikum und erzählt unter anderem die wahre Geschichte, wie Buddy Rich und Tony Williams ihn baten, mit ihnen zusammen zu spielen. Phil hatte damals den Rückzieher gemacht, weil er sich überflüssig vorkam. Auch berichtet er, dass er für Buddy ein Album produzieren sollte. Buddys Herzleiden und sein plötzlicher Tod nach einem Krankenhausaufenthalt setzten unter diese Pläne leider einen vorzeitigen Schlussstrich. Angeblich auf Cathys Bitte hin, etwas zu singen, gibt Phil schließlich noch den Dorothy Fields / Jerome Kern-Song The Way You Look Tonight zum besten, mit sehr verhaltener Begleitung, welche die Bläser kaum einbezieht. Dieser Song war neben Do Nothin‘ Till You Hear From Me bereits gesanglicher Teil der Zugabe einiger Phil Collins Big Band-Konzerte gewesen, bisweilen auch ersetzt durch Always oder ersatzlos gestrichen.

Die fünf historischen Clips mit Buddy Rich zeigen den Meister bei einem Trommelsolo mit der Tommy Dorsey Combo, in der „Steve Allen Show“, mit Big-Band in Kopenhagen 1986 in einem Ausschnitt aus dem Titel Bugle Call Rag, in einer Einblendung von Birdland (aufgeführt 1983 in Jacksonville) und mit dem Titel Channell One Suite von William Reddie in einer Aufführung in Berlin 1984. Letzterer Clip besteht aus einem sehr ausgedehnten Schlagzeugsolo von Buddy Rich, welches die Quintessenz seines Könnens zu enthalten scheint: Vor allem Klangfarbenreichtum, Kontraste von Bombardement bis zu dezentem Streicheln und eine gehörige Portion Humor erstaunen hier den Zuhörer und -schauer. Das Video ist empfehlenswert für alle, die sich für Schlagzeugspiel interessieren, denn man hört nicht nur viel davon, sondern profitiert auch von einer wendigen Kameraführung um das Drumkit herum mit häufigen Einblendungen desselben. Des weiteren ist es ein gar nicht so kleines Trostpflaster für jene, die ein Video zu A Hot Night In Paris vermisst haben, hört und sieht man doch Phil bei vier Titeln, die weder auf der Big Band-CD enthalten sind noch auf einer der beiden Tourneen gespielt wurden. Wer noch mehr von Buddy will, sollte eines seiner Soloalben kaufen; Phil empfiehlt vor allem das West Side Story Medley (nach Leonard Bernstein), welches auf einem der Big-Band-Alben enthalten ist.

Autor: Andreas Lauer