- Offizieller Beitrag
Phil Collins begann seine Karriere im Showgeschäft schon als Teenager in einer West End-Produktion des Musical Oliver!. Viele Kinderstars hoffen danach vergebens auf mehr, Collins dagegen bekam eine doppelte Portion musikalischen Ruhms, zunächst als Schlagzeuger und dann Sänger bei Genesis, bevor er auch als Solokünstler auftrat und eine Laufbahn begann, die einen der am häufigsten gespielten Songs unserer Zeit beinhaltet: In The Air Tonight.
Collins hat aber auch mit zwei sehr verschiedenen Darstellungsweisen seiner Person in den Medien leben müssen. Galt er ursprünglich als der sprichwörtliche nette Kerl im Popgeschäft, so wurde ihm in letzter Zeit anderes vorgeworfen: Oberflächlichkeit, Steuerflucht und dass er eine Ehe per Fax beendet habe. Vor kurzem führte seine dritte Scheidung zu weiterem Spott in den Zeitungen.
ML: Viele Menschen haben ihre Musik im Kopf, und das seit Jahrzehnten. Haben Sie sie auch noch im Kopf, spuken die Stücke dort herum?
PC: Ab und an kommen sie mal wieder hervor, aber ich habe ja meinen beiden Kleinen. Sie entdecken gerade, was der Papa tut. Jeden Morgen, jedesmal wenn ich sie zur Schule bringe, sagen sie „Papas Musik“. Also schalte ich den Ipod ein, meistens ein Genesiskonzert oder meine letzte Solotour. Sie hören sich das an und mein 7jähriger fragt mich: „Worum geht’s da?“ Und ich muß dann erklären. Ihm fallen manche Textzeilen auf: „Was bedeutet das? Wenn es in diesem Stück darum geht, was bedeutet das dann?“ Matthew ist ja erst drei, der hört ein neues Stück und sagt: „Daddy, ich mag alle Stücke von dir.“ Darum überlege ich, ob ich ihn Kritiker werden lassen soll [lacht].
ML: Die Leute ziehen ja aus den verschiedensten Gründen aus England weg. In den 60ern und 70ern waren es die Steuern, andere ziehen weg wegen des Wetters oder aus Liebe. Bei Ihnen war es die Liebe, nicht wahr?
Pc: Ohne jeden Zweifel, ja. Natürlich wird immer das Nächstliegende vermutet...
ML: Hat man Sie jemals als Steuerflüchtling gesehen?
PC: Ich bin dahin gegangen, weil ich Orianne kennengelernt habe und bin eigentlich innerhalb von ein paar Monaten schon umgezogen. Meine vorige Ehe stand schon kurz vor ihrem Ende, und abgesehen davon, dass ich aus diesem privaten Grund da war, finde ich es dort auch wirklich schön. Genf, die Gegend, in der ich gewohnt habe... das Leben dort wird vom See, vom Wasser bestimmt. Ich bin auf der Themse groß geworden, meine Eltern, meine Geschwister, all meine Freunde hatten Boote. Wir lebten wirklich auf dem Wasser. In die Schweiz zu ziehen war... Für mich war es, als zöge ich in das England, wie es in den Ealing-Komödien dargestellt wird [zu den in den Ealing Studios gedrehten Komödien zählt unter anderem auch Ladykillers; d.Übers.]. Die Menschen gehen auf der Straße aneinander vorbei und [hebt die Hand zum Gruß] sagen „bonjour, messieurs, mesdames“, obwohl man einander noch nie zuvor begegnet ist. Man kommt in ein Restaurant und alle sagen „bonsoir“. Es war wunderbar. Man mußte sein Auto nicht abschließen und es gab nirgends Graffitischmierereien. Für mich war das perfekt.
ML: Es gibt da diese Annahme, dass Sie ein Tori sind, weil... Ich erzählte einem Musikjournalisten, dass ich Sie heute interviewen würde, und er fragte: „Ist er hier, um Lady Thatcher zu sprechen?“ [Phil lacht übers ganze Gesicht] Die Vorstellung, dass Sie ein Teil davon sind... woher kommt das? Doch wohl, weil Sie sehr reich sind.
PC: [voller Überzeugung] Ja! Seltsam, nicht wahr? Ich glaube, es hat damit angefangen, dass... Mein Vater war ein Konservativer, aber dass hieß damals, als er noch lebte, etwas anderes. Politik war bei uns in der Familie nie ein großes Thema. Wir lebten in einer Doppelhaushälfte in Hounslow. Mein Vater arbeitete in der City, nahm jeden Morgen denselben Zug dorthin und kehrte abends immer mit demselben Zug zurück. Die Politik in diesem Lande war damals noch eine ganz andere, aber ich habe einmal gesagt, ohne irgendwelche politischen Gründe dafür zu haben: „Wenn dir jemand 100 Pfund gibt und dann 60 wieder wegnimmt und dir weniger als die Hälfte übrig läßt – ich finde so etwas nicht richtig.“ Und darauf sagte dann jemand: „Was würdest du tun, wenn das passiert? Würdest du ins Ausland ziehen?“ und ich sagte: „Vielleicht würde ich das. Vielleicht würde ich das tun, wenn so etwas passiert.“ Und das wurde dann natürlich gedruckt und bildete dann das Fundament für das Gerücht, dass ich ein Konservativer bin. Ich hatte das nur mit dem gesunden Menschenverstand betrachtet. Wenn dir jemand so viel gibt und so viel wieder wegnimmt – 50:50 sollte es schon sein, damit man einen Anreiz hat zum Arbeiten und Sparen.
ML: Aber der Spitzensteuersatz liegt ja bei 40 Prozent.... Hat es Sie nie verlockt wieder hierher zurück zu ziehen?
PC: Ich bin ja nicht deswegen gegangen, das ist es ja gerade. Ich bin umgezogen, weil ich mich verliebt hatte, geheiratet habe und zwei Kinder habe, die dort leben. Warum sollte ich zurückkommen? Meine Mutter lebt hier, meine Geschwister mit ihren Familien. Ich komme ja zurück, aber um hier zu leben? Meine Kinder sind dort drüben. Ich versuche sowieso schon, das hinzubekommen, darum würde ich nicht zurück nach England ziehen. Wenn ich genug Geld habe, dass ich dafür Steuern zahlen muss, dann habe ich danach auch noch genug übrig. Mein Leben hat sich nie um Geld gedreht. Ich liebe, was ich gemacht habe, und glücklicherweise, wie sich gezeigt hat, haben mir die Leute das Geld in die hintern Taschen gesteckt. Aber ich habe niemals irgendwas aus einem rein finanziellen Motiv heraus gemacht.
ML: Eine andere Sache, die manche Leute gegen die Schweiz vorbringen, war, dass Sie von England empört waren. Dass Sie fanden, dass man Sie nicht hoch genug schätzte. In der Mitte der 90er gab es ja in der Tat einen Wandel darin, wie Sie in den Medien dargestellt wurden.
PC: Ja, das hatte alles zu tun mit ...
ML: Faxgate.
PC: Ja, mit diesen Unwahrheiten. Was damals passierte, war das: Ich trennte mich von meiner zweiten Frau. Wir hatten das besprochen und sie bat mich, das alles aufzuschreiben, weil das eine ganze Menge war, was sie da auf einmal verarbeiten musste. Sie bat mich aufzuschreiben, was los war und was ich fühlte, und wie wir damit weiter umgehen sollten. Also schickte ich ihr das. Ich schickte ihr einen Brief, denn ich war auf Tournee. Aber wir hatten darüber schon am Telefon gesprochen und auch persönlich, aber dann mußte ich weg, denn man muss mit den Sachen, mit denen man klarkommen muss, klarkommen, während man sein Leben lebt. Ich erinnere mich noch genau, dass ich in Frankfurt – da spielten wir gerade – vielleicht noch eine halbe Stunde vor meinem Auftritt am Telefon hing und versuchte zu klären, wann ich Lily, unsere Tochter, übers Wochenende oder was immer an Zeit da war, haben könnte. Und die Verbindung brach ständig zusammen. Also schrieb ich ein Fax und schickte es aus meiner Umkleide. Und dieses Fax landete dann auf der Titelseite der Sun. Da war es dann zu spät. Ich erinnere mich, dass ich im Hotel in der Schweiz aufgewacht bin, und da war es dann, und ich dachte nur: „Verdammter Mist, wie ist denn das passiert?“ Ich weiß nicht genau, wie es im Detail passiert ist, aber ... Warum? Es stimmte nicht, aber genau da fing man an, auf meinen Grabstein zu meißeln: „Er hat sich per Fax von seiner Frau getrennt.“ Und das wird mir jetzt ewig nachhängen, egal wie oft ich versuche, die wahre Geschichte zu erzählen, denn die andere Geschichte ist einfach besser.
ML: In letzter Zeit waren Sie wieder in der Zeitung, weil Sie beim dritten Mal die Trennung so still wie möglich vollziehen wollten. Und dann, scheint's, ist jemand durch die Jahresberichte Ihrer Firma gegangen und hat [Phil lacht] die Abfindungszahlung gefunden, aber ...
PC: Es ist nicht die Abfindungszahlung. Sie haben nur eine Differenz gefunden. Es gibt ja diese Listen mit den 200 reichsten Leuten. Alle Jahresberichte von Firmen werden ja veröffentlicht, also werden diese Listen wohl zusammengestellt, sobald die Berichte eingereicht werden. Irgendwer hat dann irgendwo herumgerechnet und herausgefunden: „Phil Collins ist von Position 156 auf 189 gefallen“ oder welche Position das nun auch immer war, und jemand anders sagte: „Na, die Genesis-Tour letztes Jahr kann's ja wohl nicht gewesen sein.“ Nicht dass wir damit viel Geld verdient hätten, aber die Idee, die Einstellung ist „Das kann's nicht sein. Woher also die Differenz?“ Die hatten also diese Zahl, diese Differenz, und kamen plötzlich auf die aberwitzige Idee, dass das jetzt die Abfindung sein könnte, und dachten überhaupt nicht daran, dass ich eventuell ein Haus gekauft haben könnte – vielleicht dieses berühmte Haus in Norfolk das ich nicht haben, das aber immer wieder auftaucht...
ML: Also ich lese immer wieder, dass Sie dieses Haus in Norfolk haben...
PC: Habe ich nicht. Ich habe kein Haus in Norfolk [lacht], ich mag Norfolk noch nicht mal besonders. Also, Norfolk ist bestimmt nicht schlecht, aber warum sollte ich dorthin ziehen wollen?
ML: Das ist aber schon ein eigentümliches Gerücht. Woher kommt es?
PC: Ich habe keine Ahnung. - Mein Neffe heißt auch Philip. Er hat eine Zeitlang in Norfolk gewohnt, aber damals konnte er sich kein Haus leisten. Ich weiß also nicht, woher das kommt. Ich glaube, es gibt da noch einen Phil Collins, der sich über das öffentliche Interesse freut. Vermute ich. Ich bin's nicht.
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