Hallo miteinander
heute Morgen entdeckte ich ein interessantes Interview in der WELT (WELT ONLINE - "Das frühe Zeug ist total schwer zu spielen" - Nachrichten Kultur) mit 16 Bildern zu Genesis über Peter, Wiederholungstour, Prog-Ära:
10. Juni 2007, 21:53 Uhr Von Michael Loesl
Genesis
"Das frühe Zeug ist total schwer zu spielen"
Phil Collins, Tony Banks und Mike Rutherford haben die Band Genesis wieder belebt und touren durch Europa. Im Gespräch mit WELT ONLINE erklären die Drei, warum ihnen Konzerte Spaß machen und wo sie die Telefonnummer von Peter Gabriel liegen haben.
Tony Banks, Phil Collins und Mike Rutherford bereiten ihr Comeback stilgerecht vor. In den antiken Gemäuern des Grand Hotel Karel V. im niederländischen Utrecht, haben schon der Eroberer Charles V. und seine Schwester, Maria von Ungarn, gelebt. 14 Jahre nach ihrem letzten, gemeinsamen Konzert, werden die drei Musiker ihr altes Mutterschiff Genesis von hier aus wieder auf Fordermann bringen und, beginnend am 11. Juni in Helsinki, durch 22 europäische Stadien segeln. Ohne Peter Gabriel. Das Jahr der großen Reunions haben Genesis mit knapp einer halben Million verkaufter Tickets vor den Kollegen von The Police bereits für sich entschieden. Grund genug für den passionierten „Doodle“-Zeichner Collins, während des Interviews ganz entspannt weiter zu kritzeln.
WELT ONLINE: Der Hotelpage gerade war erstaunt darüber, dass es Genesis wieder gibt. Allerdings war er enttäuscht, weil er mit der Rückkehr Peter Gabriels gerechnet hatte ...
Phil Collins: Immer diese Nörgler, die sich in die Hose machen, weil ich jetzt wieder Sänger bei Genesis bin! Gabriel hätte garantiert nicht die Songs gesungen, die man im Allgemeinen mit Genesis assoziiert. Genau um die zu hören, werden allerdings die Tickets für unsere Shows verkauft. Leute, die ihn über seinen größten Hit „Steamhammer“ kennen gelernt hatten, wären von Genesis mit Peter Gabriel vermutlich enttäuscht gewesen.
WELT ONLINE: Sie meinen "Sledgehammer", oder? Wundert es Sie, dass Gabriel an der Genesis-Reunion nicht teilnehmen wollte?
Collins: Das müssen Sie ihn schon selbst fragen. Unsere gemeinsame Idee lautete, unser Epos „The Lamb Lies Down On Broadway“ neu auf die Bühne zu bringen. Der Impuls dazu kam übrigens von Gabriel selbst. Letztendlich fand er sich zu alt, um jetzt noch mal in die Rolle des jungen Punks „Rael“, dem Protagonisten der Story, zu schlüpfen. Dabei hätte er ja statt der Rolle des Tänzers, auch die des Conferenciers spielen können. Offen gesagt, verstehe ich sein Problem nicht, an etwas lieber nicht teilhaben zu wollen, was in erster Linie Spaß machen sollte.
WELT ONLINE: Warum treffen wir uns eigentlich ausgerechnet im eher unglamourösen Utrecht?
Tony Banks: Weil Phil hier in Holland an der Bühnenversion von „Tarzan“ arbeitet.
WELT ONLINE: Mit anderen Worten, steigt und fällt der Kurs von Genesis mit dem Wohlwollen von Mr. Collins.
Collins: So würde ich das nicht sehen. Ich bin nicht der Retter der Band. Selbst wenn es nach Außen hin den Anschein hat. Ohne Tony und Mike könnte ich nicht als Genesis firmieren. Wir sind also, wenn überhaupt, alle drei voneinander abhängig. Sehen Sie es doch einfach so: nach 32 Jahren haben Genesis die Suche nach einem Ersatzsänger für Peter Gabriel beendet.
WELT ONLINE: Bereitet es einem umtriebigen Songwriter wie Phil Collins keine Bauchschmerzen, alte Erfolge zu revitalisieren?
Collins: Junger, frischer Schweiß riecht fraglos besser als alter, abgestandener. Ich arbeite sehr gerne an Musicals, wie inzwischen jeder weiß. Ich würde allerdings kein Genesis-Musical a la „Mamma Mia“ oder „We Will Rock You“ schreiben wollen. Neue Musik zu kreieren macht eindeutig mehr Spaß als Altes aufzuwärmen.
WELT ONLINE: Warum reformieren sich Genesis dann überhaupt wieder für eine Tour? Collins: Als wir über die kommende Tour nachdachten, überkam mich ein fast fatalistisches Spaß-Gefühl. Ich hatte Lust, mit Mike und Tony einfach drauf los zu spielen. Drei Musiker, die wie eine Jazzband für eine Tour zusammen kommen, gemeinsam Spaß an der Musik haben und danach auf unbestimmte Zeit wieder getrennte Wege gehen. So sehe ich die anstehende „Reunion-Tour“. Ich stoße nicht als reuiger Rückkehrer zur Band. Hätten wir nach unserem letzten, gemeinsamen Album einfach zusammen weiter gemacht wie bis zu diesem Punkt, hätte es Genesis vermutlich nie mehr gegeben. Nicht mal mehr für eine Tour. Routine langweilt mich zutiefst.
WELT ONLINE: Es gibt tatsächlich noch Fatalismus im Künstlerleben eines Popstars, der in den Achtzigern mit fast schon tödlicher Sicherheit Hit-Prototypen geschrieben hatte?
Collins: Genau deswegen ließ ich den überpräsenten, Achtziger-Collins Mitte der Neunziger sterben. Collins megaerfolgreich mit Genesis, Collins erfolgreich als Solo-Musiker. Es war alles zu vorhersehbar geworden. Ich habe mir meinen Fatalismus als Musiker zurückgeholt. Insofern, als dass Lieder zu schreiben meine absolute Lieblingsbeschäftigung ist. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht mindestens an einer neuen Songidee arbeite. Ob ich sie veröffentlichen will, ist eine andere Frage.
WELT ONLINE: Sind Sie etwa dünnhäutig geworden?
Collins: Gestern Abend unterhielten wir uns mit einem Reporter, der mein letztes Soloalbum regelrecht hasste. Das ist zwar sein gutes Recht, aber mir setzte seine Kritik ziemlich zu. Deswegen überlegte ich, ob es überhaupt noch Sinn macht, Platten zu veröffentlichen. Man kreiert im Studio diese wundervollen kleinen Babys, was total befriedigt. Einmal veröffentlicht, bekommt man nichts als eine Serie von Enttäuschungen zurück.
Banks: Interessant, dass Du die Reaktionen auf deine letzten Soloalben eine Serie von Enttäuschungen nennst. Immerhin hast Du von denen ein paar Millionen Exemplare verkauft. Meine Soloalben haben nicht mal einen Bruchteil davon verkauft. Trotzdem möchte ich weiterhin Alben aufnehmen. Ich denke dabei allerdings nicht mehr über große Verkaufsschlager nach. Wenn ich jemals wieder ein Rockalbum aufnehmen würde, wäre es nur noch als Download erhältlich. Das rettet einen vor dem Druck, der darum herum betrieben wird.
WELT ONLINE: Wann haben Sie zuletzt Stadionkonzerte besucht?
Banks: Ich kann mich gar nicht daran erinnern, wann ich überhaupt zuletzt ein Konzert besucht habe.
Collins: Ich habe mir zuletzt Roger Waters und The Who angeschaut. Aber nicht im Stadion, sondern im Madison Square Garden. Ich kann mir schon vorstellen, warum Sie uns nach Stadienkonzerten fragen. Warum spielen wir darin und schauen uns darin selbst keine Gigs an, richtig?
WELT ONLINE: Stimmt.
Banks: Es ist die Höher-Schneller-Weiter-Größer-Mentalität des Popgeschäfts, die solche Konzerte unumgänglich macht. Du bist verdammt, wenn du in Stadien spielst und du bist verdammt, wenn du sie nicht spielst. Ich kann die Vorbehalte gegen Stadienkonzerte verstehen und unser ursprünglicher Plan sah auch eher Hallenkonzerte vor.
Collins: Dann treten aber Manager und Agenten auf den Plan, die alles noch größer haben wollen. Es ist eine Schande, dass bei Tourplanungen Leute unseres Alters vergessen werden, die für Tickets sparen, einen Tag für ein Konzert opfern und sich dann auch noch stundenlang in eine Reihe stellen müssen, um ein Hotdog zu erstehen oder die Toilette benutzen zu dürfen. Andererseits bekommen sie bei uns zumindest etwas für ihr Geld geboten. Drei Typen, die nicht tanzen können, aber auch ein Stadion so unterhalten können, dass sich selbst der Typ in der letzten Reihe noch persönlich angesprochen fühlt. Außerdem arbeiten wir nicht mit den branchenüblichen Tricks. Es gibt keine Zusatzkonzerte mehr. Wenn die 22 Shows vorbei sind, wird es keine Wiederholung geben.
WELT ONLINE: Warum machen die Genesis der Collins-Ära live gerne einen Bogen um die epochalen Songs der Siebziger-Genesis, abgesehen vom Stilbruch, der sich zwischen Progrock und lupenreinem Pop offenbaren würde?
Banks: Es klingt zwar fast schon zu profan, aber das Zeug ist total schwer zu spielen. Rein physisch betrachtet. Unsere epischen Frühwerke aufzuführen, überlassen wir deshalb lieber den jungen Typen der Genesis-Coverbands. Epen wie „Suppers Ready“ erfordern Kräfte, die man mit Mitte 50 nicht mehr besitzt.
WELT ONLINE: Ist Reife für Musiker nur ein Mythos?
Banks: Jeder weiß doch, dass die körperliche Leistungskraft ab einem bestimmten Alter eher nachlässt. Na ja, vielleicht trifft das nicht auf jede Showbiz-Größe zu. Auf der anderen Seite haben wir nie so getan, als ob wir die Rolling Stones gewesen wären.
WELT ONLINE: Besitzen Sie Peter Gabriels Telefonnummer?
Rutherford: Irgendwo habe ich sie bestimmt. Ich weiß nur nicht wo.
Collins: Ich fürchte, ich besitze sie im Moment, jetzt hier, nicht. Aber Leute, die ich kenne haben sie.
Banks: Klar, besitze ich die. Warum auch nicht? Wir telefonieren zwar selten, aber wir sind immer noch befreundet. Manchmal ist es aber seltsam, wie sehr man in alten Verhaltensmustern stecken geblieben ist. Beispielsweise wenn es um das Erstehen von alten Genesis-Memorabilien bei Auktionen geht. Vor ein paar Jahren habe ich das Original-Gemälde erstanden, das unser „Selling England By The Pound“-Album schmückte. Für 6000 Pfund. Gut, dass ich erst nach Auktions-Ende merkte, dass Peter mein Rivale war. Sonst hätte ich vermutlich das Fünffache geboten.
Collins: Ich sollte mir seine Nummer mal wieder besorgen. Schließlich warten wir immer noch auf ein definitives Ja oder Nein zur großen Genesis-Reunion von ihm. Er wollte uns vor zwei Jahren bis Weihnachten Bescheid geben, ob er teilnimmt oder nicht. Der Gauner! Wir haben nämlich vergessen zu fragen, welches Weihnachten in welchem Jahr er eigentlich meinte.
Das Gespräch führte Michael Loesl
Die Europa-Tournee startet am 11. Juni in Helsinki. In Deutschland am 15. Juni in Hamburg, 23. Hannover, 26./27. Düsseldorf, 28. Stuttgart, 3. Juli Berlin, 4. Leipzig, 5. Frankfurt, 10. München.